Die Abtretung von Arbeitseinkommen
Bei der Sicherung von Forderungen verpflichten sich die Schuldner oftmals zu einer Lohn- oder Gehaltsabtretung. Dadurch wird der Arbeitgeber als Drittschuldner verpflichtet, im Sicherungsfall den jeweils pfändbaren Teil (§ 400 BGB) des Einkommens an den Gläubiger zu überweisen. Im vorliegenden Fall war A aufgrund der Abtretung an unseren Leser also verpflichtet, den pfändbaren Anteil des Einkommens an ihn auszuzahlen.
Hinweis
Da dem A die Abtretung zunächst nicht bekannt war (stille Abtretung), konnte er gemäß § 407 weiterhin schuldbefreiend an den S zahlen. Denn nach § 407 muss der neue Gläubiger (also unser Leser) eine Leistung, die der (Dritt-)Schuldner (hier Arbeitgeber A) an den bisherigen Gläubiger (hier Arbeitnehmer S) bewirkt, gegen sich gelten lassen, es sei denn, dem (Dritt-)Schuldner (A) war die Abtretung bei der Leistung bekannt. Da dem Arbeitgeber A die Abtretung zunächst nicht bekannt war, konnte er schuldbefreiend an S zahlen. Ab dem Zeitpunkt, von dem an dem (Dritt-)Schuldner aber die Abtretung bekannt geworden ist (offene Zession), kann er nur noch schuldbefreiend an den neuen Gläubiger zahlen. Eine Schuldbefreiung kann der (Dritt-)Schuldner A also ab der Anzeige der Abtretung nur noch dann erreichen, wenn er dann an unseren Leser die Auszahlung des pfändbaren Einkommens veranlasst.
Ändert sich etwas durch das Arbeitgeberdarlehen?
A könnte nun einwenden, der S habe ihm zur Sicherung des Arbeitgeberdarlehens ebenso seine Lohn- und Gehaltsansprüche abgetreten und diese Abtretung sei vorrangig zu bedienen. Dieser Einwand verfängt jedoch nicht. Der A wäre dann als Arbeitgeber Schuldner des Lohn- und Gehaltsanspruchs, andererseits aber als Erwerber der abgetretenen Forderung auch ihr Gläubiger. Ein Schuldverhältnis setzt aber nach § 241 BGB einen Gläubiger und einen Schuldner voraus, also zwei miteinander nicht identische Rechtsträger. Wenn nun beide Positionen in einer Person zusammenfallen, kann nach diesem Modell kein Schuldverhältnis bestehen. Es erlischt dann durch eine sog. "Konfusion". Die Abtretung wäre also unwirksam.
Wer zuerst kommt, mahlt zuerst
In unserem Fall wäre die Abtretung an A im Übrigen auch nicht vorrangig zu berücksichtigen, da die Forderung bereits an unseren Leser abgetreten war. Bei mehrfacher Abtretung gilt das so genannte "Prioritätsprinzip". Grundsätzlich ist nur die zeitlich erste Abtretung maßgebend und verbraucht die Verfügungsbefugnis des Abtretenden. Da die Lohn- und Gehaltsabtretung an unseren Leser zeitlich zuerst erfolgte, geht diese der nachfolgenden Abtretung an den A vor. Das würde sich auch nicht ändern, wenn man die Abtretung für die Zukunft auf die Beträge beschränkt, die dem Sicherungsbedürfnis entsprechen, d.h. bis etwa 130 % der zu sichernden Forderungen. Auch in diesem Falle ginge die Abtretung des Arbeitgebers zeitlich nach.
Hinweis
Zu beachten ist allerdings, dass Arbeitgeber sich vor einer solchen Situation dadurch schützen können, dass sie im Arbeitsvertrag ein Abtretungsverbot vereinbaren. In diesem Fall bleibt der Anspruch des Arbeitgebers vorrangig, weil die Abtretung an den dritten Gläubiger vor dem Hintergrund des Abtretungsverbotes schwebend unwirksam war.
Fazit
Sobald dem Arbeitgeber A die Abtretung bekannt ist, kann er nur noch durch Auszahlung des pfändbaren Monatseinkommens an unseren Leser Schuldbefreiung erreichen. Kommt der Arbeitgeber dieser Verpflichtung nicht nach und wendet auch kein Abtretungsverbot ein, so muss der Gläubiger auf der Grundlage der erfolgten Abtretung Drittschuldnerklage erheben.
Autor: VRiOLG Frank-Michael Goebel
FoVo 3/2021, S. 46 - 47