Leitsatz
Ein formularmäßiger Kündigungsausschluss ist wegen unangemessener Benachteiligung des Mieters unwirksam, wenn er einen Zeitraum von 4 Jahren – gerechnet vom Zeitpunkt des Vertragsschlusses bis zu dem Zeitpunkt, zu dem der Mieter den Vertrag erstmals beenden kann – überschreitet.
(amtlicher Leitsatz des BGH)
Normenkette
BGB §§ 307 Abs. 1, 573c, 575
Kommentar
In einem Mietvertrag über eine Wohnung ist hinsichtlich der Mietzeit in § 2 Folgendes vereinbart:
1. Der Mietvertrag läuft auf unbestimmte Zeit und beginnt am 1. Juli 2005.
2. Die Parteien verzichten in Übereinstimmung mit BGH-Urteil v. 6.4.2005 (VIII ZR 27/04, NJW 2005 S. 1574) wechselseitig auf die Dauer von 4 (vier) Jahren ab Vertragsbeginn auf ihr Recht zur ordentlichen Kündigung dieses Mietvertrags. Die Kündigung ist erstmals nach Ablauf dieses Zeitraums mit der gesetzlichen Frist zulässig.
Die Mieter kündigten das Mietverhältnis zum 30.6.2009. Der Vermieter hat die Kündigung zurückgewiesen. Nach seiner Meinung kann das Mietverhältnis gem. § 2 Nr. 2 Satz 2 des Mietvertrags frühestens zum 30.9.2009 gekündigt werden. Das Landgericht ist dieser Ansicht gefolgt.
Der BGH hat bereits in früheren Urteilen entschieden, dass das Recht zur ordentlichen Kündigung durch einen beiderseitigen Kündigungsverzicht ausgeschlossen werden kann. Dies gilt auch, wenn die Ausschlussvereinbarung durch Formularvertrag getroffen wird (BGH, Urteil v. 30.6.2004, VIII ZR 379/03, NJW 2004 S. 3117; BGH, Urteil v. 14.7.2004, VIII ZR 294/03, WuM 2004, 543). In einem weiteren Urteil vom 6.4.2005 (VIII ZR 27/04, NJW 2005 S. 1574) hat der BGH ausgeführt, dass ein formularmäßiger Kündigungsverzicht wegen unangemessener Benachteiligung des Mieters in der Regel unwirksam ist, wenn seine Dauer mehr als 4 Jahre beträgt. Der BGH orientiert sich dabei an der Regelung des § 557a Abs. 3 Satz 1 BGB. Nach dieser Vorschrift kann bei der Vereinbarung einer Staffelmiete das Kündigungsrecht für die Dauer von höchstens 4 Jahren ausgeschlossen werden. Der BGH sieht hierin einen Hinweis, wo nach Auffassung des Gesetzgebers allgemein die zeitliche Grenze eines Kündigungsverzichts des Mieters zu ziehen ist. Wird diese Grenze überschritten, so führt dies wegen des Verbots der geltungserhaltenden Reduktion "in der Regel" zur Unwirksamkeit der Ausschlussvereinbarung. Der Kündigungsverzicht bleibt also nicht mit der höchstzulässigen Laufzeit von 4 Jahren erhalten.
Vorliegend ist in § 2 Nr. 2 Satz 2 des Mietvertrags ausdrücklich vereinbart, dass eine Kündigung erstmals nach Ablauf von 4 Jahren möglich sein soll. Nach dieser Regelung kann der Mieter erst dann kündigen, wenn eine vierjährige Mietzeit abgelaufen ist. Da der Mieter bei der ordentlichen Kündigung eine Kündigungsfrist von 3 Monaten beachten muss, beträgt die tatsächliche Mindestlaufzeit 4 Jahre und 3 Monate. Demgegenüber ist in § 557a Abs. 3 Satz 2 BGB bestimmt, dass die Kündigung zum Ablauf der 4 Jahre erklärt werden kann. Die Regelung in Satz 2 der oben wiedergegebenen Klausel weicht also von dem gesetzlichen Leitbild ab. Der BGH sieht hierin einen Verstoß gegen § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB. Dieser Verstoß hat die Unwirksamkeit der gesamten Ausschlussvereinbarung zur Folge. Der Kündigungsverzicht bleibt also nicht mit der höchstzulässigen Laufzeit von 4 Jahren erhalten.
Ein über die Dauer von 4 Jahren hinausreichender Kündigungsausschluss ist nur möglich, wenn die Ausschlussvereinbarung durch Individualvertrag getroffen wird. Da dieser Punkt noch nicht aufgeklärt war, hat der BGH das Verfahren zur erneuten Entscheidung an das Landgericht zurückverwiesen.
Eine durch Formularvertrag vereinbarte Kündigungsausschlussvereinbarung sollte folgenden Wortlaut haben:
"Die Parteien verzichten wechselseitig für die Dauer von 4 Jahren ab Vertragsschluss auf ihr Recht zur Kündigung dieses Mietvertrags. Eine Kündigung ist frühestens zum Ablauf dieses Zeitraums zulässig. Von dem Verzicht bleiben die Rechte des Vermieters zur Mieterhöhung und die Rechte der Parteien zur Kündigung aus wichtigem Grund und zur außerordentlichen Kündigung mit gesetzlicher Frist unberührt."
Die Höchstfrist ist stets ab Vertragsschluss zu berechnen. Dies ist insbesondere in jenen Fällen von Bedeutung, in denen der Zeitpunkt der Übergabe der Mietsache zeitlich nach dem Abschluss des Mietvertrags liegt. Hier ist nicht die Übergabe, sondern der Vertragsschluss maßgeblich.
Link zur Entscheidung
BGH, Urteil v. 8.12.2010, VIII ZR 86/10, NJW 2011 S. 597