Leitsatz

Das OLG Schleswig hatte sich in dieser Entscheidung mit der Frage auseinanderzusetzen, ob einem Unterhaltspflichtigen trotz des Bezuges von Leistungen nach dem SGB II fiktive Einkünfte aus einer Nebenbeschäftigung zugerechnet werden können. Gegenstand der Entscheidung waren ferner die Anforderungen an die Bewerbungsbemühungen des Unterhaltsschuldners.

 

Sachverhalt

Der Kläger war Vater eines am 9.11.1995 geborenen Kindes. Er hatte die Vaterschaft anerkannt und sich in einer Urkunde verpflichtet, an die Beklagte 115 % des Regelunterhalts zu zahlen. Mit der Erfüllung seiner Unterhaltsverpflichtung befand er sich seit dem 1.4.2006 im Rückstand.

Er beabsichtigte die Erhebung einer Abänderungsklage mit dem Ziel, sich von seiner Unterhaltsverpflichtung ggü. der Beklagten gänzlich zu befreien.

Der berufliche Werdegang des Klägers stellte sich so dar, dass er nach dem Hauptschulabschluss von Dezember 1993 bis September 2002 im Kfz-Bereich als Tankwart, Industriehelfer und Wartungsmechaniker tätig gewesen war. Von Oktober 2002 bis Januar 2005 absolvierte er erfolgreich eine Ausbildung zum Industriemechaniker/Feinwerk und Gerätebau.

Zur Begründung seiner Abänderungsklage berief sich der Kläger auf Leistungsunfähigkeit. Trotz intensiver Bemühungen habe er keine Arbeitsstelle finden können, die es ihm ermöglicht hätte, den geschuldeten Unterhalt zu zahlen. Zum Beleg für seine Erwerbsbemühungen legte er insgesamt 88 Bewerbungen aus der Zeit vom 31.8.2007 bis zum 10.10.2008 vor. Zu den Erwerbsbemühungen in der Zeit von Januar 2005 bis Januar 2006 sowie in der Zeit von Juni 2006 bis Juni 2007 erfolgte kein Vortrag.

Das FamG hat den Antrag auf Gewährung von Prozesskostenhilfe für die beabsichtigte Abänderungsklage zurückgewiesen. Die hiergegen von dem Kläger eingelegte sofortige Beschwerde blieb ohne Erfolg.

 

Entscheidung

Das OLG folgte der Auffassung des erstinstanzlichen Gerichts hinsichtlich der fehlenden Erfolgsaussichten für die beabsichtigte Rechtsverfolgung des Klägers. Er habe der ihn treffenden Darlegungs- und Beweislast hinsichtlich seiner mangelnden Leistungsfähigkeit im Rahmen der ihn treffenden gesteigerter Erwerbsobliegenheit nach § 1603 Abs. 2 BGB nicht genügt.

Die von ihm dargelegten Erwerbsbemühungen entsprächen nicht den Anforderungen an einen arbeitslosen gesteigert erwerbspflichtigen Unterhaltsschuldner. Ggü. minderjährigen Kindern reiche es nicht aus, die Arbeitsfähigkeit in bestmöglicher Weise einzusetzen und eine mögliche Erwerbstätigkeit aufzunehmen. Vielmehr erfahre diese Verpflichtung ggü. minderjährigen Kindern gemäß § 1603 Abs. 2 BGB eine Verschärfung dahin, dass den Unterhaltspflichtigen eine noch erheblich gesteigerte Verpflichtung zur Ausnutzung seiner Arbeitskraft treffe. Dies folge aus der die Eltern treffenden rechtlichen und sittlichen Pflicht, ihre Kinder am Leben zu erhalten (OLG Brandenburg NJW-RR 2009, 150-151).

Die von dem Kläger vorgelegten Bewerbungen seien nicht geeignet, intensive Erwerbsbemühungen in der Zeit vom 31.8.2007 bis 10.10.2008 zu belegen. Für andere Zeiträume habe er keinerlei Erwerbsbemühungen dargelegt.

Nach der Rechtsprechung habe sich der Unterhaltsverpflichtete bei Arbeitslosigkeit intensiv um eine neue Arbeitsstelle zu bewerben. Für die Suche nach Arbeit habe er die Zeit aufzuwenden, die dem Zeitaufwand einer vollschichtigen Tätigkeit entspreche. Diesen Anforderungen entsprächen die vorgelegten Bewerbungen nicht.

Hinzukomme, dass 32 Bewerbungen als "Blindbewerbungen" zu bezeichnen seien, da sie sich nicht auf konkret ausgeschriebene Stellen bezogen hätten.

Die vorgelegten Bewerbungen seien im Übrigen wenig ansprechend, zu allgemein gehalten und nicht auf die Bedürfnisse der angeschriebenen zukünftigen Arbeitgeber ausgerichtet.

Dass der Kläger zum 1.2.2009 eine erneute Umschulung zum Kaufmann im Einzelhandel aufgenommen habe, sei unterhaltsrechtlich nicht zu billigen, weil er auch ohne diese Umschulung unter Berücksichtigung der seit dem 1.1.2009 bezogenen SGB II-Leistungen i.H.v. monatlich 631,00 EUR und einer Nebenbeschäftigung mit fiktiven Nettoeinkünften von monatlich 500,00 EUR in der Lage gewesen wäre, den geschuldeten Unterhalt zu zahlen.

Dies beruhe auf der seit dem 1.8.2006 geltenden Regelung in § 11 Abs. 2 S. 1 Nr. 7 SGB II über die Nichtanrechnung von Einkünften, die zur Erfüllung von titulierten gesetzlichen Unterhaltspflichten im Umfang der titulierten Ansprüche erzielt werden. Diese Regelung führe dazu, dass ein zur Erfüllung titulierter Unterhaltsansprüche erzieltes Einkommen über die in § 30 SGB II hinaus definierten Freibeträge bei der Berechnung des ALG II anrechnungsfrei blieben, soweit es aufgrund eines bereits bestehenden Titels tatsächlich geleistet werde.

 

Link zur Entscheidung

Schleswig-Holsteinisches OLG, Beschluss vom 26.05.2009, 12 WF 188/08

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