Leitsatz
§ 850h Abs. 2 ZPO erfasst alle Fälle unbelohnter oder gering vergüteter Dienstleistungen. Insoweit ist stets zu prüfen, ob es sich um Dienste handelt, für die nach allgemein herrschender Auffassung mit Rücksicht auf Art und Umfang die Zahlung einer Vergütung gerechtfertigt erscheint, weil solche Dienste allgemein nur gegen Vergütung geleistet werden.
Das Gericht hat anhand des einschlägigen Tarifvertrages für Dienste, wie sie der Schuldner leistet, die "übliche Vergütung" zu ermitteln. Sodann muss das zwischen Arbeitgeber und Schuldner vereinbarte Arbeitsentgelt damit verglichen und festgestellt werden, ob der Schuldner gegen eine "unverhältnismäßig geringe" Vergütung arbeitet. Erst wenn diese Voraussetzung erfüllt ist, kann das Gericht eine "angemessene Vergütung" festsetzen.
Bei der Bemessung der Vergütung ist auf alle Umstände des Einzelfalles, insbesondere die Art der Arbeits- und Dienstleistung, die verwandtschaftlichen oder sonstigen Beziehungen zwischen dem Dienstberechtigten und dem Dienstverpflichteten und die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des Dienstberechtigten Rücksicht zu nehmen.
LAG Schleswig-Holstein, 10.11.2010 – 3 Sa 451/10
1 Der Praxistipp
Nicht zu schnell aufgeben
Ist der Schuldner erwerbstätig, liegt die Pfändung von Arbeitseinkommen natürlich nahe. Teilt der Arbeitgeber dann als Drittschuldner im Rahmen der nach § 840 ZPO abzugebenden Erklärung mit, dass der Schuldner über kein pfändbares Einkommen verfügt, darf sich der Gläubiger aber nicht sofort geschlagen geben. Vielmehr ist zu untersuchen, ob der Arbeitgeber den Nettolohn und das unpfändbare Einkommen richtig bestimmt hat und ob sich der Arbeitnehmer nicht durch eigenes Tun oder im Zusammenwirken mit dem Arbeitgeber der Pfändung entzieht.
Lohnbescheinigung konsequent herausverlangen
Ist die Pfändung des Arbeitslohnes erfolgt, ist es wesentlich, zunächst die Lohnabrechnung herauszuverlangen, um hierauf weitere Ermittlungsmaßnahmen zu stützen. Nicht umstritten ist, dass der Schuldner selbst nach § 836 Abs. 3 ZPO zur Herausgabe der Lohnabrechnung verpflichtet ist (hierzu die Arbeitshilfe FoVo 2010, 205). Umstritten ist dagegen die Frage, ob auch der Drittschuldner zur Herausgabe verpflichtet ist. Verschiedene Gerichte haben hier bereits im Sinne der Gläubiger entschieden (AG Schwelm JurBüro 2010, 608; LG Koblenz FoVo 2010, 33 und JurBüro 1996, 663; LG Düsseldorf JurBüro 2008, 268; OLG Hamm DGVZ 1994, 188).
Erster Schritt: Richtige Berechnung des unpfändbaren Einkommens prüfen
Als erste Maßnahme nach dem Erhalt der Lohnbescheinigung muss geprüft werden, ob der Arbeitgeber den unpfändbaren Teil des Arbeitseinkommens überhaupt zutreffend bestimmt hat. So zeigen Überprüfungen, dass häufig der Auszahlungsbetrag der Bestimmung zugrunde gelegt wird, nicht aber das u.U. höhere Nettoeinkommen. Auch werden mehr als die tatsächlich vorhandenen unterhaltsberechtigten Personen berücksichtigt. Letztlich ist im Zusammenhang mit der Vorlage der Lohnabrechnung zu prüfen, ob berücksichtigte unterhaltsberechtigte Personen über eigenes Einkommen verfügen, so dass ein Antrag auf deren Nichtberücksichtigung nach § 850c Abs. 4 ZPO gestellt werden kann (siehe hierzu die Arbeitshilfe in FoVo 2010, 146).
Zweiter Schritt: Anhaltspunkte für verschleiertes Einkommen suchen
Im zweiten Schritt ist zu prüfen, ob Anhaltspunkte für verschleiertes oder verschobenes Einkommen im Sinne des § 850h ZPO bestehen (hierzu etwa Neugebauer, Die Pfändung von verschleiertem Einkommen, FoVo 2008, 69). Der erste Blick muss dabei der Lohnsteuerkarte gelten. Der BGH hat nämlich schon 2005 entschieden, dass der Schuldner, der vor der Pfändung eine ungünstigere Lohnsteuerklasse in Gläubigerbenachteiligungsabsicht gewählt hat, bei der Berechnung des pfändungsfreien Betrags schon im Jahre der Pfändung so behandelt werden kann, als sei sein Arbeitseinkommen gemäß der günstigeren Lohnsteuerklasse zu versteuern. Wählt der Schuldner nach der Pfändung eine ungünstigere Lohnsteuerklasse oder behält er diese für das folgende Kalenderjahr bei, so gilt dies auch ohne Gläubigerbenachteiligungsabsicht schon dann, wenn für diese Wahl objektiv kein sachlich rechtfertigender Grund gegeben ist (BGH InVo 2006, 118 = NJW-RR 2006, 569).
Klären: Ausbildung – Tätigkeitsumfang – Einkommen
Im Offenbarungsverfahren muss der Schuldner angeben, welche Ausbildung er genossen hat, welche konkrete Tätigkeit er derzeit in welchem zeitlichen Umfang ausübt und wie hoch sein Einkommen ist. Fehlt es an entsprechenden Angaben, muss ein vorliegendes Vermögensverzeichnis ggf. nachgebessert werden. Ergänzende Informationen, etwa aus Selbstauskünften des Schuldners in der Vergangenheit oder auch die Angabe der tatsächlichen Stundenzahl auf der Lohnabrechnung sind ebenso zu berücksichtigen.
Prüfen: Angemessenheit des Einkommens
Der Gläubiger muss auf dieser Grundlage prüfen, ob das Einkommen angemessen ist. Dafür kann er auf allgemeinverbindliche Tarifverträge, auf sonstige Tarifverträge als Indiz oder auch auf Auskünfte der Handwerkskammern oder der In...