Entscheidungsstichwort (Thema)

Rückgängigmachung einer verdeckten Gewinnausschüttung

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Die Rechtsfolgen einer verdeckten Gewinnausschüttung können nicht dadurch rückgängig gemacht werden, dass der zur verdeckten Gewinnausschüttung führende Geschäftsvorfall nachträglich wieder aufgehoben wird.

2. Wird der die verdeckte Gewinnausschüttung auslösende Geschäftsvorfall rückgängig gemacht, kann allenfalls ein (Teil-)Erlass der Steuer oder die Nichtberücksichtigung des die Steuer auslösenden Vorgangs gemäß § 163 Abs. 1 AO geboten sein.

 

Normenkette

EStG § 20 Abs. 1 Nr. 1 S. 2, § 32d Abs. 1; KStG § 32a; AO § 163 Abs. 1

 

Nachgehend

BFH (Beschluss vom 26.03.2018; Aktenzeichen VIII B 66/17)

 

Tatbestand

Streitig ist, ob eine verdeckte Gewinnausschüttung rückgängig gemacht werden kann.

Der Kläger war im Streitjahr 2010 alleiniger Gesellschafter der K Gmbh (im Folgenden "K-Gmbh"). Geschäftsführer war sein Vater HK (im Folgenden "HK"). Die K-Gmbh war zu 95 % am Stammkapital der KK-GmbH (im Folgenden "KK-GmbH") beteiligt. Geschäftsführer der KK-GmbH war der Bruder des Klägers, HK jun. (im Folgenden "HK jun.").

Mit notariellem Geschäftsanteilsabtretungsvertrag vom 10.09.2010 übertrug die K-Gmbh, vertreten durch ihren Geschäftsführer, ihre Geschäftsanteile an der KK-GmbH auf HK jun. "unentgeltlich als Schenkung im Wege der vorweggenommenen Erbfolge". Eine Anrechnung auf etwaige Pflichtteils- oder Pflichtteilsergänzungsansprüche sollte nicht erfolgen. Der Notar nahm keine wirtschaftliche und keine steuerliche Beratung vor, Tz. VIII. 6. des Vertrages.

Ein Gesellschafterbeschluss (des Klägers als alleinigem Gesellschafter der K-Gmbh) hierzu war nach seinen Angaben nicht gefasst worden, obwohl die Beteiligung an der KK-GmbH der einzige nennenswerte Vermögensgegenstand im Vermögen der K-Gmbh war. Der Kläger war auch an der Abfassung des notariellen Vertrages nicht beteiligt.

Nach den unstreitigen Feststellungen des Finanzamts D hatten die übertragenen Geschäftsanteile zum Übertragungsstichtag einen Anteilswert für Zwecke der Schenkungssteuer i.H.v. 149.638 €.

Im Rahmen der Veranlagung der K-Gmbh zur Körperschaftsteuer 2010 nahm das Finanzamt C wegen der Anteilsübertragung eine verdeckte Gewinnausschüttung i.H.v. 149.638 € an (Körperschaftsteuerbescheid 2010 vom 01.03.2013).

Mit notariellem Vertrag vom 28.01.2014 wurde die Anteilsübertragung wegen Fehlens einer Geschäftsgrundlage durch Rückabtretung der Geschäftsanteile rückgängig gemacht.

Gemäß Tz. I. 5. dieses Vertrages haben die Parteien bei Abschluss des ersten Vertrages nicht bedacht, dass sich die Übertragung steuerlich als Gewinnausschüttung der K-Gmbh an ihren damaligen Gesellschafter, den Kläger, mit anschließender Schenkung des Klägers an seinen Bruder darstelle. Hätten sie dies bedacht, hätten sie eine andere Gestaltung gewählt oder von der Übertragung insgesamt Abstand genommen. Aus dem im ersten Vertrag angegebenen Motiv für die Schenkung ("vorweggenommene Erbfolge") werde zudem deutlich, dass die Parteien irrtümlich davon ausgegangen seien, dass eine Schenkung des HK an seinen Sohn HK jun. stattfinden würde. Sie hätten nicht bedacht, dass wirtschaftlich Berechtigter an der K-Gmbh der Kläger gewesen sei. Die Parteien hätten sich also auch über die Person des Zuwendenden geirrt. Die steuerliche Neutralität des Vorgangs sei nach den Angaben der Vertragsteile Geschäftsgrundlage i.S.d. § 313 Abs. 2 BGB für die in der Vorurkunde vorgenommene Anteilsübertragung gewesen.

Gemäß Tz. II. 2. dieses Vertrages übertrug der Veräußerer (HK jun.) mit sofortiger dinglicher Wirkung den veräußerten Geschäftsanteil an den Erwerber, die K-Gmbh, zurück. Schuldrechtlich sollte die Übertragung auf den 10.09.2010 zurückwirken, Tz. IV. 1.

Die Einkommensteuer des Klägers für den Veranlagungszeitraum 2010 war zunächst mit Bescheid vom 29.01.2014 festgesetzt worden. Aufgrund einer Mitteilung des inzwischen für die K-Gmbh zuständig gewordenen Finanzamts D vom 11.09.2015 über die verdeckte Gewinnausschüttung setzte das Finanzamt C mit nach § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO geändertem Bescheid vom 28.10.2015 die Einkommensteuer 2010 auf 51.883 € herauf. Neben Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit i.H.v. 61.054 € berücksichtigte es nun auch Kapitalerträge i.S.d. § 32d Abs. 1 EStG i.H.v. 148.939 € (149.638 € ./. 699 € Sparer-Pauschbetrag).

Im Einspruchsverfahren machten die Klägervertreter geltend, eine Änderung des be-standskräftigen Steuerbescheides vom 29.01.2014 nach § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO sei nicht möglich. Nachdem das Finanzamt C gegenüber der K-Gmbh bereits mit Bescheid vom 21.02.2013 vom Vorliegen einer Gewinnausschüttung an den Kläger ausgegangen sei, fehle es an einer "neuen Tatsache". Der Bescheid sei aber auch materiell-rechtlich rechtswidrig. Zwar stelle die unentgeltliche Übertragung der Anteile an der KK-GmbH auf HK jun. eine verdeckte Gewinnausschüttung dar, doch sei diese durch die Rückabwicklung des Rechtsgeschäfts rückwirkend entfallen (BFH-Urteil vom 28.10.2009 IX R 17/09, BStBl II 2010...

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