Entscheidung überzeugt nicht – keine Relevanz schwankenden Lohns
Die Entscheidung überzeugt im ersten Teil nicht. Das AG übersieht, dass der schwankende Lohn im Hinblick auf die Pfändungsfreigrenze auf dem P-Konto unerheblich ist. Wie beim Arbeitseinkommen ist jeweils der über der Pfändungsfreigrenze nach § 850c ZPO i.V.m. der Pfändungsfreigrenzenbekanntmachung pfändbare Betrag pfändbar. Die Zahl der unterhaltsberechtigten Personen hat der Schuldner durch eine Bescheinigung nach § 850k Abs. 5 S. 2 i.V.m. Abs. 2 ZPO a.F. (= § 903 n.F.) nachzuweisen. Übersteigt der auf dem Konto eingehende Lohn den Pfändungsfreibetrag nach § 850k Abs. 1, 2 ZPO a.F. (= §§ 899, 902 ZPO n.F.), steht der Auszahlungsanspruch insoweit dem Gläubiger zu. Der schwankende Stundenlohn in der Zahl der Stunden wie der Höhe des Stundensatzes kann danach eine gerichtliche Entscheidung nicht begründen. Es ist unverständlich, dass der Gläubiger(-vertreter) hierauf nicht hingewiesen hat.
Vortrag für § 850a ZPO genügt nicht
Nach § 850 Abs. 4 ZPO a.F. (= § 906 Abs. 2 ZPO) setzt das Vollstreckungsgericht einen abweichenden Pfändungsfreibetrag fest, wenn sich bei einer Pfändung an der Quelle ein (teilweiser) Pfändungsschutz ergeben könnte. Ein solcher Pfändungsschutz kann sich aus § 850a ZPO ergeben. Danach sind die Hälfte der Mehrarbeitsvergütung (Nr. 1), ein angemessenes Urlaubs- und Weihnachtsgeld (Nr. 2 und 4) und auch bestimmte Aufwandentschädigungen, Auslösungsgelder und Zulagen (Nr. 3) unpfändbar.
Der Entscheidung mangelt es allerdings daran, dass für die genannten "Urlaubslohn-Stdbasis", "Überstdgrundv" und teilweise "Feiertagslohn" und "Entgeltfortz.-Stdbasis" nicht im Einzelnen dargelegt wird, dass es sich um Einkünfte i.S.d. § 850a ZPO handelt. Auf den ersten Blick zu ersehen ist dies jedenfalls nicht. Nur für den Feiertagslohn kann eine (teilweise) pfändungsfreie Zulage vorliegen. Diese ist dann aber anhand der steuer- und sozialversicherungsrechtlichen Freigrenzen auf ihre Angemessenheit zu prüfen. Dabei sind für verschiedene Tages- und Nachzeiten auch verschiedene Prozentsätze einschlägig. An all dem fehlt es. Auch hierauf hätte der Gläubiger(-vertreter) hinweisen müssen. Die von dem AG vorgenommene pauschale Freistellung dieser Beträge – zumal nicht etwa mit einem naheliegenden Durchschnittsbetrag, sondern mit dem Höchstbetrag – ist deshalb dem Grunde wie der Höhe nach ohne Rechtsgrundlage. Der Gesetzgeber hat dem Gericht hier keinen Ermessenspielraum eingeräumt, sondern verlangt die konkrete Rechtsanwendung.
Gericht kann sich der Rechtsanwendung nicht entziehen
Der Pfändungsschutz bewegt sich im Spannungsfeld der verfassungsrechtlichen Eigentumsgarantie. Genau deshalb fehlt es auch an einem Wertungsspielraum der Gerichte. Dieser ist nur im Rahmen von § 765a ZPO unter hohen Anforderungen gegeben, an denen es hier jedenfalls nach dem festgestellten Vortrag fehlt. Der Verweis auf die Möglichkeit der Lohnpfändung begründet kein Zurücktreten des verfassungsrechtlichen Schutzniveaus, zumal dafür Gründe vorliegen können, etwa vorrangige Pfändungen anderer Gläubiger.
FoVo 2/2022, S. 34 - 37