Leitsatz
Die einmalige Leistung einer Stiftung für ein medizinisches Hilfsmittel (hier Zahnersatz) kann eine entsprechende Erhöhung des Pfändungsfreibetrages auf einem Pfändungsschutzkonto nach § 850k Abs. 4 i.V.m. § 850f Abs. 1 ZPO rechtfertigen.
AG Passau, Beschl. v. 2.11.2018 – 4 M 3755/18
1 I. Der Fall
Das Pfändungsschutzkonto des Schuldners bei der Drittschuldnerin wurde mehrfach gepfändet. Der Schuldner beantragt, über den gesetzlich unpfändbaren Betrag hinaus weitere 1.500 EUR pfändungsfrei zu stellen.
2 II. Die Entscheidung
Grundlage des erweiterten Pfändungsschutzes ist § 850k Abs. 4 ZPO
Gemäß § 850k Abs. 4 ZPO kann das Vollstreckungsgericht auf Antrag einen von den Abs. 1, 2 Satz 1 Nr. 1 und Abs. 3 abweichenden pfändungsfreien Betrag festsetzen. Die §§ 850a, 850b, 850c, 850d Abs. 1 und 2, die §§ 850e, 850f, 850g und 850i sowie die §§ 851c und 851d dieses Gesetzes sowie § 54 Abs. 2, Abs. 3 Nr. 1, 2 und 3, Abs. 4 und 5 des Ersten Buches Sozialgesetzbuch, § 17 Abs. 1 S. 2 des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch und § 76 des Einkommensteuergesetzes sind entsprechend anzuwenden.
Besondere berufliche und persönliche Bedürfnisse sind beachtlich
Das Vollstreckungsgericht kann folglich dem Schuldner gemäß 850k Abs. 4 i.V.m. § 850f Abs. 1b) ZPO auf Antrag von dem nach den Bestimmungen der §§ 850c, 850d und 850i ZPO pfändbaren Teil seines Arbeitseinkommens einen Teil belassen, wenn besondere Bedürfnisse des Schuldners aus persönlichen oder beruflichen Gründen dies erfordern.
Das ist beispielsweise bei einer medizinischen Behandlung der Fall, wenn der Schuldner Beträge aufwenden muss, die ihm aus Anlass einer Krankheit entstehen, ohne dass die Kosten von der gesetzlichen Krankenkasse übernommen werden (NK-ArbR/Michels/Kortmann, ZPO, § 850k Rn 16, beck online).
Analogie zur Sachpfändung
In diesem Zusammenhang wird auf den Rechtsgedanken des § 811 Abs. 1 Nr. 12 ZPO verwiesen. Gemäß dieser Vorschrift sind künstliche Gliedmaßen, Brille und andere wegen körperlicher Gebrechen notwendige Hilfsmittel, soweit diese Gegenstände zum Gebrauch des Schuldners bestimmt sind, unpfändbar.
Zuzahlung einer Stiftung zum Gebiss ist pfändungsfrei
Diese Vorschrift ist großzügig auszulegen und umfasst alles, was eine körperliche Behinderung ausgleichen oder vermindern soll, wie z.B. Rollstuhl, Krücken, Perücken, Gebiss, behindertengerechter Bürostuhl (Koenig/Fritsch, AO, § 295 Rn 5–28, beck online). Folglich ist dem Schuldner die zweckgebundene Zahlung der X-Stiftung für ein Gebiss in voller Höhe von 1.500 EUR zu belassen.
3 Der Praxistipp
Kein Freibrief für überschießende Behandlungskosten
Besondere persönliche Bedürfnisse können im Umfang außergewöhnlicher Belastungen eine Erhöhung des Pfändungsfreibetrages nach § 850f Abs. 1 ZPO beim Arbeitseinkommen und konsequent über § 850k Abs. 4 i.V.m. § 850f Abs. 1 ZPO bei der Kontopfändung begründen. Allerdings gibt es keinen Freibrief für Behandlungskosten, die die Krankenkasse nicht trägt. Grundsätzlich greift der Pfändungsschutz nicht weiter als die Kosten für die notwendige Behandlung. Welche Kosten notwendig sind, bestimmt sich grundsätzlich nach den Vorgaben der gesetzlichen Krankenkasse und der Sozialhilfe (NJW-RR 2018, 370). Es obliegt danach dem Schuldner, im Einzelnen darzulegen, dass die überschießenden Kosten notwendig sind. Die Entscheidung gibt nichts dafür her, dass dies geschehen ist.
FoVo 2/2019, S. 31 - 32