Entscheidungsstichwort (Thema)
Zur Festsetzung von Einkommensteuer gegenüber dem Treuhänder im Verbraucherinsolvenzverfahren betreffend sog. Neuerwerb des Gemeinschuldners
Leitsatz (amtlich)
Voraussetzung einer dem Treuhänder gegenüber vorzunehmenden Besteuerung von Neuerwerb des Gemeinschuldners ist, dass dieser tatsächlich zur Masse gehört. Das ist nur dann der Fall, wenn und soweit er der Zwangsvollstreckung unterliegt.
Normenkette
InsO § 35 Abs. 1, § 36 Abs. 1 S. 1, § 55 Abs. 1 Nr. 1
Nachgehend
Tatbestand
Streitig ist, ob nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens Einkommensteuer auf Basis von Einkünften der Gemeinschuldner aus nichtselbständiger Arbeit gegenüber dem Treuhänder festgesetzt werden durfte.
Mit Beschlüssen des Amtsgerichtes N - Insolvenzgericht -, jeweils vom 20. Mai 2005, wurden die Verbraucherinsolvenzverfahren über die Vermögen der Eheleute M. und P. B. (im Folgenden: Schuldner und Schuldnerin) eröffnet (Aktenzeichen der Insolvenzverfahren: 2 IK .../05 und 2 IK .../05) und der Kläger zum Treuhänder bestellt. Die Insolvenzverfahren dauern z. Zt. wegen des vorliegenden Rechtsstreites noch an.
Die Schuldner sind Eltern zweier in 1990 bzw. 1994 geborener unterhaltberechtigter Kinder. Der Schuldner war und ist als Maurer, die Schuldnerin war als Friseurin und ist nunmehr als Reinigungskraft nichtselbständig tätig. Im Streitjahr beliefen sich ihre Bruttojahresgehälter auf rd. 29.000,00 € (Schuldner) bzw. 10.500,00 € (Schuldnerin). Sie verfügen über keine weiteren Einkunftsquellen.
Laut den von dem Kläger dem Insolvenzgericht erstatteten Berichten wurde der jeweils pfändbare Teil des Arbeitslohnes des Schuldners direkt von der Arbeitgeberin zur Insolvenzmasse ausgekehrt. Hinsichtlich der Schuldnerin ergab sich nach dem Treuhänder kein pfändbarer Lohnanteil.
Die jeweiligen Lohnsteuerabzüge durch die Arbeitgeber der Schuldner erfolgten ausgehend von der Lohnsteuerklasse 3 beim Schuldner und der Lohnsteuerklasse 5 bei der Schuldnerin.
Im Februar 2007 reichten die Schuldner die Einkommensteuererklärung für das Streitjahr 2006 ein. Das Finanzamt veranlagte daraufhin erklärungsgemäß. Der unter Vorbehalt der Nachprüfung stehende Einkommensteuerbescheid für 2006 vom 21. Februar 2007, der zu einer Nachzahlung führte, richtete sich jedoch an den Kläger "für die Schuldner" und wurde wie folgt erläutert: "die Besteuerungsgrundlagen wurden gem. § 162 der Abgabenordnung geschätzt, weil die Einkommensteuererklärung 2006 nicht vom Insolvenzverwalter unterschrieben wurde."
Mit hiergegen fristgerecht eingelegtem Einspruch wendete der Kläger ein, bei der Steuernachzahlung handele es sich nicht um eine Masseverbindlichkeit nach § 55 Insolvenzordnung. Der Steueranspruch beruhe vielmehr auf Handlungen der Schuldner, nicht auf einem Handeln des Treuhänders. Im Übrigen knüpfe er auch nicht an Gegenstände der Insolvenzmasse an. Voraussetzung für eine Einkommensteuerfestsetzung gegenüber dem Insolvenzverwalter bzw. Treuhänder sei, dass eine Verwaltungs- oder Verwertungshandlung des Verwalters für Vermögen in Frage stehe, welches dem Insolvenzbeschlag unterliege. Die hier in Frage stehenden steuerlichen Nachzahlungen resultierten jedoch insbesondere aus pfändungsfreien Einkommensteilen der Schuldner. Da im vorliegenden Fall im Veranlagungszeitraum 2006 pfändbare Bezüge in Höhe von insgesamt 759,00 € zur Masse gezogen worden seien und die Schuldner Einkünfte von insgesamt 37.765,00 € erzielt hätten, betrage der dem Insolvenzbeschlag unterliegende Masseanteil 2 %, so dass sich der auf die Insolvenzmasse entfallende Anteil am festgesetzten Nachzahlungsbetrag auf 17,56 € belaufe.
Der Einspruch wurde mit Einspruchsentscheidung vom 23. Januar 2008 zurückgewiesen. Zur Begründung führte das Finanzamt aus, der Insolvenzverwalter bzw. der Treuhänder sei während der Dauer des Insolvenzverfahrens als Vertreter des Schuldners anzusehen. Nach Eröffnung des vereinfachten Insolvenzverfahrens seien Bescheide, die keine Insolvenzforderungen beträfen, dem Treuhänder gegenüber bekannt zu geben. Der Insolvenzverwalter habe nach § 34 Abs. 1 und 3 AO die steuerlichen Pflichten des Schuldners zu erfüllen, soweit seine Verwaltung reiche. Die Verwaltungsbefugnis umfasse nach § 80 Abs. 1 Insolvenzordnung - InsO - das zur Insolvenzmasse gem. §§ 35 und 36 InsO gehörende Vermögen. Zwar gehörten unpfändbare Gegenstände nicht zur Insolvenzmasse, das Veranlagungswahlrecht selbst stelle jedoch keinen Vermögensgegenstand dar, sondern weise lediglich vermögensrechtlichen Bezug auf. Wenn ein Treuhänder - so der BGH lt. seinem Urteil vom 24. Mai 2007, IX ZR 8/06 - das Wahlrecht der gemeinsamen oder getrennten Veranlagung für die Schuldner ausüben könne, so gehöre es auch zur Kompetenz eines Treuhänders, die Steuerklasse, die sich auf den Lohnsteuerabzug auswirke, zutreffend zu wählen - und zwar so, dass kein Nachzahlungsanspruch entstehe. Sorge der Treuhänder, wie hier, ...