Leitsatz
Wird der Versuch einer gütlichen Erledigung nicht als isolierte Vollstreckungsmaßnahme in einem gesonderten Vollstreckungsauftrag beantragt, stellt er keine besondere Angelegenheit im Sinne von § 18 Abs. 1 Nr. 1 RVG dar, für die dem Rechtsanwalt eine 0,3-Verfahrensgebühr gemäß Nr. 3309 VV RVG zusteht.
BGH, Beschl. v. 18.7.2019 – I ZB 104/18
1 I. Der Fall
Ablehnung des Vergütungsanspruches für die gütliche Einigung
Die Gläubigerin erteilte unter dem 12.12.2017 einen Vollstreckungsauftrag gegen die Schuldnerin wegen einer durch einen KFB titulierten Geldforderung. In dem dafür verwendeten Musterformular gemäß der Anlage zu § 1 Abs. 1 GVFV waren Eintragungen unter anderem bei den Modulen E 2 und E 3 (Einziehung von Teilbeträgen und abweichende Zahlungsmodalitäten), G 2 (Abnahme der Vermögensauskunft nach vorherigem Pfändungsversuch) und K (Pfändung körperlicher Sachen) erfolgt. Als weitere Vollstreckungskosten beantragte die Gläubigerin eine Rechtsanwaltsvergütung in Höhe von jeweils 28,80 EUR einschließlich Auslagen und Umsatzsteuer für den Antrag auf gütliche Erledigung und für die Einholung von Drittauskünften über die Schuldnerin.
Der Gerichtsvollzieher hat den Ansatz dieser Gebühren abgelehnt. Die dagegen gerichtete Erinnerung der Gläubigerin hat das AG zurückgewiesen. Die sofortige Beschwerde der Gläubigerin ist ohne Erfolg geblieben.
2 II. Die Entscheidung
LG sieht gütliche Erledigung nicht als eigene Angelegenheit
Das LG hat angenommen, eine 0,3-Verfahrensgebühr gemäß Nr. 3309 VV RVG stehe der Gläubigerin weder für den Antrag auf gütliche Erledigung noch für den Auftrag zu, Drittauskünfte einzuholen. Die gütliche Einigung diene allein der Vollstreckung aus dem Titel, stehe in engem innerem Zusammenhang mit der folgenden Zwangsvollstreckung und stelle keine besondere Angelegenheit im Sinne des § 18 Abs. 1 RVG dar. Auch die Einholung von Drittauskünften sei gebührenrechtlich keine besondere Angelegenheit.
BGH sieht Gebühr für Drittauskunft, nicht aber für die (kombinierte) gütliche Erledigung
Die vom LG zugelassene Rechtsbeschwerde ist statthaft (§ 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2, Abs. 3 Satz 2 ZPO) und auch im Übrigen zulässig (§ 575 ZPO). In der Sache hat sie teilweise Erfolg. Das LG hat zwar zutreffend angenommen, der Gläubigerin stehe keine gesonderte 0,3-Verfahrensgebühr gemäß Nr. 3309 VV RVG für den im Rahmen ihres Vollstreckungsauftrags gestellten Antrag auf gütliche Einigung zu. Die Gläubigerin kann aber entgegen der Ansicht des LG eine solche Gebühr für ihren Antrag auf Einholung von Drittauskünften nach § 802l ZPO verlangen. Für den im Rahmen eines umfassenderen Vollstreckungsauftrags dem Gerichtsvollzieher erteilten Auftrag, auf eine gütliche Einigung mit dem Schuldner hinzuwirken, steht dem Rechtsanwalt keine besondere 0,3-Verfahrensgebühr gemäß Nr. 3309 VV RVG zu.
Grundsätze der Gebührenbemessung
Die Höhe der Vergütung für anwaltliche Tätigkeiten bestimmt sich gemäß § 2 Abs. 2 Satz 1 RVG nach dem Vergütungsverzeichnis der Anlage 1 zu diesem Gesetz. Gemäß Nr. 3309 VV RVG beträgt die Gebühr für die Zwangsvollstreckung 0,3. Diese Gebühr entgilt nach § 15 Abs. 1 RVG die gesamte anwaltliche Tätigkeit vom Auftrag bis zur Erledigung der Angelegenheit. Nach § 18 Abs. 1 Nr. 1 RVG stellt jede Vollstreckungsmaßnahme zusammen mit den durch diese vorbereiteten weiteren Vollstreckungshandlungen bis zur Befriedigung des Gläubigers eine besondere Angelegenheit dar.
Zwei Wege führen zur gütlichen Erledigung
Gemäß § 802b Abs. 1 ZPO soll der GV in jeder Lage des Verfahrens auf eine gütliche Erledigung bedacht sein. Nach § 802a Abs. 2 Satz 2 und Satz 1 Nr. 1 ZPO ist der Gerichtsvollzieher bereits durch den Vollstreckungsauftrag befugt, die gütliche Erledigung zu versuchen. Allerdings ist es dem Gläubiger möglich, seinen Vollstreckungsauftrag auf einen Einigungsversuch zu beschränken.
Isolierte Beauftragung begründet Vergütungsanspruch
Nach der Rechtsprechung des BGH fällt eine besondere 0,3-Verfahrensgebühr für den Versuch einer gütlichen Erledigung jedenfalls dann an, wenn sie gesondert, das heißt als isolierte Vollstreckungsmaßnahme in einem gesonderten Vollstreckungsauftrag, beantragt wird (BGH FoVo 2018, 227 – Gebühr für Drittauskunft). In einem solchen Fall liegt gebührenrechtlich eine besondere Angelegenheit vor. Hingegen ist die Frage, ob diese Gebühr auch dann anfällt, wenn die Maßnahme nach § 802a Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 ZPO nicht isoliert, sondern kombiniert mit anderen Vollstreckungsmaßnahmen wie der Einholung einer Vermögensauskunft oder der Pfändung und Verwertung körperlicher Sachen beantragt wird, bisher in der Rechtsprechung nicht entschieden. Sie ist im Schrifttum umstritten.
Streitfrage bei kombiniertem Antrag
Nach einer Ansicht stellt der Auftrag, eine gütliche Erledigung der Sache zu versuchen, gebührenrechtlich stets eine besondere Angelegenheit dar (Zöller/Seibel, ZPO, 32. Aufl., § 802b Rn 23; Goebel, FoVo 2013, 1, 3; Hergenröder, DGVZ 2014, 109, 115; Goebel/Wagener-Neef, Anwaltsgebühren im Forderungseinzug, § 6 Rn 45 f.). Nach § 802a Abs. 2 Satz 1 Nr. 1...