1. Eine nach den Vorschriften des Zwangsvollstreckungsrechts bedingt pfändbare Berufsunfähigkeitsrente fällt im Insolvenzverfahren insoweit in die Insolvenzmasse, als sie im Rahmen einer Billigkeitsentscheidung für pfändbar nach den für Arbeitseinkommen geltenden Vorschriften erklärt wird.
2. Die Billigkeitsprüfung, bei der alle in Betracht kommenden Umstände des Einzelfalls zu würdigen sind, obliegt dem Insolvenzgericht, wenn der Insolvenzverwalter beantragt, bedingt pfändbare Bezüge des Schuldners für pfändbar zu erklären, um sie wie Arbeitseinkommen zur Masse zu ziehen; streiten Insolvenzverwalter und Schuldner um die Massezugehörigkeit von bedingt pfändbaren Einkünften des Schuldners oder ist die Frage der Pfändbarkeit im Rahmen eines Anfechtungsprozesses zu beantworten, muss die Billigkeitsentscheidung vom Prozessgericht getroffen werden.
BGH, 3.12.2009 – IX ZR 189/08
Der Praxistipp
Entscheidung zur InsO ist auf ZwV übertragbar
Die Entscheidung des BGH betrifft zwar ein Insolvenzverfahren, weist aber auf eine in der Praxis häufig übersehene Zugriffsquelle hin: Die bedingt pfändbaren Bezüge nach § 850b ZPO. Nach § 850b Abs. 1 sind
▪ |
Renten, die wegen einer Verletzung des Körpers oder der Gesundheit zu entrichten sind, |
▪ |
Unterhaltsrenten, die auf gesetzlicher Vorschrift beruhen, sowie die wegen Entziehung einer solchen Forderung zu entrichtenden Renten, |
▪ |
fortlaufende Einkünfte, die ein Schuldner aus Stiftungen oder sonst aufgrund der Fürsorge und Freigebigkeit eines Dritten oder aufgrund eines Altenteils oder Auszugsvertrags bezieht sowie |
▪ |
Bezüge aus Witwen-, Waisen-, Hilfs- und Krankenkassen, die ausschließlich oder zu einem wesentlichen Teil zu Unterstützungszwecken gewährt werden, ferner Ansprüche aus Lebensversicherungen, die nur auf den Todesfall des Versicherungsnehmers abgeschlossen sind, wenn die Versicherungssumme 3.579 EUR nicht übersteigt, |
grundsätzlich unpfändbar.
Hier liegt Ihre Zugriffschance!
Bei dieser Erkenntnis darf der Gläubiger es aber nicht belassen. Vielmehr können auch diese Bezüge unter Beachtung der Pfändungsfreigrenzen nach §§ 850c, 850d oder 850f Abs. 2 ZPO gepfändet werden, wenn es der Billigkeit entspricht und die Zwangsvollstreckung erfolglos war und künftig auch kein Erfolg zu erwarten ist.
1. Erfolglose Zwangsvollstreckung
Dass der Gläubiger zunächst andere Formen der Zwangsvollstreckung – erfolglos – versucht hat, liegt auf der Hand, so dass diese Voraussetzung meist keine Schwierigkeiten macht. Auch lässt sich mit Hilfe eines Vermögensverzeichnisses aus dem Offenbarungsverfahren leicht zeigen, dass künftig kein Vollstreckungserfolg zu erwarten ist.
2. Billigkeit der Pfändung
Der Schwerpunkt der Argumentation des Gläubigers muss also auf dem Aspekt der Billigkeit liegen. Die Billigkeit der Pfändung ist dabei unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles, insbesondere auch der Art des beizutreibenden Anspruches und der Höhe der Bezüge zu bestimmen.
Argument: Lohnersatzleistung
Für die Berufsunfähigkeitsrente ist dabei zunächst auf den Aspekt hinzuweisen, dass es sich um eine Lohnersatzleistung handelt, die typischerweise an die Stelle des Arbeitslohnes tritt und dessen Unterhaltsfunktion übernimmt. Ein über § 850c ZPO hinausgehender Schutz ist deshalb nicht erforderlich. Schon dieser Schutz ist übermäßig, wenn man berücksichtigt, dass § 850c ZPO berufsbedingte Mehraufwendungen mit 21,8 % berücksichtigt (BR-Druck 663/07 v. 9.11.2007). Eben diese Mehraufwendungen hat der Berufsunfähige nicht mehr.
Argument: Nachzahlung
Erst recht sollte die Pfändung der Billigkeit entsprechen, wenn es zu einer hohen Nachzahlung in Form einer Einmalzahlung kommt, ohne dass ein korrespondierender Unterhaltsbedarf besteht.
Weitere Argumente für Ihren Erfolg
Ansonsten kann berücksichtigt werden, dass der Gläubiger auf die Realisierung der Vollstreckungsforderung zur Deckung seines eigenen notwendigen Unterhaltes gerade angewiesen ist, dass die Vollstreckungsforderung (auch) auf einer vorsätzlich unerlaubten Handlung des Schuldners beruht, die Forderung gerade auch auf Umständen beruht, die den Unterhalt des Schuldners decken (Mietforderungen, Versorgungsleistungen) oder der Gläubiger letztlich wirtschaftlich schlechter dasteht als der Schuldner. Auch frühere Maßnahmen des Schuldners zur Verschleierung seines tatsächlichen Einkommens, etwa ein unsachgemäßer Wechsel der Lohnsteuerkarte, das Verschweigen von Einnahmen aus Schwarzarbeit oder unvollständige und unrichtige Angaben im Vermögensverzeichnis, um dem Gläubiger einen Vollstreckungszugriff zu verweigern oder auch nur zu erschweren, können Billigkeitsaspekte zugunsten des Gläubigers darstellen.
BGH gläubigerfreundlich
Der BGH hat schon in der Vergangenheit gezeigt, dass er einen Weg, der die tatsächliche Unpfändbarkeit der in § 850b Abs. 1 ZPO genannten Bezüge beinhaltet, nicht mitgehen möchte. So hat er in seiner Entscheidung vom 19.3.2004 (IXa ZB 57/03 = InVo 2004, 412) zur bedingten Pfändung des Taschengeldanspruches als Teil des Unterhaltsanspru...