Leitsatz
Ein Guthaben auf einem Pfändungsschutzkonto i.S.v. § 850k ZPO in der bis zum 30.11.2021 geltenden Fassung unterliegt nicht der Auszahlungssperre des § 835 Abs. 4 S. 1 ZPO a.F., wenn und soweit im Zeitpunkt der Gutschrift dieses Guthabens der für den laufenden Monat zur Verfügung stehende Freibetrag nach § 850k Abs. 1 S. 1 ZPO a.F. noch nicht durch andere Gutschriften ausgeschöpft ist.
BGH, Beschl. v. 20.9.2022 – XI ZR 5/21
1 Der Fall
Streit um Auszahlungen an die Gläubiger
Der Kläger nimmt die beklagte Sparkasse auf Erstattung mehrerer von seinem Girokonto abgebuchter Beträge in Anspruch. Er unterhält bei der Beklagten seit dem 11.8.2016 ein als Pfändungsschutzkonto geführtes Girokonto, dessen Guthaben durch mehrere Pfändungs- und Überweisungsbeschlüsse zugunsten verschiedener Gläubiger des Klägers gepfändet war. Das Girokonto wies am 1.12.2017 ein Guthaben in Höhe von 863,11 EUR auf. In der Folgezeit entwickelte sich das Konto wie folgt:
Der Kläger begehrt die Erstattung der im März und April 2018 an verschiedene Gläubiger ausgekehrten Beträge. Der in erster Instanz auf Zahlung gerichteten Klage hat das AG stattgegeben.
Hiergegen hat die Beklagte Berufung eingelegt und ihren Klageabweisungsantrag weiterverfolgt. In der mündlichen Berufungsverhandlung hat der Kläger mit Zustimmung der Beklagten seinen Klageantrag dahingehend umgestellt, die Beklagte zu verurteilen, auf dem Pfändungsschutzkonto die am 6.3. und am 18.4.2018 ausgekehrten Beträge wieder gutzuschreiben, und beantragt, die Berufung der Beklagten nach Maßgabe der vorgenommenen Klageänderung zurückzuweisen. Das LG hat die Berufung der Beklagten mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass es das amtsgerichtliche Urteil neu gefasst und die Beklagte entsprechend dem umgestellten Klageantrag verurteilt hat. Dagegen richtet sich die vom Berufungsgericht zugelassene Revision der Beklagten, mit der sie ihren Antrag auf vollständige Abweisung der Klage weiterverfolgt.
2 II. Aus der Entscheidung
BGH folgt der Argumentation der Bank
Rechtsfehlerhaft hat das LG angenommen, die Gutschriften vom 31.1. und 28.2.2018 hätten ein gesperrtes Guthaben i.S.v. § 835 Abs. 4 S. 1 ZPO a.F. begründet, obwohl im Zeitpunkt der Gutschriften der monatliche Pfändungsfreibetrag noch nicht ausgeschöpft war.
Das P-Konto gewährt dem Kontoinhaber einen automatischen, nicht von einem Antrag abhängigen Pfändungsschutz bei der Pfändung des Kontoguthabens. Gemäß § 850k Abs. 1 S. 1 ZPO a.F. wird Guthaben auf dem P-Konto in Höhe des monatlichen Freibetrages nach § 850c Abs. 1 S. 1, Abs. 2a ZPO nicht von der Pfändung erfasst. Dieser Betrag wird dem Kontoinhaber als Sockelfreibetrag gewährleistet. Dieser betrug im streitgegenständlichen Zeitraum 1.133,80 EUR und konnte im Einzelfall durch einen Aufstockungsbetrag nach § 850k Abs. 2 ZPO a.F. erhöht sein. Da Letzteres hier nicht der Fall war, wird im Folgenden jeweils nur auf den Sockelfreibetrag aus § 850k Abs. 1 S. 1 ZPO a.F. abgestellt.
Sockelfreibetrag und Übertragung des nicht in Anspruch genommenen Guthabens …
Soweit der Schuldner in einem Kalendermonat nicht über das Guthaben in Höhe des Sockelfreibetrags verfügt hat, wird dieses Guthaben gemäß § 850k Abs. 1 S. 3 ZPO a.F. in dem folgenden Kalendermonat zusätzlich zu dem nach § 850k Abs. 1 S. 1 ZPO a.F. für diesen Monat geschützten Guthaben nicht von der Pfändung erfasst, erhöht also den für diesen Monat geltenden Sockelfreibetrag um den Ansparübertrag. Wird über das in einem Kalendermonat von der Pfändung freigestellte und in den Folgemonat pfändungsfrei übertragene Guthaben auch in diesem Monat nicht verfügt, so unterfällt es am Ende dieses Folgemonats der Pfändung. Verfügungen, die der Schuldner über sein pfandfreies Guthaben auf dem P-Konto trifft, sind zunächst auf das gemäß § 850k Abs. 1 S. 3 ZPO a.F. übertragene Restguthaben aus dem Vormonat, also den Ansparübertrag, anzurechnen und erst nach dessen Erschöpfung auf den neuen Sockelfreibetrag des aktuellen Monats (vgl. jetzt § 899 Abs. 2 S. 2 ZPO).
… sind von der Auszahlungssperre zu unterscheiden
Demgegenüber regelt § 835 Abs. 4 S. 1 ZPO a.F. eine sogenannte Auszahlungssperre. Danach darf im Fall der Pfändung und Überweisung von künftigem Guthaben auf einem P-Konto der Drittschuldner erst nach Ablauf des nächsten auf die jeweilige Gutschrift von eingehenden Zahlungen folgenden Kalendermonats an den Pfändungsgläubiger leisten oder den Betrag hinterlegen. Die Regelung erfasst alle Arten von Zahlungseingängen, die nach Zustellung des PfÜB erfolgen, auch einmalige und nicht nur regelmäßige wiederkehrende Gutschriften von Arbeitseinkommen oder Sozialleistungen (BT-Drucks 17/4776, S. 8; Zöller/Herget, ZPO, 34. Aufl., § 835 Rn 15; Stein/Jonas/Würdinger, ZPO, 23. Aufl., § 835 Rn 52).
Flankierend bestimmt § 850k Abs. 1 S. 2 ZPO a.F., dass das nach § 835 Abs. 4 S. 1 ZPO a.F. gesperrte Guthaben zu dem Guthaben nach § 850k Abs. 1 S. 1 ZPO a.F. gehört, über das der Schuldner in Höhe seines Freibetrags verfügen darf. Auf diese Weise wird das zurückgehaltene Guthaben in Höhe des individuellen monatlic...