Auch wenn das Tier nur einem Nebenerwerb dient, scheidet der Pfändungsschutz nach § 811c Abs. 1 ZPO aus. Eine Ausnahme ist nur dann zu machen, wenn der Nebenerwerb gänzlich in den Hintergrund tritt, etwa ein Tier nur einmalig gegen ein geringes Entgelt als Zuchttier zur Verfügung gestellt wird (Schuschke/Walker, Vollstreckung und Vorläufiger Rechtsschutz, 4. Aufl., § 811c Rn 1).
Unpfändbarkeit nicht bei besonderer Härte für den Gläubiger
§ 811c Abs. 2 ZPO erlaubt die Pfändung eines wertvollen Tieres im häuslichen Bereich selbst dann, wenn die Unpfändbarkeit für den Gläubiger eine nicht zu rechtfertigende Härte bedeuten würde. Voraussetzung ist dabei, dass das Tier einen hohen Wert hat. Diesen kann man in Anknüpfung an die ursprüngliche Wertgrenze in § 811 Nr. 14 ZPO a.F. (500,00 DM) mit mindestens 250,00 bis 300,00 EUR ansetzen. In der Literatur wird allerdings ein wesentlich höherer Wert gefordert (MüKo-ZPO, Gruber, 3. Aufl., § 811c Rn 6; Zöller-Stöber, ZPO, 28. Aufl. 2010, § 811c Rn 3). Hier werden insbesondere Reitpferde, Rassehunde und -katzen sowie seltene Tierarten, insbesondere auch Vögel und Fische zu zählen sein.
Hier muss abgewogen werden
Nach dem Gesetzeswortlaut sind die Interessen des Schuldners, des Gläubigers und auch die Belange des Tierschutzes gegeneinander und untereinander abzuwägen. Als nachhaltig zu berücksichtigender Belang wird auf Seiten des Gläubigers dessen eigene wirtschaftliche Situation zu betrachten sein. Je weniger seine eigene wirtschaftliche Existenz gesichert ist, umso stärker überwiegen seine Belange. Dann muss die Art der Schuld – etwa ein Anspruch aus unerlaubter Handlung – ebenso Berücksichtigung finden wie sonstige Vollstreckungs- und Verwertungsmöglichkeiten.
Der Schuldner wird den Belangen des Gläubigers regelmäßig nur seine emotionale Bindung an das Tier entgegenhalten können, die aber über die mit der Zwangsvollstreckung üblicherweise verbundene Härte nicht hinausgeht und damit weitgehend unberücksichtigt bleiben muss. Allerdings sind auch die Bindungen weiterer Familienangehöriger wie alte und kranke Menschen und Kinder zu beachten.
Die Belange des Tierschutzes
Wesentlich zu berücksichtigen sind aber die Belange des Tierschutzes, insbesondere die Fragen,
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welche Bindung das Tier an den Schuldner und dessen Familie hat, |
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welche besonderen Entfaltungsmöglichkeiten das Tier beim Schuldner hat, die nach einem Verkauf nicht mehr gegeben sind, |
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welches Alter das Tier hat (AG Paderborn DGVZ 1996, 44: keine Pfändung eines alten Tieres, welches bei Schuldner sein Gnadenbrot erhält), |
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welchen Gesundheitszustand das Tier hat, |
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welche Bedeutung das Tier für andere Tiere im häuslichen Bereich des Schuldners hat, |
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welche Verwertungsart in Betracht kommt (anderer häuslicher Bereich, Versuchslabor, Verwertung nach Tod). |
Die hartnäckige Zahlungsverweigerung des Mieters kann es nach Ansicht des LG Berlin vom 16.3.2007 (81 T 859/06) gebieten, die Pfändung der wertvollen Haustiere des Schuldners (Koi-Karpfen und Papageien), die sein einziges pfändbares Vermögen darstellen, gemäß § 811c Abs. 2 ZPO zuzulassen.
So entwickelt sich das Verfahren
Ist danach eine Pfändung des Tieres möglich, so hat dies das Vollstreckungsgericht auf Antrag des Gläubigers nach § 764 Abs. 3 ZPO durch Beschluss festzustellen. Der Gläubiger hat dabei die Pfändbarkeit nach § 811c Abs. 2 darzulegen und ggf. auch zu beweisen. Der Schuldner ist zuvor anzuhören, was sich aus der Notwendigkeit ergibt, seine Belange und die des Tierschutzes im konkreten Fall in die Abwägung einzustellen. Äußert er sich nicht, werden die Angaben des Gläubigers als zugestanden behandelt.