Leitsatz
1. Befürchtungen hinsichtlich einer Ansteckung mit dem Corona-Virus rechtfertigen es nicht, ein gerichtliches Verfahren (hier: ein Zwangsversteigerungsverfahren) bis zum Ende der Corona-Pandemie auszusetzen, da dieses Risiko bis zur Entwicklung eines Impfstoffes auch weiterhin für das ganze Jahr 2020 sowie für das Jahr 2021 bestehen wird.
2. Ist ein Verfahrensbeteiligter der Ansicht, für ihn sei das Infektionsrisiko bei der Teilnahme an einer Ortsbesichtigung zu groß, fällt es allein in seine Verantwortungssphäre, geeignete Vorkehrungen zu treffen und z.B. einem Dritten Vollmacht für die Terminsteilnahme zu erteilen.
AG Schwäbisch-Hall, Beschl. v. 4.5.2020 – 1 K 45/19
1 Der Fall
Verkehrswertgutachten ist einzuholen
Mit Beschluss des AG – Vollstreckungsgericht – wurde ein schriftliches Sachverständigengutachten zur Ermittlung des Verkehrswertes des Grundbesitzes gemäß § 74a Abs. 5 ZVG in dem Zwangsversteigerungsverfahren zur Aufhebung der Gemeinschaft in Auftrag gegeben und eine Sachverständige beauftragt. Ihr wurde mit der Beauftragung gestattet, zur Bewertung der Waldgrundstücke einen für dieses Fachgebiet öffentlich bestellten und vereidigten Sachverständigen beizuziehen. Mit der Erteilung des Auftrages zur Erstellung des Gutachtens wurden der Sachverständigen auch die Befugnisse gemäß § 404a ZPO übertragen.
Schuldnerin will Ortstermin verhindern
Der Prozessbevollmächtigte der Antragsgegnerin beantragt nun, die Sachverständigen anzuweisen, angesetzte Besichtigungstermine aufzuheben und auf einen späteren Termin zu verlegen. Hintergrund waren die vermeintlichen Gesundheitsgefährdungen auf der Grundlage der Covid-19-Pandemie
2 II. Aus der Entscheidung
Schon Zweifel am Rechtsschutzbedürfnis
Die Antragsgegnerin hat bislang weder glaubhaft gemacht noch nachgewiesen, dass eine Kontaktaufnahme mit den Sachverständigen erfolgt ist und dass seitens der Sachverständigen eine Terminsverlegung aufgrund der geschilderten Umstände abgelehnt worden wäre. Es ist vor allem nicht ersichtlich, warum der Sachverständige wegen einer Terminsverlegung nicht kontaktiert wurde.
Trotzdem hat der Antrag kurzfristig Erfolg
Infolge der Kürze der Zeit – nachdem der Antragstellerin die Gelegenheit zur Stellungnahme zu dem Antrag aufgrund des späten Eingangs des Antrags verwehrt war – musste der Sachverständige angewiesen werden, den Besichtigungstermin vom 9.5.2020 aufzuheben und eine Neuterminierung in Absprache mit den Verfahrensbeteiligten vorzunehmen. Nach der 7. Corona-Verordnung vom 2.5.2020 gelten die angeordneten Beschränkungen noch bis zum 10.5.2020. Daher kommt ein weiteres Hinausschieben des Besichtigungstermines über den 1.6.2020 nicht in Betracht.
Terminsteilnahme ist nicht unmöglich
Eine Teilnahme der Antragsgegnerin an dem angesetzten Ortsbesichtigungstermin wäre – trotz der bundesweit bestehenden Einschränkungen aufgrund der Corona-Pandemie – möglich. Ein Reiseverbot ist in der Bundesrepublik Deutschland nicht verhängt worden. Die öffentlichen Verkehrsmittel verkehren planmäßig, ab dem 4.5.2020 auch ohne die Einschränkungen eines "Ferienfahrplanes" wegen der angeordneten kompletten Schulschließungen. Ebenso wäre für die Antragsgegnerin auch eine Übernachtungsmöglichkeit gegeben, da die Anordnung der Landesregierung des Bundeslandes Baden-Württemberg (Verordnung der Landesregierung über infektionsschützende Maßnahmen gegen die Ausbreitung des Virus SARS-Cov-2; Corona-Verordnung – CoronaVO) in der Fassung vom 4.5.2020 (7. CoronaVO) in § 4 Abs. 1 Nr. 15 eine Aufnahme in einem Beherbergungsbetrieb zu geschäftlichen, dienstlichen oder zu privaten Zwecken gestattet. Dies gilt auch für Reisen, die aufgrund gerichtlicher Termine (worunter auch der Sachverständigentermin fällt) stattfinden, da gerichtliche Veranstaltungen gemäß § 3 Abs. 3 der 7. CoronaVO von dem angeordneten Kontaktverbot ausgenommen sind.
Regeln können auch bei einem Ortstermin eingehalten werden
Selbstverständlich sind bei diesen Terminen die gemäß § 3 Abs. 1 der 7. CoronaVO angeordneten Abstandsgebote (von min. 1,5 m) sowie das Tragen einer nicht-medizinischen Alltagsmaske oder einer vergleichbaren Mund-Nasen-Bedeckung zu beachten. Dies hat auch der Sachverständige – schon zu seinem Selbstschutz – zu gewährleisten. Da die Justiz des Landes Baden-Württemberg bereits seit dem 23.4.2020 wieder in den sogenannten Normalbetrieb übergegangen ist, ist auch die Bestimmung eines Besichtigungstermins auf den 12.5.2020 nicht zu beanstanden. Auch sind die bislang bestehenden Kontaktbeschränkungen sowie die Schließung von gastronomischen Betrieben derzeit nur bis zum 10.5.2020 befristet (7. CoronaVO).
Außenbesichtigung ist kein Problem
Eine erhöhte Ansteckungs- insbesondere Infektionsgefahr ist – unter Beachtung der Schutzmaßnahmen (Mindestabstand und Tragen einer Maske) – nicht gegeben. Dieser Sicherheitsabstand ist insbesondere bei der Besichtigung von landwirtschaftlichen Flächen, forstwirtschaftlich genutzten Liegenschaften oder Wiesen- und Bachgrundstücken problemlos einzuhalten. Eine Besichtigung eines Wohngebäudes kan...