Entscheidungsstichwort (Thema)
Gestaltungsmissbrauch durch gegenläufige Rechtsgeschäfte auf der Nutzungsebene
Leitsatz (amtlich)
Ein Gestaltungsmissbrauch liegt vor, wenn die Parteien der Grundstücksübertragung durch gegenläufige Rechtsgeschäfte auf der Nutzungsebene erreichen, dass es nach der wirtschaftlichen Substanz der Vereinbarungen nicht zu einer entgeltlichen Nutzung des Übertragenden kommt.
So verhält es sich auch dann, wenn bei Aufgabe des unentgeltlichen Wohnrechts gegen Gewährung einer dauernden Last bei gleichzeitiger Vereinbarung eines Mietverhältnisses der Betrag der dauernden Last den Betrag des Mietzinses übersteigt.
Normenkette
AO § 42 Abs. 1; EStG § 21 Abs. 1 Nr. 1
Tatbestand
Streitig ist, ob der Abschluss eines Mietvertrages unter Angehörigen bei gleichzeitiger Vereinbarung einer dauernden Last ein Missbrauch von Gestaltungsmöglichkeiten ist.
Die Kläger werden zusammen zur Einkommensteuer veranlagt, sie erzielten neben Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung.
Die Klägerin erhielt mit notarieller Urkunde des Notars A in 1 vom 23.05.1969 (URNr. ) von ihrer Großmutter im Wege vorweggenommener Erbfolge das im Jahre 1957 mit einem Einfamilienhaus bebaute Grundstück Straße 1, vorgetragen im Grundbuch des Amtsgerichts 2 für 3 Band 28 mit der FlNr ... /4 sowie mit Urkunde vom 11.06.1969 des Notars A (URNr. ) von ihrer Mutter das angrenzende unbebaute Grundstück mit der FlNr. /1 und 10.000 DM von ihrem Vater.
Als Gegenleistung wurde zugunsten der Eltern der Klägerin ein unbefristetes Dauerwohnrecht bezüglich der Flurstück-Nummern /4 und /1 bestellt. Entsprechend Ziffer X des notariellen Vertrages vom 11.06.1969 erfolgte im Jahr 1970 die Erweiterung und Aufstockung des Wohnhauses durch die Klägerin zu einem Zweifamilienhaus mit einer Nutzfläche von ca. 100 qm je Wohnung. Im Jahr 1999 wurde dem Finanzamt bekannt, dass das Dachgeschoss bereits seit 1980 zu einer weiteren Wohnung mit 75 qm ausgebaut und von den Klägern eigengenutzt wird.
Mit als „Ablösung eines Dauerwohnrechts gegen Einräumung einer dauernden Last“ bezeichnetem notariellen Vertrag vom 01.03.1985 (URNr. R) des Notars B verzichteten die Eltern der Klägerin auf das ihnen an dem Anwesen Straße 1 in 3 eingeräumte Dauerwohnrecht rückwirkend zum 01.01.1984. Die Klägerin schloss mit ihren Eltern am 06.01.1984 einen Mietvertrag über eine Wohnung im ersten Stockwerk mit vier Zimmern zum monatlichen Mietzins von 350 DM ab. Die Kläger verpflichteten sich, rückwirkend zum 01.01.1984 an die Mutter der Klägerin bzw. nach deren Tod an den Vater der Klägerin einen Betrag in Höhe von 400 DM als dauernde Last als Gesamtschuldner zu zahlen und zwar unter Vorbehalt der Abänderung nach § 323 ZPO. Zur Sicherung der dauernden Last bestellte die Klägerin eine Reallast zugunsten ihrer Mutter und ihres Vaters, das Dauerwohnrecht wurde im Grundbuch gelöscht. Bezüglich weiterer Einzelheiten wird auf den notariellen Vertrag vom 01.03.1985 verwiesen.
In den Steuererklärungen der zurückliegenden Jahre, mindestens ab dem Jahr 1990, ermittelten die Kläger die Einkünfte aus dem Grundstück in 3 durch Gegenüberstellung der Einnahmen zu den Werbungskosten. Dabei wurden Mieteinnahmen für die von den Eltern der Klägerin genutzte Wohnung im Obergeschoß jeweils mit 4.200 DM angegeben sowie ein Nutzungswert von 4,20 DM je qm der eigengenutzten Wohnung im Erdgeschoss bei einer Größe von 90 qm und der eigengenutzten Garage erklärt. Ein Wegfall der erklärten Nutzungswertbesteuerung für einen Zeitpunkt nach dem 31.12.1986 wurde nicht beantragt. Im Rahmen der Sonderausgaben gaben die Kläger jeweils als dauernde Last einen Betrag von 4.800 DM an.
In der Anlage V zur Einkommensteuererklärung 1998 machten die Kläger zunächst Erhaltungsaufwendungen in Höhe von 157.232 DM geltend und erklärten einen Überschuss der Werbungskosten über die Einnahmen aus Vermietung und Verpachtung in Höhe von 152.431 DM. Das Finanzamt folgte mit dem unter dem Vorbehalt der Nachprüfung stehenden Einkommensteuerbescheid für 1998 vom 18.10.1999 diesen Angaben und wies hierbei einen Gesamtbetrag der Einkünfte in Höhe von ./. 64.949 DM aus. Mit nach § 10 d Abs. 1 Satz 2 EStG geänderten Einkommensteuerbescheiden für 1996 und 1997, ebenfalls jeweils vom 18.10.1999, berücksichtigte das Finanzamt für 1997 einen Verlustrücktrag aus 1998 in Höhe von 32.352 DM und für 1996 einen Verlustrücktrag aus 1998 in Höhe von 32.597 DM.
Im Anschluss an eine am 14.10.1999 durchgeführte und mit Bericht vom 26.11.1999 abgeschlossene betriebsnahe Veranlagung vertrat das Finanzamt die Auffassung, dass das Mietverhältnis steuerlich nicht anzuerkennen sei. Die Vereinbarung der Bestellung einer dauernden Last ab 01.01.1984 in Höhe von monatlich 400 DM bei gleichzeitiger Vereinbarung einer Miete ab 01.01.1984 in Höhe von monatlich 350 DM sei als Gestaltungsmissbrauch anzusehen und deshalb die bisher durchgeführte Nutzungswertbesteuerung der eigengenutzten Wohnung aufgrund der großen Übergangsregelung ...