Leitsatz
Allein der Umstand, dass es zu einer Fehlüberweisung auf das Konto des Schuldners gekommen ist, rechtfertigt weder eine Freigabe nach § 850k Abs. 4 ZPO noch nach § 765a ZPO.
LG Koblenz, Beschl. v. 16.8.2019 – 2 T480/19
1 I. Die Entscheidung
Falschüberweisung auf das Schuldnerkonto
Im Ergebnis zutreffend hat das AG den Antrag der Schuldnerin vom 21.5.2019 auf Freigabe von fälschlich auf ihr Konto überwiesenen 2.611,46 EUR zurückgewiesen. Dass das AG dabei den Antrag unzutreffend als unzulässig zurückgewiesen hat, ist dabei insoweit unschädlich, als dass der Antrag der Schuldnerin, auch wenn er zulässig ist, als unbegründet zurückzuweisen ist, weshalb im Ergebnis auch der Beschwerde der Schuldnerin der Erfolg versagt bleibt.
In der Sache zutreffend hat das AG dargelegt, dass für die von der Schuldnerin begehrte Freigabe des versehentlich auf ihr Konto gezahlten Betrages in Höhe von 2.611,46 EUR vollstreckungsrechtlich keine Rechtsgrundlage besteht und die Voraussetzungen für die Erhöhung des Mindestfreibetrages gemäß § 850k Abs. 4 ZPO nicht vorliegen.
Gem. § 850k Abs. 4 ZPO kommt eine Erhöhung des Mindestfreibetrages nur zugunsten des monatlich wiederkehrenden Einkommens unter Berücksichtigung von Unterhaltsverpflichtungen oder aufgrund der Höhe des bezogenen Einkommens in Betracht, woran es vorliegend unstreitig fehlt; es handelt sich gerade um eine Einmalzahlung. Unabhängig davon hat die Schuldnerin auch inhaltlich hinsichtlich der weiteren Anspruchsvoraussetzungen des § 850k Abs. 4 ZPO nicht hinreichend dargelegt und außer der Tatsache der Fehlüberweisung, die hierfür unerheblich ist, keine Umstände benannt, die zu einer Erhöhung des Pfändungsfreibetrages Anlass gäben.
Auch kein Freigabegrund nach § 765a ZPO
Bei Schuldneranträgen auf Freigabe von Beträgen, die auf ein Konto überwiesen wurde, hat das Vollstreckungsgericht den Antrag schließlich auch immer dahingehend auszulegen und zu prüfen, ob der Schuldner mit seinem Antrag eine unbillige Härte der Vollstreckungsmaßnahme im Sinne des § 765a ZPO geltend machen möchte (vgl. BVerfG NJW 2014, 3771). Aber auch nach der Ausnahmevorschrift des § 765a ZPO kommt eine Freigabe der versehentlichen Zahlung auf das Konto der Schuldnerin nicht in Betracht. Eine sittenwidrige Härte ist für die Schuldnerin bei Vollzug der Vollstreckungsmaßnahme weder vorgetragen noch erkennbar.
2 Der Praxistipp
Pfändung des P-Konto kann Erfolg versprechen
Die Evaluation der Reform der Kontopfändung hat ergeben, dass in etwa einem Drittel der Fälle, in denen ein P-Konto gepfändet wurde, pfändbare Beträge abzuführen waren. Das zeigt, dass es sinnvoll ist, im Rahmen der Forderungspfändung das P-Konto nicht außen vor zu lassen. Grund für den Pfändungserfolg ist in den meisten Fällen, dass es zu Einmalzahlungen auf das Konto kommt. Diese müssen nicht zwingend aus Fehlüberweisungen stammen, sondern können auch aus klassischen Erstattungen der Nebenkosten, einer Versicherung o.Ä. stammen.
Gläubigerkonkurrenz
Die Fehlüberweisung begründet beim Überweisenden ggfs. einen Rückforderungsanspruch gegen den Schuldner nach § 812 Abs. 1 S. 1, 1. Alt. BGB (Leistungskondiktion). Da dieser Anspruch tituliert ist, muss er aber richtigerweise hinter dem Pfändungsanspruch des Gläubigers mit tituliertem Anspruch zurücktreten. Der Fehlüberweisende muss so für sein Versehen zivilrechtlich einstehen.
FoVo 1/2020, S. 14 - 15