Leitsatz

  1. War ein Bauteil der Mietsache aufgrund seiner fehlerhaften Beschaffenheit bei Vertragsschluss bereits in diesem Zeitpunkt für ihren Zweck ungeeignet und damit unzuverlässig, liegt ein anfänglicher Mangel der Mietsache vor.
  2. Auch dritte, an einem Mietvertrag nicht unmittelbar beteiligte Personen können in den Schutzbereich des Vertrags einbezogen werden. Ihnen gegenüber ist der Schuldner zwar nicht zur Leistung, wohl aber unter Umständen zum Schadensersatz verpflichtet (im Anschluss an BGH, Urteil v. 22.1.1968, VIII ZR 195/65, BGHZ 49 S. 350).
  3. Ein Überraschungseffekt im Sinne von § 305c BGB kann sich aus der Stellung der Klausel im Gesamtwerk der Allgemeinen Geschäftsbedingungen ergeben. Das ist etwa der Fall, wenn sie in einem systematischen Zusammenhang steht, in dem der Vertragspartner sie nicht zu erwarten braucht (im Anschluss an das Senatsurteil v. 9.12.2009, XII ZR 109/08, NJW 2010 S. 671).

(amtliche Leitsätze des BGH)

 

Normenkette

BGB §§ 305c, 536a Abs. 1 Alt. 1

 

Kommentar

Zwischen einem Gebäudeeigentümer als Vermieter und einer GmbH als Mieterin besteht ein Mietvertrag über Gewerberäume. In dem Formularmietvertrag ist unter der Überschrift "§ 6 Aufrechnung, Zurückhaltung" eine aus 17 Zeilen bestehende Klausel aufgeführt, in der unter anderem Folgendes geregelt wird:

"Ersatzansprüche nach § 538 BGB sind ausgeschlossen, es sei denn, der Vermieter hat vorsätzlich oder grob fahrlässig gehandelt."

Die Räumlichkeiten sind mit Kippfenstern ausgestattet. Infolge eines konstruktionsbedingten Mangels löste sich ein Fensterflügel aus dem Rahmen. Dies hatte zur weiteren Folge, dass eine Angestellte der Mieterin verletzt wurde. Diese hat den Vermieter auf Schadensersatz in Anspruch genommen. Die Instanzgerichte haben die Klage abgewiesen.

Der BGH hat entschieden, dass der Vermieter zum Schadensersatz verpflichtet ist.

1. Zwischen der Angestellten und dem Vermieter bestehen keine vertraglichen Beziehungen. Jedoch ist anerkannt, dass neben dem Mieter auch weiteren Personen vertragliche Ansprüche gegenüber dem Vermieter zustehen. Voraussetzung ist,

  1. dass die Person mit der Mietsache in Be­rührung kommt,
  2. dass der Vermieter dieser Person Schutz und Fürsorge zu gewähren hat, und
  3. dass dies für den Vermieter erkennbar ist.

Diesen Personen ist der Vermieter nicht zur Leistung verpflichtet. Sie sind aber in den Schutzbereich des Mietvertrags einbezogen mit der Folge, dass der Vermieter ihnen gegenüber auf Schadensersatz haftet, wenn sie aufgrund eines Mangels der Mietsache einen Schaden erleiden. Bei der Wohnungsmiete zählen zu dieser Personengruppe die Angehörigen des Mieters. Bei der Gewerbemiete sind die Angestellten des Mieters in den Schutzbereich einbezogen.

2. Nach § 536a Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 BGB haftet der Vermieter auch ohne Verschulden für solche Mängel, die bereits bei Vertragsschluss vorhanden sind. Beruht der Mangel auf dem Versagen eines Bauteils, so ist zu unterscheiden: Beruht das Versagen auf einem Alters- oder Verschleißprozess, so entsteht der Mangel erst mit der verschleißbedingten Unzuverlässigkeit. Der Vermieter haftet dann nur bei Verschulden. Ist das Versagen dagegen auf einen Konstruktions- oder Baufehler zurückzuführen, so liegt ein anfänglicher Mangel vor. Der Vermieter haftet in diesem Fall verschuldensunabhängig.

3. Die Garantiehaftung für anfängliche Mängel kann durch Formularvertrag ausgeschlossen werden. Allerdings ist § 305c Abs. 1 BGB zu beachten. Danach wird eine Formularklausel nicht Vertragsbestandteil, wenn sie nach dem äußeren Erscheinungsbild des Vertrags so ungewöhnlich ist, dass der Mieter damit nicht zu rechnen braucht. Vorliegend ist die Haftungsausschlussvereinbarung Teil einer umfangreichen Klausel, die mit der Überschrift "Aufrechnung, Zurückbehaltung" versehen ist. Der BGH führt hierzu aus, der Mieter müsse nicht damit rechnen, dass unter dieser Überschrift ein Haftungsausschluss aufgeführt ist. Aus diesem Grund ist die Klausel nicht Vertragsbestandteil geworden.

 

Link zur Entscheidung

BGH, Urteil v. 21.7.2010, XII ZR 189/08, NJW 2010 S. 3152

Dieser Inhalt ist unter anderem im Deutsches Anwalt Office Premium enthalten. Sie wollen mehr?


Meistgelesene beiträge