Leitsatz
Die Zwangsvollstreckung wegen einer titulierten Forderung von etwa 1.400,00 EUR in einen LCD-Farbfernseher im Wege der Austauschpfändung gegen Gestellung eines beliebigen funktionstüchtigen Farbfernsehers stellt keine dem allgemeinen Rechtsgefühl widersprechende Härte dar.
LG Wuppertal17.9.20086 T 599/08
1 Der Fall
Flachbildfernseher gepfändet
Die Gläubigerin betreibt gegen den Schuldner die Zwangsvollstreckung wegen einer titulierten Forderung nebst Zinsen und Kosten. Am 8.4.2008 hat der weitere Beteiligte einen Flachbildfernseher gepfändet. Hiergegen hat sich der Schuldner mit der Vollstreckungserinnerung gewandt. Mit Beschluss vom 15.5.2008 hat das AG den weiteren Beteiligten angewiesen, so lange von einer Pfändung, Abholung und Versteigerung des LCD-Farbfernsehers abzusehen, wie dem Schuldner kein anderer Fernseher als Informationsquelle zur Verfügung stehe. Auf Antrag der Gläubigerin hat der Rechtspfleger bei dem AG angeordnet, dass die Gläubigerin dem Schuldner vor der Wegnahme des gepfändeten Gerätes ein Ersatzgerät, und zwar einen beliebigen funktionstüchtigen Farbfernseher, zur Verfügung zu stellen habe, dass der Wert des zu beschaffenden Ersatzfernsehers auf 50,00 EUR festgesetzt werde und dass dieser Betrag dem Gläubiger aus dem Vollstreckungserlös zu erstatten sei. Dieser Beschluss ist dem Schuldner am 3.6.2008 zugestellt worden.
Schuldner wehrt sich gegen Austauschpfändung
Mit Schriftsatz vom 7.7.2008 hat der Schuldner unter Vorbringen verschiedenster Begründungen um "eine erneute Kontrolle hinsichtlich der Verwertbarkeit des Fernsehers" gebeten. Dem Schriftsatz beigefügt hat er Ablichtungen einer "fachärztliche Stellungnahme (zur Vorlage beim LVR)" einer/eines nicht näher bezeichneten "Ärztin/Arztes", einer Bescheinigung der psychologischen Psychotherapeutin und eines Bescheides des Versorgungsamts betreffend Schwerbehindertenrechtsangelegenheiten. Sein Vorbringen hat er später ergänzt und am selben Tage zu gerichtlichem Protokoll erklärt, seine Schreiben sollten als Antrag auf Gewährung von Vollstreckungsschutz gemäß § 765a ZPO verstanden werden.
Entscheidung ohne Anhörung
Noch am selben Tage hat der Rechtspfleger des AG durch die angefochtene Entscheidung, auf die verwiesen wird, seinen Beschluss vom 28.5.2008 aufgehoben und die Pfändung und Verwertung des gepfändeten Flachbildgerätes gemäß § 765a ZPO für unzulässig erklärt. Gegen diese Entscheidung wendet sich die Gläubigerin mit der rechtzeitig beim AG eingegangenen Rechtsmittelschrift. Sie begehrt die Abänderung der angefochtenen Entscheidung dahin, dass die Pfändung in der Weise zugelassen wird, dass die Gläubigerin dem Schuldner vor Wegnahme des gepfändeten Gerätes ein Ersatzgerät – Farbfernseher – sowie einen Bildschirm für einen Internetzugang zur Verfügung zu stellen hat.
2 Die Entscheidung
Schon das Verfahren ist fehlerhaft …
Das amtsgerichtliche Verfahren ist in erheblichem Maße fehlerhaft. So ist insbesondere der Anspruch der Gläubigerin auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG) verletzt worden, indem der Rechtspfleger des AG den angefochtenen Beschluss noch an dem Tag des Eingangs des schuldnerischen Schriftsatzes und seiner Erklärung, sein Begehren solle als Vollstreckungsschutz gemäß § 765a ZPO verstanden werden, ohne weiteres, insbesondere ohne die gebotene Anhörung der Gläubigerin, erlassen hat. Bemerkenswert fehlerhaft ist auch, dass der Rechtspfleger des AG den Beschluss v. 28.5.2008, der mangels Anfechtung durch den Schuldner in formelle Rechtskraft erwachsen ist, auf bloßen Vollstreckungsschutzantrag des Schuldners hin aufgehoben hat.
… ohne dass es in der Sache besser ist
Auch in der Sache selbst ist die angefochtene Entscheidung fehlerhaft. Der Vollstreckungsschutzantrag des Schuldners ist nicht begründet. Die besonderen Voraussetzungen der Ausnahmevorschrift des § 765a ZPO, auf die allein der Schuldner sein Begehren stützt, liegen nicht vor. Nach dieser Vorschrift kann auf Antrag des Schuldners das Vollstreckungsgericht eine Maßnahme der Zwangsvollstreckung ganz oder teilweise aufheben, untersagen oder einstweilen einstellen, wenn die Maßnahme unter voller Würdigung des Schutzbedürfnisses des Gläubigers wegen ganz besonderer Umstände eine Härte bedeutet, die mit den guten Sitten nicht vereinbar ist. Die Vorschrift erlaubt grundsätzlich nur eine auf konkreten Tatsachen beruhende zeitlich begrenzte Regelung, um den Schuldner aus sozialen Gründen in einem besonderen Härtefall vor einem Eingriff zu schützen, der dem allgemeinen Rechtsgefühl widerspricht.
Ein derartiger Härtefall ist vorliegend nicht gegeben. Es kann schon nicht gesagt werden, dass die Zwangsvollstreckung wegen einer titulierten Forderung von etwa 1.400,00 EUR in einen LCD-Farbfernseher im Wege der Austauschpfändung gegen Gestellung eines beliebigen funktionstüchtigen Farbfernsehers eine dem allgemeinen Rechtsgefühl widersprechende Härte darstellt. Eher ist die Annahme des Gegenteils gerechtfertigt, dass nämlich die Verweigerung der Pfändung und Verwertung eines solchen Flachbild-Fernsehers dem a...