BGH folgt der fiktiven Berechnungsmethode
Das LG hat dem Antrag des Schuldners, den ihm aufgrund des Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses (PfÜB) des AG gemäß § 850d Abs. 1 S. 2 ZPO monatlich pfandfrei zu belassenden Betrag auf 944,66 EUR zu erhöhen, zu Recht stattgegeben.
Der unpfändbare notwendige Unterhalt des Schuldners im Sinne des § 850d Abs. 1 S. 2 ZPO entspricht grundsätzlich dem notwendigen Lebensunterhalt im Sinne des SGB III und XI (BGH NJW-RR 2011, 706; BGH FamRZ 2010, 1798; BGH NJW-RR 2008, 733 m.w.N.). Bestandteil des notwendigen Unterhalts im Sinne des § 850d Abs. 1 S. 2 ZPO ist ein Betrag in Höhe des Regelsatzes nach dem SGB XII (BGH NJW-RR 2011, 706). § 35 Abs. 1 S. 1 SGB XII bestimmt weiter, dass der Leistungsbedarf für die Unterkunft in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen anerkannt wird.
Konkreter Bedarf ist maßgeblich
Die Kosten für Unterkunft und Heizung werden nach konkretem Bedarf ersetzt, soweit sie nicht den angemessenen Umfang übersteigen. Die Angemessenheit der Aufwendungen ist nach den konkreten Umständen des Einzelfalls unter Berücksichtigung der örtlichen Gegebenheiten konkret zu ermitteln. Dabei ist vorrangig das ortsübliche Mietpreisniveau, wie es sich aus einem qualifizierten Mietspiegel (§ 558d BGB), einem Mietspiegel (§ 558c BGB) oder unmittelbar aus einer Mietdatenbank (§ 558e BGB) ableiten lässt, heranzuziehen (vgl. BGH FamRZ 2009, 1747).
Problem: Zusammenleben mit Nichtschuldnern
In Fällen, in denen der Schuldner mit anderen Personen in einer Wohnung zusammenlebt und die von ihm aufgewendeten Kosten für Unterkunft und Heizung nicht nur seinen eigenen Wohnbedarf, sondern zugleich den Wohnbedarf dieser Personen decken, ist die Höhe des angemessenen Bedarfs des Schuldners für Unterkunft und Heizung fiktiv nach den Kosten zu ermitteln, die der Schuldner nach den konkreten Umständen des Einzelfalls zur Deckung seines eigenen Wohnbedarfs aufwenden müsste. Zutreffend stellt das LG darauf ab, dass hierzu die fiktiv anfallenden Wohn- und Heizkosten für eine alleinstehende Person anzusetzen sind.
Lösung: rechnen, als wäre der Schuldner allein
Entgegen der Auffassung des Gläubigers sind die Aufwendungen des Schuldners für Unterkunft und Heizung in diesem Fall nicht nach dem sozialrechtlichen Kopfteilprinzip zu verteilen. Im formalisierten Zwangsvollstreckungsverfahren (vgl. hierzu allg.: BGH NJW-RR 2016, 319; BGHZ 177, 12; BGH WM 2004, 646) findet das Kopfteilprinzip einschließlich der hiervon bestehenden Ausnahmen keine Anwendung. Es ist nicht Aufgabe des Vollstreckungsgerichts, Feststellungen dazu zu treffen, ob der Schuldner in einer Bedarfsgemeinschaft lebt und ob der Gesamtbedarf dieser Bedarfsgemeinschaft auch unter Berücksichtigung des Einkommens der mit dem Schuldner in dieser Gemeinschaft lebenden Personen nicht durch eigene Kräfte und Mittel gedeckt ist und ob Umstände vorliegen, die im Einzelfall eine Ausnahme vom Kopfteilprinzip rechtfertigen.
Sozialrecht arbeitet unter anderen Voraussetzungen
Nach der sozialgerichtlichen Rechtsprechung sind Aufwendungen für Unterkunft und Heizung im Regelfall unabhängig von Alter und Nutzungsintensität anteilig pro Kopf aufzuteilen, wenn Hilfebedürftige eine Unterkunft gemeinsam mit anderen Personen nutzen. Dies bedeutet, dass innerhalb einer Bedarfsgemeinschaft die Aufteilung der Aufwendungen für Unterkunft und Heizung der Hilfebedürftigen grundsätzlich nach Kopfteilen zu erfolgen hat und es ohne Belang ist, wer den Mietzins schuldet und wer welchen Teil der Wohnung tatsächlich nutzt (st. Rspr.; vgl. nur BSG NZM 2014, 681). Die Anwendung des Kopfteilprinzips setzt voraus, dass eine Bedarfsgemeinschaft besteht und der Gesamtbedarf dieser Gemeinschaft nicht aus eigenen Kräften und Mitteln gedeckt ist. Bei Personen, die in einer Bedarfsgemeinschaft leben, ist dabei unter anderem auch das Einkommen des Partners zu berücksichtigen (vgl. BSG NZM 2014, 681 Rn 11). Dabei sind Ausnahmen vom Kopfteilprinzip beispielsweise bei einem über das normale Maß hinausgehenden Bedarf einer der in der Wohnung lebenden Personen wegen Behinderung oder Pflegebedürftigkeit denkbar oder wenn der Unterkunftskostenanteil eines Mitglieds der Bedarfsgemeinschaft wegen einer bestandskräftigen Sanktion weggefallen ist und die Anwendung des Kopfteilprinzips zu Mietschulden für die anderen Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft führen würde (vgl. BSG NZM 2014, 681 Rn 23 m.w.N.).
Zwangsvollstreckung arbeitet formalisierter
Zur Feststellung dieser für die Anwendung des Kopfteilprinzips erforderlichen Voraussetzungen und etwaiger zu berücksichtigender Ausnahmen ist das formalisierte Zwangsvollstreckungsverfahren nicht geeignet. In diesem Verfahren wird dem Vollstreckungsgericht die für die Anwendung des Kopfteilprinzips erforderliche Prüfung nicht abverlangt. Das Vollstreckungsgericht hat deshalb nicht zu prüfen, ob nach sozialrechtlichen Kriterien eine Bedarfsgemeinschaft vorliegt und der Gesamtbedarf dieser Gemeinschaft aus eigenen Kräften und Mitteln nicht vollständig gedeckt ist u...