Leitsatz
Solange der Schuldner die Möglichkeit hat, mit einer Bescheinigung nach § 850k Abs. 5 ZPO einen erweiterten Pfändungsschutz auf einem Konto zu erlangen, fehlt einem Antrag nach § 850k Abs. 4 ZPO auf Erhöhung des Pfändungsfreibetrages das Rechtsschutzbedürfnis.
AG Wiesbaden, Beschl. v. 13.9.2018 – 65 M 7317-18
1 I. Der Fall
SU will zusätzlichen Freibetrag auf dem P-Konto
Durch Pfändungs-und Überweisungsbeschluss (PfÜB) des AG wurde der Anspruch des Schuldners auf Auszahlung des Kontoguthabens bei dem Drittschuldner gepfändet und dem Gläubiger zur Einziehung überwiesen.
Das Konto des Schuldners wird nach dessen Angaben als Pfändungskonto geführt.
Es wurde vorgetragen, mit diesem und keinem weiteren Einkommen werde der Lebensunterhalt für den Schuldner selbst sowie für drei weitere Personen bestritten.
2 II. Die Entscheidung
Rechtsschutzbedürfnis fehlt
Dem Antrag fehlt das Rechtsschutzbedürfnis, denn der Schuldner bezieht lediglich Einkünfte unterhalb des Sockel- bzw. Aufstockungsbetrages nach § 850k Abs. 2 ZPO, welcher auf entsprechende Nachweise hin bereits von Gesetzes wegen von der kontoführenden Bank einzuräumen ist.
Gemäß § 850k Abs. 5 ZPO kommt eine gerichtliche Festsetzung nur in den Fällen in Betracht, in denen diese Nachweise gemäß § 850k Abs. 5 ZPO nicht geführt werden können. Das ist vorliegend nicht der Fall, denn die Nachweise über den erhöhen Sockelbetrag können bereits mit den bei Gericht eingereichten Anlagen (Kontoauszüge, Lohnabrechnungen, Sozialhilfebescheide etc.) erbracht werden.
Drittschuldner muss Unterlagen prüfen
Der Drittschuldner hat insoweit seiner Prüfungs- und Sorgfaltspflicht nachzukommen und ohne eine weitere gerichtliche Entscheidung den Sockel- bzw. Aufstockungsbetrag von derzeit 2.035,97 EUR zu berücksichtigen. Die in § 850k Abs. 2 Nr. 2 und 3 ZPO genannten unpfändbaren Geldleistungen (z.B. Kindergeld) bleiben von dieser Entscheidung unberührt und sind ebenfalls freibetragsbestimmend zu berücksichtigen.
3 Der Praxistipp
Mehrstufige Prüfung
Das P-Konto sieht in § 850k ZPO eine mehrstufige Gewährung von Pfändungsfreibeträgen vor. Zunächst wird allein der Grundpfändungsfreibetrag nach § 850k Abs. 1 i.V.m. § 850c Abs. 1 S. 1 ZPO i.H.v. 1.133,80 EUR gewährt. Hat der Schuldner darüber hinaus unterhaltsberechtigte Personen, denen er auch tatsächlich Unterhalt gewährt, kann sein Freibetrag um die weiteren Freibeträge nach § 850k Abs. 2 i.V.m. § 850c Abs. 1 S. 2 ZPO i.H.v. 426,41 EUR bzw. 237,73 EUR erhöht werden.
Bescheinigung statt Antrag
Anders als vor der Reform der Kontopfändung setzt die Erhöhung des Pfändungsfreibetrages allerdings nicht in jedem Fall eine gerichtliche Entscheidung voraus. Das Kreditinstitut ist dem Schuldner vielmehr nach § 850k Abs. 5 S. 1 und 2 ZPO zur Leistung aus dem nicht von der Pfändung erfassten Guthaben im Rahmen des vertraglich Vereinbarten verpflichtet. Dies gilt für die nicht von der Pfändung erfassten Beträge für die weiteren unterhaltsberechtigten Personen nur insoweit, als der Schuldner durch eine Bescheinigung des Arbeitgebers, der Familienkasse, des Sozialleistungsträgers oder einer geeigneten Person oder Stelle im Sinne von § 305 Abs. 1 Nr. 1 InsO nachweist, dass das Guthaben nicht von der Pfändung erfasst ist. Anders als das AG meint, muss das Kreditinstitut also nicht beliebige Unterlagen prüfen, sondern kann sich auf die entsprechenden Bescheinigungen der genannten Stellen zurückziehen.
Gläubiger kann profitieren
Der Schuldner muss sich über seine Möglichkeiten selbst informieren und kann sich bei Schuldnerberatungen oder auch den Rechtsantragsstellen der AG beraten und sich dann entsprechende Bescheinigungen ausstellen lassen. Schlägt er stattdessen einen fehlerhaften Weg ein, geht dies zu seinen Lasten. Solange keine Bescheinigung vorliegt, hat der Drittschuldner das Guthaben nach Maßgabe des § 835 ZPO an den Gläubiger auszuzahlen.
FoVo 1/2019, S. 13 - 14