Keine Pfändungsfreigrenzen bei Unterhaltsvollstreckung
Ist laufender und rückständiger Unterhalt tituliert und werden darauf das Arbeitseinkommen des Schuldners oder diesem gleichgestellte Beträge gepfändet, kann der Schuldner die Pfändungsfreigrenzen des § 850c ZPO für sich nicht in Anspruch nehmen. Vielmehr ist ihm nach § 850d ZPO nur der notwendige Unterhalt und die zur Erfüllung seiner gesetzlichen Unterhaltspflichten erforderlichen Beträge zu belassen. Den notwendigen Unterhalt hatte der BGH bereits in der Vergangenheit mit dem individuellen Sozialhilfeniveau gleichgesetzt (BGH NJW 2003, 2918; BGH NJW-RR 2004, 506).
BGH entscheidet Streitfrage zu Lasten der Gläubiger
Noch nicht entschieden hatte der BGH bisher, ob es hinsichtlich der Unterhaltsverpflichtungen auf den tatsächlichen gezahlten Unterhalt oder den gesetzlich geschuldeten Betrag ankommt. Im konkreten Fall hatte der Schuldner 250 EUR monatlich an Unterhalt zu zahlen, tatsächlich im Durchschnitt jedoch nur 172,20 EUR gezahlt. Der Gläubiger wollte den Pfändungsfreibetrag nur um den tatsächlichen Zahlungsbetrag erhöht ansehen. Der Rechtspfleger ist dem ebenso gefolgt wie das LG als Beschwerdegericht. Der BGH hat nun aber zu Lasten der Gläubiger entschieden. Schon aus dem Wortlaut ergebe sich, dass auf die Unterhaltspflicht abzustellen sei. Auch der Sinn und Zweck der Regelung, Unterhaltsberechtigte zu bevorzugen und die tatsächliche Realisierung des Anspruches zu fördern, spreche für ein solches Verständnis.
Ergebnis der säumige Schuldner steht sich besser
Das Ergebnis der Entscheidung des BGH ist ernüchternd. Kommt der Schuldner seinen Unterhaltsverpflichtungen teilweise nicht nach, profitiert er davon unmittelbar, solange die weiter unterhaltsberechtigten Personen ihren höheren Anspruch – gleich aus welchen Gründen – tatsächlich nicht betreiben und durchsetzen. Dieses Ergebnis ist durchaus kritikwürdig. Die negative Folge wäre zu vermeiden, wenn nur der tatsächliche Unterhalt berücksichtigt wird, dem Schuldner jedoch die Möglichkeit gegeben wird, den Beschluss ändern zu lassen, wenn der weiter Unterhaltsberechtigte seinen Anspruch tatsächlich geltend macht oder er freiwillig den gesetzlichen Unterhalt zahlen will und auch tatsächlich kann oder umgekehrt die Zwangsvollstreckung in Höhe des tatsächlichen Zahlungsbetrages jeweils eingestellt werden kann.
Es bleibt nur eine kleine Hoffnung
In der Praxis wird die Entscheidung des BGH zunächst nicht nur bei § 850d ZPO, sondern auch bei Beschlüssen nach § 850f Abs. 2 ZPO zu beachten sein. Nachdem der BGH die vorstehenden Argumente bisher nicht näher beleuchtet hat, bleibt ansonsten nur die Hoffnung, die Fragen dem BGH mit weiteren Argumenten erneut vorzulegen und auf eine abweichende Entscheidung zu hoffen. Erfahrungsgemäß sind solche Hoffnungen nur klein zu bemessen. Dass der Gesetzgeber auf die Entscheidung reagiert, dürfte ebenfalls unwahrscheinlich sein.