Offene Streitfrage auch in Zukunft
Die von dem OLG Celle aufgezeigte Streitfrage wird weiter offen bleiben, nachdem die Parteien des konkreten Verfahrens von der Möglichkeit der – zugelassenen – Rechtsbeschwerde keinen Gebrauch gemacht haben.
Für die Praxis sollte der Gläubiger der Streitfrage möglichst aus dem Wege gehen, indem er darlegt, welche unterschiedlichen Vollstreckungsmöglichkeiten sich ihm eröffnen.
So kann sich eine gleichzeitige Vollstreckung in der Wohnung des Schuldners sowie in einem Geschäftslokal anbieten, da anderenfalls die Gefahr besteht, dass der Schuldner seine pfändbare bewegliche Habe zwischen diesen beiden Orten so austauscht, dass der Gerichtsvollzieher jeweils keinen Zugriff hat.
Auch kann die Gefahr bestehen, dass der Schuldner pfändbare Forderungen abtritt, wenn er durch den Besuch des Gerichtsvollziehers Kenntnis von dem Beginn der Zwangsvollstreckung erlangt hat.
Es sollte mithin dargelegt werden, dass ein zeitlich gestrecktes Vorgehen die Gefahr mit sich bringt, dass der Schuldner die Vermögensgegenstände, auf die der primäre Zugriff nicht erfolgt, bis zum tatsächlichen Vollstreckungsakt dem Zugriff des Gläubigers entzieht. Damit die konkrete Gefahr der Doppelvollstreckung ausgeräumt wird, muss zugleich dargelegt werden, dass keine der möglichen Pfändungsmaßnahmen für sich allein betrachtet eine vollständige Befriedigung der Vollstreckungsforderung erwarten lässt.
Das sind die Fälle berechtigten Interesses
Rechtsprechung und Literatur nehmen ein berechtigtes Interesse des Gläubigers an einer weiteren vollstreckbaren Ausfertigung insbesondere in folgenden Fällen an:
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die erste vollstreckbare Ausfertigung wurde verloren (OLG Hamm Rpfleger 1979, 431), |
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die erste vollstreckbare Ausfertigung wurde dem Schuldner in der irrtümlichen Annahme der Erfüllung zurückgegeben (Zöller-Stöber, ZPO, 27. Aufl., § 733 Rn 5), |
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der Gläubiger kann darlegen, dass er an mehreren Orten und/oder auf mehrere Arten vollstrecken will (OLG Karlsruhe OLGR 2000, 169). |
Wichtig: Keine Anhörung des Schuldners!
Letztlich sollte der Gläubiger ausdrücklich beantragen, von einer Anhörung des Schuldners abzusehen. Auch die Anhörung gefährdet den Vollstreckungserfolg nachhaltig, insbesondere dann, wenn der Gläubiger zur Darlegung des rechtlichen Interesses an einer weiteren vollstreckbaren Ausfertigung seine Vorgehensweise und seine Absichten offen legt. Der Schuldner ist insoweit auch nicht schutzlos gestellt, da er gegen eine unberechtigte Vollstreckung mit der Erinnerung nach § 766 oder der sofortigen Beschwerde nach § 793 ZPO vorgehen kann. Hat er erfüllt, steht ihm die Vollstreckungsgegenklage nach § 767 ZPO zur Seite. Letztlich kann er einer bewussten Doppelvollstreckung in Schädigungsabsicht oder jedenfalls mit dem Ziel, ein Mehr gegenüber dem titulierten Anspruch zu erlangen, mit einem Schadensersatzanspruch entgegentreten.
Muster: Antrag auf eine weitere vollstreckbare Ausfertigung
An das Amts-/Landgericht in …
In Sachen Gläubiger ./. Schuldner, Az.: …
beantrage ich namens und in Vollmacht des Gläubigers,
1. dem Gläubiger eine weitere vollstreckbare Ausfertigung des Urteils des … vom … Az.: … zum Zwecke der Zwangsvollstreckung gegen den Schuldner zu erteilen.
2. von einer Anhörung des Schuldners abzusehen.
Zur Begründung wird Folgendes ausgeführt: Der Antrag beruht auf § 733 ZPO. Danach kann der Gläubiger eine weitere vollstreckbare Ausfertigung beantragen.
Es kann dahinstehen, ob der Gläubiger in seinem Antrag ein berechtigtes Interesse an der Erteilung der weiteren vollstreckbaren Ausfertigung darlegen muss (so OLG Celle v. 24.11.2008 – 4 W 149/08 = FoVo 2009, 71) oder nicht (so OLG Stuttgart NJW-RR 1990, 126 und OLG Hamm JurBüro 1992, 269), da dem Gläubiger vorliegend ein solches berechtigtes Interesse zur Seite steht:
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Der Gläubiger hat die erste vollstreckbare Ausfertigung verloren, so dass er der weiteren vollstreckbaren Ausfertigung bedarf, um die Zwangsvollstreckung überhaupt betreiben zu können (siehe hierzu OLG Hamm Rpfleger 1979, 431). |
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Die erste vollstreckbare Ausfertigung wurde dem Schuldner in der irrtümlichen Annahme der Erfüllung zurückgegeben (Zöller-Stöber, ZPO, 27. Aufl., § 733 Rn 5). Tatsächlich hat der Schuldner keine Leistung auf die Vollstreckungsforderung erbracht. Soweit er am … eine Zahlung von … geleistet hat, war diese auf … zu rechnen. Zum Nachweis wird auf … verwiesen. |
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Der Gläubiger möchte an mehreren Orten und auf mehrere Arten vollstrecken, was das Bedürfnis für eine weitere vollstreckbare Ausfertigung begründet (OLG Karlsruhe OLGR 2000, 169). Konkret stehen ihm folgende Möglichkeiten offen: … Ohne ein paralleles Vorgehen wird der Vollstreckungserfolg in Frage gestellt, weil der Schuldner die zeitliche Möglichkeit erhält, Vermögenswerte dem Zugriff des Gläubigers zu entziehen, ohne dass dieser dies ermitteln und geeignete Maßnahmen zur Verhinderung oder Rückabwicklung treffen kann. Hinsichtlich keiner der einzelnen Möglichkeiten ist angesichts der Höhe der Vollstreckungsf... |