Entscheidungsstichwort (Thema)
Steuerfreiheit einer Entschädigungszahlung nach dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz
Leitsatz (amtlich)
1. Eine Entschädigung nach dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz (AGG), die auf Grund eines arbeitsgerichtlichen Vergleichs geleistet wird, ist steuerfrei, wenn sie wegen einer Diskriminierung als Behinderte(r) zu zahlen ist.
2. Ist die Frage einer Diskriminierung als Behinderte(r) wesentlicher Bestandteil des Arbeitsgerichtsprozesses, stellt eine in einem Vergleich vereinbarte Entschädigungszahlung nach dem AGG auch dann eine solche wegen eines immateriellen Schadens dar, wenn letztlich offen bleibt, ob eine Benachteiligung als Behinderte(r) tatsächlich stattgefunden hat.
3. Bei der Auslegung eines arbeitsgerichtlichen Vergleichs sind sein Wortlaut sowie die gesamten Umstände des Falles zu berücksichtigen.
Normenkette
EStG § 19; AGG § 15 Abs. 1-2
Tatbestand
Streitig ist, ob eine Zahlung nach § 15 AGG steuerpflichtig oder steuerfrei ist.
Die Klägerin ist als Einzelhandelskauffrau nichtselbständig beschäftigt. Daneben ist sie mit dem Verkauf von ... Produkten selbständig gewerblich tätig. Mit Bescheid des Amts für soziale Angelegenheiten Landau vom 06.11.2007 wurde bei ihr wegen einer dauernden Einbuße der körperlichen Beweglichkeit ein Grad der Behinderung (GdB) von 30 festgestellt (Vorgeheftet den Einkommensteuerakten - EStA -).
Mit nach § 165 Abs. 1 AO teilweise vorläufigem Einkommensteuerbescheid vom 01.12.2009 (Bl. 14, Fach 2008 EStA) veranlagte der Beklagte die Klägerin für das Streitjahr 2008 der Einkommensteuererklärung gemäß. Im Rahmen einer bei dem Arbeitgeber der Klägerin durchgeführten Lohnsteueraußenprüfung wurde dem Beklagten bekannt, dass die Klägerin im Streitjahr eine Entschädigung nach § 15 des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes (AGG) erhalten hat.
Dem lag Folgendes zu Grunde: Der Arbeitgeber der Klägerin, die Firma C., hatte das Arbeitsverhältnis aus personenbedingten Gründen ordentlich zum 30.04.2008 gekündigt. Hiergegen hat die Klägerin bei dem Arbeitsgericht Kaiserslautern Kündigungsschutzklage erhoben; diese Klage wurde am 08.01.2008 erweitert und die Klägerin begehrte die Zahlung einer Entschädigung auf Grund einer Benachteiligung wegen ihrer Behinderung. Am 21.02.2008 schlossen die Parteien einen Vergleich mit folgendem Inhalt (auszugsweise):
"1. Die Parteien sind sich darüber einig, dass das zwischen ihnen begründete Arbeitsverhältnis aufgrund ordentlicher betriebsbedingter Arbeitgeberkündigung vom 26.11.2007 mit dem 30.04.2008 enden wird.
2. Die Beklagte zahlt an die Klägerin eine Entschädigung gem. § 15 AGG in Höhe von 10.000,00 EUR.
3. Bis zum 30.04.2008 wird die Klägerin unter Zahlung der vertragsgemäßen Vergütung widerruflich von der Arbeitsleistung freigestellt.
4. Die Parteien sind sich darüber einig, dass die Klägerin den ihr zustehenden Urlaub in Natur erhalten hat und keine Überstundenansprüche mehr bestehen.
5. Die Klägerin erhält das Recht vorzeitig durch einseitige schriftliche Erklärung unter Einhaltung einer Ankündigungsfrist von einer Woche aus dem Arbeitsverhältnis auszuscheiden. In diesem Falle zahlt die Beklagtenseite eine Abfindung nach §§ 9 und 10 KSchG in Höhe der ersparten Bruttobezüge bis 30.04.2008.
6. - 8. …
9. Damit sind sämtliche finanziellen Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis und finanzielle Ansprüche aus Anlass der Beendigung des Arbeitsverhältnisses erledigt."
Der Betrag von 10.000,- € wurde vom Arbeitgeber nicht versteuert und von der Klägerin in ihrer Steuererklärung nicht angegeben. Der Beklagte sah die Zahlung als eine solche nach § 15 Abs. 1 AGG und damit als steuerpflichtigen Arbeitslohn an und erließ am 31.05.2011 einen entsprechend geänderten Einkommensteuerbescheid (Bl. 19 EStA).
Gegen diesen Bescheid legte die Klägerin Einspruch ein (Bl. 22 EStA) und trug zur Begründung vor, bei der Entschädigung habe es sich um Schadensersatz im Sinne des § 15 Abs. 2 AGG und damit um steuerfreien Arbeitslohn gehandelt.
Mit Einspruchsentscheidung vom 08.04.2014 (Bl. 87 EStA) wies der Beklagte den Einspruch als unbegründet zurück. Dazu heißt es im Wesentlichen:
Werde ein Arbeitnehmer unter Verstoß gegen das Benachteiligungsverbot des AGG entlassen und sei der Arbeitgeber verpflichtet, den hierdurch entstandenen materiellen Schaden zu ersetzen (Fall des § 15 Abs. 1 AGG), handele es sich bei der Zahlung um steuerpflichtigen Arbeitslohn, da diese Entschädigung einen Ersatz für entgehende Einnahmen darstelle (§ 19 Abs. 1 i. V. m. § 24 Nr. 1a EStG). Handele es sich hingegen um Entschädigungen, die ein Beschäftigter wegen Verletzung des Benachteiligungsverbots durch den Arbeitgeber für immaterielle Schäden (Diskriminierung wegen Geschlecht/Alter, Mobbing, sexuelle Belästigung) verlangen könne (Fall des § 15 Abs. 2 AGG), liege kein steuerpflichtiger Arbeitslohn vor. Derartige Entschädigungen würden nicht "für eine Beschäftigung" gewährt.
Die Klägerin habe vor dem Arbeitsgericht Kaiserslautern gegen ihren Arbeitgeber wegen Bestandsschutzes gek...