Entscheidungsstichwort (Thema)
Voraussetzungen für das Ergehen eines Haftungsbescheids gem. § 42d EStG
Leitsatz (redaktionell)
Zwar müssen in dem Haftungsbescheid nach § 42d EStG grundsätzlich die einzelnen Steuerschuldner (Arbeitnehmer) und die einzelnen Steuerschulden genannt werden, das Finanzamt (§ 162 AO) und die Gerichte der Finanzgerichtsbarkeit (§ 96 Abs. 1 Satz 1 FGO i.V.m. § 162 AO) müssen eine derartige Aufgliederung jedoch dann nicht vornehmen, wenn es auf Grund einer Unterlassung des Arbeitgebers nicht möglich ist, die Namen der Arbeitnehmer, die einen lohnsteuerlichen Vorteil erlangt haben, festzustellen.
Der Geschäftsführer einer Kapitalgesellschaft ist das notwendige und zugleich einzige Vertretungsorgan der Gesellschaft; nur durch ihn ist die Gesellschaft handlungsfähig und kann im Rechtsverkehr auftreten. Deshalb hat der Geschäftsführer organschaftliche und nicht bloß rechtsgeschäftliche Vertretungsmacht. Die Geschäftsführertätigkeit und die Vertretertätigkeit schließen sich gegenseitig aus.
Normenkette
EStG § 42d Abs. 1 Nr. 1
Tatbestand
Streitig ist, ob gegenüber der Klägerin ein Haftungsbescheid gern. § 42d des Einkommensteuergesetzes - EStG - wegen Lohnsteuer ergehen durfte.
Die Klägerin ist eine GmbH nach bulgarischem Recht.
Die Klägerin wurde seit 1995 im Rahmen von Werkverträgen mit inländischen Baufirmen als Auftraggeber auf deren Baustellen im Inland tätig. In den Jahren 1997 und 1999 wurde sie nach Auskunft der Auftraggeber wie folgt tätig:
Bei der Firma A KG (Bl. 16 f. LSt-Prüfungsakten):
vom 11.11.1996 bis 15.07.1997 Baustelle
vom 27.01.1997 bis 17.12.1997 Baustelle
bei der Firma B (Bl. 12 f. LSt-Prüfungsakten):
vom 03.03.1997 bis 30.06.1997 Baustelle
bei der Firma C (B14 f. LSt-Prüfungsakten):
vom 07.06.1999 bis 12.11.1999 Baustelle …
vom 09.08.1999 bis 23.12.1999 Baustelle …
Nach einer Mitteilung des damaligen Bevollmächtigten, … vom 3. November 1999 an das damals zuständige Finanzamt … war die Klägerin unter der Firmenadresse ... Straße … zu erreichen und einer der Gesellschafter der Klägerin, Herr …war unter der Anschrift … zu erreichen (Bl. 37 LSt Prüfungsakten) Laut Gewerbeanmeldung vom 16. Juni 1999 meldete die Klägerin bei der Stadt … „Rohbauarbeiten“ ab 1. Juni 1999 an und gab als Anschrift der Betriebsstätte die Adresse …an (Bl. 20 LSt Prüfungsakten).
Mit Prüfungsanordnung vom 16. Februar 2000 ordnete das damals zuständige Finanzamt …die Durchführung einer Lohnsteuer-Außenprüfung für den Zeitraum 1. Januar 1997 bis 31. Januar 2000 an. Die Prüfung dauerte vom 16. März 2000 bis 5. Juni 2001.
Nach den Feststellungen des Prüfers wurden im Jahr 1998 und von Januar 2000 bis einschließlich Oktober 2000 im Inland keine Aufträge ausgeführt. Lohnsteuer-Anmeldungen für 1997 und 1999 wurden beim Finanzamt ... nicht abgegeben. Für die Monate Dezember 2000 und Januar bis April 2001 wurden Lohnsteuer-Anmeldungen abgegeben. Die auf den Baustellen eingesetzten deutschsprechenden Poliere hätten nach den Vorgaben und Plänen die Arbeiten angeordnet und die ihnen unterstellten Arbeitnehmer beaufsichtigt. Herr … sei für die Klägerin gegenüber den Auftraggebern im Inland der Ansprechpartner und Fachbauleiter im Sinne der jeweils gültigen Landesbauordnung gewesen. Er habe lt. Auskunft der Auftraggeber die Vertragsverhandlungen geführt und für die Klägerin rechtsverbindliche Werkverträge unterzeichnet. Die inländische Wohnungsanschrift von Herrn ... sei zur Zeit …; unter dieser Adresse sei auch die Klägerin zu erreichen. Für die im Inland beschäftigten bulgarischen Arbeitnehmer hätten für 1997 und 1999 keine Lohnsteuerkarten gem. § 39 EStG bzw. Bescheinigungen für beschränkt steuerpflichtige Arbeitnehmer gern. § 39d EStG vorgelegen. Der Prüfer vertrat die Auffassung, dass die Klägerin in den Jahren 1997 und 1999 im Inland gern. Art. 5 Abs. 2 und 3 DBA Bulgarien eine Betriebsstätte (§ 12 AO) bzw. einen Vertreter nach Art. 5 Abs. 5 DBA (§ 13 AO) gehabt habe. In lohnsteuerlicher Hinsicht sei die Firma zugleich inländische Arbeitgeberin, mit der Folge, dass sie gern. § 38 Abs. 1 Nr. 1 EStG zur Vornahme des Lohnsteuerabzugs verpflichtet gewesen sei. Gemäß § 42d Abs. 1 EStG hafte der Arbeitgeber für die Lohnsteuer, die er einzubehalten und abzuführen habe. Wegen weiterer Einzelheiten wird auf den Bericht über die Lohnsteuer-Außenprüfung vom 5. Juni 2001, Bl. 29 ff. Haftungsakten, Bezug genommen.
Das damals zuständige Finanzamt ... schloss sich den Prüfungsfeststellungen an und erließ am 27. Juni 2001 gegenüber der Klägerin einen Haftungsbescheid gern. § 42d EStG, mit dem es für die Jahre 1997 und 1999 Lohnsteuern in Höhe von insgesamt DM sowie Solidaritätszuschlag in Höhe von ... DM, insgesamt ... DM festsetzte. Wegen der Beträge im Einzelnen wird auf den Haftungsbescheid vom 27. Juni 2001, Bl. 33 f. Haftungsakten, Bezug genommen. Nachdem der damalige Bevollmächtigte anlässlich eines Telefongesprächs am 7. August 2001 dem Finanzamt mitgeteilt hat, dass weder er noch die Klägerin den Haftungsbescheid erhalten hätten...