Entscheidungsstichwort (Thema)
Reisekosten zur Beerdigung des Vater/Großvaters in den Vereinigten Staaten als außergewöhnliche Belastung berücksichtigungsfähig. Einkommensteuer 1982
Leitsatz (amtlich)
Zu den als außergewöhnliche Belastung zu berücksichtigenden Beerdigungskosten gehören auch die Reise- und Aufenthaltskosten, die anlässlich einer Flugreise zu einer Auslandsbeerdigung entstehen, soweit diese Kosten durch den Nachlass nicht gedeckt sind, aufgrund des Verwanschaftsverhältnisses notwendig erscheinen und der Höhe nach in einem angemessenen Verhältnis zum Bruttojahresarbeitslohn des Steuerpflichtigen stehen.
Normenkette
EStG § 33 Abs. 1, 2 S. 1; LStR 1981 Abschn. 66 Abs. 6
Tenor
I. Unter Aufhebung der Einspruchsentscheidung vom 19. Oktober 1983 wird der Einkommensteuerbescheid 1982 vom 10. Juni 1983 dahin geändert, daß die Einkommensteuer auf 7.766,– DM herabgesetzt wird.
II. Die Kosten des Verfahrens trägt der Beklagte.
III. Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand
Der Kläger ist mit einer Amerikanerin verheiratet und wird mit ihr zusammen veranlagt.
1982 starb der Vater der Ehefrau. An der Beerdigung in den USA nahmen die Ehefrau des Klägers und ihr Sohn B. teil. Die Reisekosten betrugen 3.483,– DM. Alleinerbin des Vaters war dessen Ehefrau.
Bei der Einkommensteuerveranlagung des Klägers und seiner Frau für das Kalenderjahr 1982 erkannte das Finanzamt die oben genannten Reisekosten nicht als außergewöhnliche Belastung an (Einkommensteuerbescheid 1982 vom 10. Juni 1983 Bl. 173 ESt-Akte). Der Einspruch des Klägers hatte keinen Erfolg (Einspruchsentscheidung vom 19. Oktober 1983 Bl. 186 ESt-Akte).
Hiergegen richtet sich die vorliegende Klage. Der Kläger meint, seine Frau habe sich der sittlichen Verpflichtung zur Teilnahme an der Beerdigung ihres Vaters nicht entziehen können. Sie lebe seit 14 Jahren in Deutschland, habe ihre Eltern mit einer gewissen Regelmäßigkeit besucht und habe deshalb auch zur Beerdigung ihres Vaters fahren müssen.
Der Kläger beantragt sinngemäß,
unter Aufhebung der Einspruchsentscheidung vom 10. Juni 1983 den Einkommensteuerbescheid 1982 dahin zu ändern, daß die Reisekosten von 3.483,– DM als außergewöhnliche Belastung anerkannt werden.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er meint, es komme nicht darauf an, ob die Ehefrau des Klägers geglaubt habe, zur Beerdigung ihres Vaters fahren zu müssen, sondern ob die Teilnahme nach der Anschauung einer Mehrzahl von billig und gerecht denkenden Bürgers notwendig gewesen sei. Das sei bei der Beerdigung einer nahen Angehörigen in Übersee zu verneinen (Hinweise BFH-Urteil des Niedersächsischen Finanzgerichts vom 11 Januar 1977 IX L 102/75 EFG 1977, 541, BFH-Urteil, vom 3 Dezember 1960 VI 183/60 Der Betrieb 1961, 327 und vom 11 Mai 1979 VI R 37/76, BStBl II 1979, 558).
Entscheidungsgründe
Die Klage ist begründet.
Nach § 33 EStG können Aufwendungen als außergewöhnlicher Belastung abgezogen werden, wenn der Steuerpflichtige sich ihnen aus rechtlichen, tatsächlichen oder sittlichen Gründen nicht entziehen kann und soweit die Aufwendungen den Umständen nach notwendig sind und einen angemessenen Betrag nicht übersteigen (§ 33 Abs. 2 Satz 1 EStG). Dazu zählen auch Beerdigungskosten, soweit sie nicht durch den Nachlaß gedeckt sind (vgl. Abschnitt 66 Abs. 6 Lohnsteuerrichtlinien 1981 mit weiteren Nachweisen). Dies gilt auch für Fahrten zur Beerdigung des Vaters (Urteil des Finanzgerichts Münster vom 27. September 1969 VI 1504/68 L EFG 1970, 123). Kinder und Enkel sind grundsätzlich sittlich verpflichtet, an der Beerdigung ihrer Eltern und Großeltern teilzunehmen.
Die Kosten der Reise der Ehefrau des Klägers und ihres Sohnes zur Beerdigung des Vaters bzw. Großvaters (3.483,– DM) waren auch nicht unangemessen hoch. Sie waren nicht höher als die Kosten einer Flugferienreise, wie sie heute in weiten Kreisen der Bevölkerung üblich ist. Wenn es nicht unüblich und unangemessen ist, solche Kosten für eine Ferienreise aufzuwenden, ist es auch nicht unangemessen, diese Kosten für die Reise zur Beerdigung des Vaters und Großvaters aufzuwenden. Da der Kläger und seine Ehefrau sich diesen Kosten nicht entziehen konnten, können sie sie als außergewöhnliche Belastung abziehen.
Die Rechtssprechung des Bundesfinanzhofs steht dem nicht entgegen.
Im Urteil vom 11. Mai 1979 VI R 37/76 BStBl II 1979, 558 ging es um die Kosten eines Ehepaares für eine Reise nach New York anläßlich des Todes des Bruders. Die Eheleute reisten nach New York zur Vorbereitung der Einäscherung und Überführung der Urne des Bruders bzw. des Schwagers in die Bundesrepublik. Der Bundesfinanzhof hat den Abzug dieser Kosten als außergewöhnliche Belastung abgelehnt. Wörtlich hat er ausgeführt:
„Im Streitfall fehlt den … streitigen Aufwendungen das Merkmal der Zwangsläufigkeit bereite deshalb, weil die Reise- und Aufenthaltskosten den Umständen nach nicht notwendig waren und auch die Grenze der Angemessenheit im Sinn des § 33 Abs. 2 Satz 1 EStG überschritten. Bei Ausgaben im Zusammen...