Leitsatz
1. Die Nutzung von Konten Dritter (Kontoleihe) begründet einen Herausgabeanspruch des Nutzenden gegen den rechtlichen Kontoinhaber nach § 667 BGB.
2. Es handelt sich schon wegen der wirtschaftlichen Bedeutung um ein Auftragsverhältnis und nicht nur ein Gefälligkeitsverhältnis.
3. Weder Verfügungen nach Zustellung des Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses noch Pfändungsschutzvorschriften sind beachtlich.
LG Lübeck, Urt. v. 14.6.2023 – 5 O 214/22
1 Der Fall
Drittschuldnerklage nach PfÜB
Die Klägerin begehrt vom Beklagten Zahlung im Wege der Einziehungsklage auf der Grundlage eines Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses (PfÜB).
Die Klägerin unterhält einen Küchen- und Sanitärfachgroßhandel. Die Klägerin stand in geschäftlicher Beziehung mit dem Streitverkündeten (Schuldner). Dieser unterhielt einen Gas-Wasser-Installationsbetrieb.
Titulierte Forderung und Zwangssicherungshypothek
Der Klägerin stehen Forderungen gegen den Streitverkündeten aus einem Vollstreckungsbescheid zu. Mit Vollstreckungstitelvermerk des AG vom 2.10.2008 wurde auf Grundlage des Vollstreckungsbescheids in das Grundbuch eine Sicherungshypothek über 18.427 EUR nebst 12 % Jahreszinsen eingetragen. Ausweislich eines Vermerks hierauf ist die Forderung im Insolvenzverfahren über das Vermögen des Streitverkündeten am 14.4.2009 in Höhe von 19.501,96 EUR festgestellt worden.
Gläubigerin beauftragt Inkassodienstleisterin
Die Klägerin beauftragte eine Inkassodienstleisterin mit dem weiteren Einzug der Forderung gegenüber dem Streitverkündeten. Im Verlauf der Zwangsvollstreckung gab dieser unter dem 14.7.2016 die eidesstattliche Versicherung ab. Hierin gab er an, über ein monatliches Arbeitseinkommen von brutto 1.200 EUR (netto circa 980 EUR) zu verfügen. Geschäftsführer der Arbeitgeberin war der Beklagte, der Vater des Streitverkündeten. Die Vergütung des Streitverkündeten wurde auf das Girokonto des Beklagten mit dessen Zustimmung eingezahlt. Nach einer Verschmelzung sind der Streitverkündete und der Beklagte gemeinsam Geschäftsführer der Rechtsnachfolgerin der Arbeitgeberin.
PfÜB wegen der Nutzung von Konten Dritter (Kontenleihe)
Mit PfÜB vom 22.10.2019 wurde der Anspruch des Streitverkündeten gegen den Beklagten hinsichtlich der Kontenleihe gepfändet wegen eines Anspruchs der Klägerin in Höhe von insgesamt 19.984,31 EUR (Hauptforderung nebst Zinsen). So sind von der Pfändung "die gesamten gegenwärtigen und zukünftigen Ansprüche des Schuldners (Rückgabe des Kontoguthabens) gegen den Drittschuldner aufgrund der Führung eines Kontos auf seinen Namen für den Schuldner bzw. zur Verfügungstellung des eigenen Kontos für Geldgeschäfte des Schuldners insbesondere auf Auszahlung aller für den Schuldner auf dem Konto geführten Guthaben …" erfasst. Der PfÜB wurde dem Beklagten am 29.10.2019 zugestellt.
Beklagter vereinnahmt Arbeitseinkommen für drei Jahre und Schuldner nutzt das Konto
Entgeltzahlungen an den Streitverkündeten von Oktober 2019 bis September 2022 gingen sämtlich auf das Konto des Beklagten ein. Dieses Konto gehört dem Beklagten, welcher wiederum das Konto seinem Sohn, dem Streitverkündeten, seit dem Jahr 2006 aufgrund einer Vollmacht zur alleinigen Nutzung zur Verfügung stellt. Unstreitig gingen von November 2019 bis September 2022 Vergütungszahlungen auf das streitgegenständliche Konto in Höhe von insgesamt 19.066,15 EUR ein.
Beklagte bestreitet vertragliche Beziehung zum Schuldner
Der Beklagte ist der Auffassung, zwischen dem Streitverkündeten und ihm bestünde kein Auftragsverhältnis, da der Streitverkündete ihm keinen Auftrag erteilt habe. Es handele sich um einen Vertrag sui generis. Darüber hinaus könne der Streitverkündete allein über das Konto verfügen, ein Zahlungsanspruch gegenüber dem Beklagten habe nicht bestanden. Es müssten sämtliche Verfügungen des Streitverkündeten gegengerechnet werden.
2 II. Die Entscheidung zusammengefasst
Arbeitsgericht oder Landgericht? Ist das wirklich die Frage?
Die Klage ist zulässig, insbesondere ist der Rechtsweg zu den ordentlichen Gerichten eröffnet. Der Beklagte hat zu Recht seine diesbezügliche Rüge hinsichtlich einer Zuständigkeit der Arbeitsgerichtsbarkeit fallen gelassen, sodass eine Entscheidung hierüber im Rahmen des Schlussurteils möglich war, arg. e contrario § 17a Abs. 3 S. 2 GVG. Der Rechtsweg zu den Arbeitsgerichten ist nicht eröffnet, die Voraussetzungen für eine ausschließliche Zuständigkeit der Arbeitsgerichtsbarkeit i.S.d. §§ 2, 3 ArbGG sind nicht erfüllt.
Hier geht es um Kontoleihe und nicht um ein Arbeitsverhältnis
Insbesondere ist nicht ersichtlich, dass den Streitverkündeten und den Beklagten ein Arbeitsverhältnis verbindet oder die streitgegenständlichen Zahlungen auf das Konto Arbeitslohn darstellen. Ernsthafte Anhaltspunkte, aufgrund derer eine persönliche Abhängigkeit des Streitverkündeten angenommen werden könnte, liegen nicht vor. Allein der Umstand, dass durch die Parteien schriftsätzlich unzutreffenderweise fortlaufend von Gehalts- oder Lohnzahlungen oder Zahlungen des Arbeitgebers des Streitverkündeten vorgetragen worden ist, genügt nicht. ...