Entscheidungsstichwort (Thema)
Vorbeugender Rechtsschutz gegen künftige Vollstreckungsmaßnahmen nach Vollstreckungsankündigung aufgrund Vollstreckungsersuchen einer österreichischen Behörde
Leitsatz (amtlich)
Die allgemeine Leistungsklage in Form der vorbeugenden Unterlassungsklage erfordert ein besonders intensives Rechtsschutzbedürfnis.
Die Ankündigung der Vollstreckung begründet kein im Rahmen einer Feststellungsklage relevantes gegenwärtiges Rechtsverhältnis, wenn materielle Einwendungen gegen den zu vollstreckenden Anspruch erhoben werden und ein zwischenstaatliches Abkommen ein Abwarten der um Vollstreckung ersuchten Stelle bis zur Entscheidung über die Einwendungen durch die ersuchenden Stelle vorsieht.
Normenkette
FGO § 40 Abs. 1 1. Alt, Abs. 1 2. Alt. 1, Abs. 1 2. Alt. 2, § 41
Tatbestand
Gegenstand des Verfahrens ist eine Vollstreckungsankündigung des beklagten Finanzamts vom 03.11.2016.
Die Bezirkshauptmannschaft Innsbruck, Verkehrsreferat, erließ am 18.05.2015 ein Straferkenntnis gegenüber dem Kläger, wonach dieser am 14.09.2014, 15.00 Uhr, mit dem Fahrzeug X in der Gemeinde Volders, auf der A 12, bei Kilometer 64.477, Richtungsfahrbahn Staatsgrenze Kiefersfelden, ein Kraftfahrzeug auf dem mautpflichtigen Straßennetz gelenkt habe, ohne die zeitabhängige Maut ordnungsgemäß entrichtet zu haben, obwohl die Benutzung von Mautstrecken der zeitabhängigen Maut unterliege. Am Fahrzeug sei keine gültige Mautvignette angebracht worden. Der Kläger habe dadurch § 20 Abs. 1 i.V.m. § 10 Abs. 1 und 11 Abs. 1 Bundesstraßenmautgesetz (BStMG) verletzt. Die Bezirkshauptmannschaft Innsbruck verhängte wegen dieser Verwaltungsübertretungen eine Geldstrafe von 300 €, für den Fall der Uneinbringlichkeit eine Ersatzfreiheitsstrafe von 72 Stunden. Zudem habe der Kläger gemäß § 64 Verwaltungsstrafgesetz (VStG) 30 € als Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens zu zahlen. Der zu zahlende Gesamtbetrag betrage 330 €. Auf das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Innsbruck vom 18.05.2015 wird im Einzelnen verwiesen.
Der Klägervertreter legte hiergegen am 30.06.2015 Beschwerde an das Landesverwaltungsgericht ein, über welche am 17.07.2015 entschieden wurde.
Mit Schreiben vom 25.10.2016 ersuchte die Bezirkshauptmannschaft Innsbruck, Strafvollzug, das beklagte Finanzamt unter Hinweis auf den Vertrag der Bundesrepublik Deutschland und der Republik Österreich über Amts- und Rechtshilfe in Verwaltungssachen gemäß Art. 9 vom 31.05.1988 beim Kläger unter Bezugnahme auf den oben genannten Bescheid den rechtskräftig verhängten Betrag inklusive Verfahrenskosten, Barauslagen und Gebühren von 395 € einzutreiben. Der Bescheid unterliege keinem die Vollstreckung hemmenden Rechtszug. Der Beschuldigte habe am 30.06.2016 die letzte Mahnung erhalten.
Das beklagte Finanzamt kündigte mit Schreiben vom 03.11.2016 gegenüber dem Kläger die Vollstreckung von 395 € aus dem Vollstreckungsersuchen der Bezirkshauptmannschaft Innsbruck an.
Mit Schreiben vom 18.11.2016 wendete der Klägervertreter gegenüber dem Finanzamt ein, eine Vollstreckung des Betrags dürfe nicht erfolgen; die Belangung des Klägers als Fahrzeughalter widerspreche dem Ordre-Public-Vorbehalt des bundesdeutschen Rechts. Die Bezirkshauptmannschaft Innsbruck habe die Fahrereigenschaft überhaupt nicht geprüft. Es werde auf das Urteil des Finanzgerichts München vom 10.10.2013 10 K 2217/13 verwiesen; die infrage stehende Maut sei tatsächlich entrichtet worden.
Mit Schreiben vom 21.11.2016 lehnte das Finanzamt die Einstellung der Vollstreckung ab; das Urteil des FG München vom 10.10.2013 sei nicht einschlägig. Einwendungen, insbesondere zur Frage der tatsächlichen Bezahlung der Maut, gegen das zu vollstreckende Straferkenntnis seien durch Beschwerde gegenüber dem Landesverwaltungsgericht zu erheben.
Der Kläger hat Klage erhoben sowie einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung wegen Einstellung der Zwangsvollstreckung (6 V 1713/16) gestellt.
Der Klägervertreter trägt vor, die Zwangsvollstreckung aus dem Straferkenntnis sei unzulässig; sie verstoße gegen Verfassungsrecht und verletze Grundrechte des Klägers. Das Straferkenntnis sei offensichtlich rechtswidrig.
Der Kläger sei nicht Fahrer gewesen und nach seiner Überzeugung keine Zeit ohne Vignette auf einer mautpflichtigen Straße gefahren. Ein Lichtbild, das den Kläger identifiziere, sei nicht vorhanden. Die österreichischen Behörden und Gerichte hätten den Kläger als Kfz-Halter belangt. Die tatsächliche Lenkereigenschaft des Klägers sei weder geprüft noch durch Feststellungen oder durch eine Beweisaufnahme festgestellt worden. Ein individuelles Verschulden sei ihm nicht nachgewiesen worden.
Der Kläger könne in Deutschland in einer derartigen Fallkonstellation nicht belangt werden, da der Nachweis der Person des Fahrzeugführers nicht erbracht werden könne. Nach deutschem Recht sei eine sog. Halterhaftung nur im ruhenden Verkehr möglich; im fließenden Verkehr müsse die Fahrereigenschaft feststehen. Vorliegend handle es sich um fließenden Verkeh...