Haufe-Lexware GmbH & Co. KG Redaktion
- Ein Mietvertrag, den eine Gemeinde abgeschlossen hat, um in dem Mietobjekt ihr zugewiesene Flüchtlinge unterbringen zu können, ist unbeschadet seiner Bezeichnung kein Wohnraummietvertrag i. S. v. § 549 Abs. 1 BGB.
- Eine in diesem Vertrag enthaltene formularmäßige Klausel, mit der für beide Mietvertragsparteien das Recht zur ordentlichen Kündigung für die Dauer von 60 Monaten ausgeschlossen wird, ist nicht wegen unangemessener Benachteiligung des Mieters unwirksam.
(amtliche Leitsätze)
Das Problem
Die Vermieter eines Hauses verlangen von der Mieterin, einer Stadt, die Zahlung von Miete.
Die Stadt hatte das Haus im Januar 2016 angemietet, um dort bis zu 14 Personen unterzubringen, die ihr als Flüchtlinge zugewiesen werden sollten. Der verwendete Mietvertrag war mit "Mietvertrag über Wohnräume" überschrieben. Außerdem sollte laut Mietvertrag für beide Vertragsparteien das Recht zur ordentlichen Kündigung für 5 Jahre ausgeschlossen sein.
Aufgrund des Rückgangs der Flüchtlingszahlen wurde das Haus nicht belegt. Grund für die Stadt, das Mietverhältnis im Januar 2017 zum 30.4.2017 zu kündigen. Ihrer Meinung nach ist die Vereinbarung über den Kündigungsausschluss gegenstandslos, da ihr seit Anfang 2016 keine Flüchtlinge mehr zugewiesen worden seien.
Die Vermieter sind anderer Ansicht und akzeptieren die Kündigung nicht. Sie verlangen die Zahlung der Miete für Mai bis Dezember 2017, insgesamt 21.160 EUR.
Die Entscheidung
Der BGH gibt den klagenden Vermietern recht. Die Stadt muss die Miete zahlen, weil die Kündigung wegen des vereinbarten Kündigungsausschlusses unwirksam war.
Sollte der Kündigungsausschluss individualvertraglich vereinbart worden sein, steht dessen Wirksamkeit außer Frage. Selbst bei einem Wohnraummietverhältnis kann nach der Rechtsprechung des BGH die ordentliche Kündigung durch Individualvereinbarung für sehr lange Zeit ausgeschlossen werden. Aber auch wenn es sich bei der Klausel zum Kündigungsausschluss um eine Allgemeine Geschäftsbedingung handelt, wäre diese wirksam.
Zwar kann für Wohnraummietverhältnisse die ordentliche Kündigung für den Mieter formularvertraglich maximal für 4 Jahre ausgeschlossen werden. Aber auch wenn der Vertrag mit "Mietvertrag über Wohnräume" überschrieben ist, handelt es sich vorliegend um kein Wohnraummietverhältnis. Denn die Stadt hat das Haus nicht zu eigenen Wohnzwecken angemietet. Der vertragsgemäße Gebrauch der Stadt bezog sich vielmehr darauf, die Räumlichkeiten zugewiesenen Flüchtlingen zu Wohnzwecken überlassen zu dürfen. Außerdem kann eine juristische Person gar keinen eigenen Wohnbedarf haben.
Die Stadt wird durch den vereinbarten Kündigungsausschluss auf die Dauer von 5 Jahren auch nicht unangemessen benachteiligt. Anders als beim Wohnungsmieter hat die Stadt kein Mobilitätsinteresse, das eine Beschränkung der Dauer des Kündigungsausschlusses auf 4 Jahre rechtfertigen könnte. Die Stadt konnte vielmehr bei ihrer Aufgabe, die ihr zugewiesenen Flüchtlinge mit Wohnraum zu versorgen, bereits bei Vertragsabschluss entscheiden, für welche Dauer sie die Räume anmieten will.
Da der Kündigungsausschluss wirksam vereinbart war, wurde das Mietverhältnis durch die ordentliche Kündigung der Stadt nicht beendet.
Keine außerordentliche Kündigung
Die Kündigung lässt sich auch nicht in eine außerordentliche Kündigung umdeuten. Dies scheitert schon daran, dass der Stadt kein Recht zur außerordentlichen Kündigung zustand.
Auch daraus, dass der Stadt weniger Flüchtlinge zugewiesen worden sind als ursprünglich angenommen, ergibt sich kein Kündigungsrecht. Im Verhältnis zwischen Vermieter und Mieter trägt nämlich grundsätzlich der Mieter das Verwendungsrisiko.
BGH, Urteil v. 23.10.2019, XII ZR 125/18