Leitsatz
Darf die durch ein Büroversehen auf das P-Konto des Schuldners erfolgte Zahlung pfändungsfrei gestellt werden?
AG Hamburg-Bergedorf, Beschl. v. 24.8.2018 – 416a M 1891/13
1 I. Der Fall
Überweisung durch ein Büroversehen
Der Bevollmächtigte der Schuldnerin hat ihr irrtümlich einen Betrag von 3.816,00 EUR überwiesen. Die Schuldnerin beantragte, diesen Betrag auf dem P-Konto zusätzlich freizustellen, damit sie den Betrag zurückstellen kann. Das AG hat dem Antrag stattgegeben.
2 II. Die Entscheidung
AG sieht "offensichtliche" Rechtslage
Die Pfändung des Kontos der Schuldnerin aus dem Pfändungs-und Überweisungsbeschluss vom 5.11.2013 wird in Höhe von 3.816.00 EUR einmalig aufgehoben, § 850k Abs. 4 ZPO. Diese Entscheidung ergeht wegen der Eindeutigkeit der Sach- und Rechtslage und aufgrund der Dringlichkeit ohne vorherige Anhörung des Gläubigers.
Dem Antrag der Schuldnerin vom 23.8.2018 auf Vorfreigabe dieses Guthabens war stattzugeben, da die Schuldnerin diesen Betrag benötigt, um ihn an den von ihr bevollmächtigten Rechtsanwalt zurück zu überweisen.
Nachweis des Büroversehens ist gelungen
Die Schuldnerin hat mit Antrag vom 23.8.2018 ein Schreiben dieses Anwalts vom 16.8.2018 vorgelegt, mit dem sie nachgewiesen hat, dass der obige Zahlungsbetrag nur durch ein Büroversehen auf ihrem Konto eingegangen ist. Da ihr also dieser Betrag nicht zusteht, kann er auch dem Gläubiger nicht zustehen, so dass der Schuldnerin die Möglichkeit gegeben werden muss, das Geld zurückzuzahlen. Aus diesem Grund erfolgte keine einstweilige Einstellung und auch keine vorherige Gläubigeranhörung.
3 Der Praxistipp
"Offensichtlich" ist nur die Fehlerhaftigkeit der Entscheidung
So offensichtlich, wie das AG die Sach- und Rechtslage sieht, ist allein die Fehlerhaftigkeit der Entscheidung. Der Grund liegt darin, dass jegliche juristische Prüfung unterbleibt. § 850k Abs. 4 ZPO verweist auf konkrete Pfändungsschutzvorschriften, die bei der Kontopfändung herangezogen werden können. Welche dieser Vorschriften das AG heranziehen will, wird weder dargelegt noch liegt dies auf der Hand. Entsprechend fehlt jede Darstellung der Voraussetzungen und jede Subsumtion. Tatsächlich ist keine der Vorschriften einschlägig.
Zu denken ist allenfalls an § 765a ZPO
Im konkreten Fall wäre allenfalls an § 765a ZPO zu denken gewesen. Danach kann die Zwangsvollstreckung eingestellt werden, wenn sie eine besondere Härte für den Schuldner darstellt, die gegen die guten Sitten verstößt. Allerdings liegen diese Voraussetzungen nicht vor, weil lediglich eine Gläubigerkonkurrenz vorliegt, die den Schuldner nicht besonders trifft. Seine Vermögenslage ändert sich nicht. Es findet lediglich ein Gläubigerwechsel statt. Bei einer Fehlüberweisung besteht kein Einstellungsgrund nach § 765a ZPO (AG Kassel FoVo 2015, 235).
Materielle und prozessuale Lage sehen
Zu sehen ist, dass mit der Überweisung des Rechtsanwaltes auf das Konto der Schuldnerin ein Auszahlungsanspruch der Schuldnerin gegen das Kreditinstitut entstanden ist. Das Recht des Rechtsanwaltes an dem Überweisungsbetrag ist untergegangen. Der Rechtsanwalt hat nun einen einfachen Bereicherungsanspruch nach § 812 Abs. 1 BGB. Dieser untitulierte materielle Anspruch muss aber gegenüber dem Pfändungspfandrecht des Gläubigers zurückstehen. Die Schuldnerin wird dadurch nicht übermäßig hart getroffen. Im Umfang der Pfändung erlischt der Anspruch des Gläubigers. Die Verbindlichkeit diesem gegenüber wird ganz oder teilweise erfüllt. Zugleich entsteht eine neue Verbindlichkeit gegenüber dem Bereicherungsgläubiger (Rechtsanwalt). In der Summe hat sich die Vermögenslage nicht geändert.
FoVo 1/2019, S. 12 - 13