Leitsatz
Bewohnt ein erwachsener Sohn einen Teil des Räumungsobjekts alleine und wurde ihm dieser Mitbesitz erst nach Erreichen der Volljährigkeit vom Räumungsschuldner eingeräumt, so ist von Mitbesitz und nicht lediglich Besitzdienerschaft auszugehen. Damit ist ein eigener Räumungstitel gegen den mitbesitzenden Sohn erforderlich.
LG Saarbrücken, Beschl. v. 9.5.2018 – 5 T 142/18
1 I. Der Fall
Räumungstitel gegen Mieter, aber nicht alle Bewohner
Der Gläubiger vollstreckt aus einem Räumungstitel betreffend das von dem Schuldner zu Wohnzwecken angemietete Einfamilienhaus. Der Gerichtsvollzieher (GV) teilte mit, der Schuldner habe ihn durch das Hausanwesen geführt und beide Wohnbereiche gezeigt. Der Sohn wohne im Obergeschoss, dort befänden sich auch persönliche Gegenstände des Sohnes. Die untere Etage werde von dem Schuldner bewohnt. Der Sohn habe erklärt, ein freiwilliger Auszug seinerseits käme nicht in Betracht. Der Sohn sei Besitzer und nicht Besitzdiener.
GV verweigert deshalb die Räumung
Es sei deshalb eine Vollstreckungsklausel gegen ihn zwingend erforderlich. Da sich diese nicht auf dem Vollstreckungstitel befinde, könnte derzeit eine Zwangsvollstreckung nicht durchgeführt werden. Hiergegen hat der Gläubiger Erinnerung eingelegt und beantragt, den GV anzuweisen, den erteilten Räumungsauftrag auszuführen. Zur Begründung wurde angeführt, Kinder des Mieters seien weder Besitzer noch Mitbesitzer, auch wenn sie erwachsen seien. Es gebe in dem Haus auch keine getrennten Wohneinheiten mit zum Beispiel einem abgeschlossenen Lebensbereich mit separatem Bad oder separater Küche. Demzufolge sei der Sohn des Schuldners lediglich Besitzdiener.
Erinnerung bleibt erfolglos
Der GV hat der Erinnerung nicht abgeholfen und dies damit begründet, der Sohn sei sehr wohl Mitbesitzer. Er sei 47 Jahre alt und im benachbarten Betrieb des Vaters beschäftigt. Laut Inaugenscheinnahme und Aussage von Schuldner und Sohn habe sich das Bild ergeben, dass der Sohn im oberen Stockwerk wohne; dort hätten sich auch persönliche Gegenstände (Briefe etc.) des Sohnes befunden. Der Sohn sei zudem unter der zu räumenden Adresse gemeldet.
Das AG hat die Erinnerung zurückgewiesen. Nach Feststellung des GV sei davon auszugehen, dass der Sohn des Schuldners Besitz an den nach dem Titel zu räumenden Räumlichkeiten bzw. zumindest Teilbesitz an den im ersten Stockwerk befindlichen Räumen habe. Daher sei ein Titel gegen ihn erforderlich. Dies gelte selbst dann, wenn der Verdacht bestehe, dass dem Dritten der Besitz nur eingeräumt worden sei, um die Zwangsvollstreckung zu vereiteln. Hiergegen richtet sich die sofortige Beschwerde des Gläubigers.
2 II. Die Entscheidung
Räumungstitel ist gegen den Besitzer erforderlich
Die nach § 793 i.V.m. §§ 567 ff. ZPO statthafte sofortige Beschwerde ist zulässig, insbesondere fristgerecht eingelegt. Sie hat aber in der Sache keinen Erfolg. Die Beschwerde akzeptiert offenbar den Ausgangspunkt der amtsgerichtlichen Überlegungen, dass aus einem Räumungstitel gegen den Mieter einer Wohnung nicht gegen einen im Titel nicht aufgeführten Dritten vollstreckt werden kann, wenn dieser Mitbesitzer ist (BGH DGVZ 2004, 138), wobei dies auch dann gilt, wenn der Verdacht besteht, dass dem Dritten der Besitz nur eingeräumt worden ist, um die Zwangsvollstreckung zu vereiteln (BGH DGVZ 2009, 12).
Die Auffassung des Gläubigers, vorliegend sei erstinstanzlich der Mitbesitz des Sohnes an dem zu räumenden Anwesen nicht hinreichend sicher festgestellt worden, ist unzutreffend.
Mitbesitz minderjähriger und volljähriger Kinder prüfen
Wer Besitzer ist, bestimmt sich nach den §§ 854 ff. BGB (BGH DGVZ 2004, 138). Nach § 855 BGB ist lediglich Besitzdiener derjenige, der die tatsächliche Gewalt über eine Sache für einen anderen in dessen Haushalt oder Erwerbsgeschäft oder in einem ähnlichen Verhältnis ausübt, so dass er den sich auf die Sache beziehenden Weisungen des anderen (des Besitzers) Folge zu leisten hat. Dies nimmt der Bundesgerichtshof z.B. bei minderjährigen Kindern des Räumungsschuldners an. Minderjährige Kinder, die mit ihren Eltern zusammenleben, haben daher grundsätzlich keinen Mitbesitz an der gemeinsam benutzten Wohnung (BGH DGVZ 2008, 168).
Die Besitzverhältnisse an der Wohnung, in der die Familie lebt, ändern sich im Regelfall nicht, wenn das Kind volljährig wird und mit seinen Eltern weiter zusammenwohnt. In diesem Fall bleiben die nach Erreichen der Volljährigkeit weiter in der elterlichen Wohnung lebenden Kinder im Regelfall Besitzdiener, ohne dass es darauf ankommt, ob die Kinder unter der Adresse gemeldet sind und der Vermieter die tatsächlichen Verhältnisse kennt. Dies gilt selbst dann, wenn die Kinder verheiratet sind (BGH DGVZ 2008, 168). Diese Konstellation kann im vorliegenden Fall nicht gegeben sein. Der Mietvertrag ist am 3.11.2016 abgeschlossen worden und der am 23.7.1971 geborene Sohn war damals 45 Jahre alt.
Ehegatte ist auch Mitbesitzer
Im Gegensatz zu Kindern ist der in der Wohnung lebende Ehegatte des Mieters in der Regel als Mitbesitzer anzusehen. Dies ist darin begründe...