1. Der Schuldner kann seinen Widerspruch nach § 900 Abs. 4 ZPO auch darauf stützen, dass die Abgabe der eidesstattlichen Versicherung für ihn eine sittenwidrige Härte i.S.v. § 765a Abs. 1 S. 1 ZPO bedeute.
2. Der Umstand, dass dem Schuldner im Falle der Abgabe der eidesstattlichen Versicherung gemäß § 14 Abs. 2 Nr. 7 BRAO der Widerruf seiner Zulassung zur Rechtsanwaltschaft droht, rechtfertigt nicht ohne weiteres die Annahme einer mit den guten Sitten unvereinbaren Härte i.S.v. § 765a Abs. 1 S. 1 ZPO.
BGH, 10.12.2009 – I ZB 36/09
I. Der Fall
Zwangsvollstreckung gegen RA erfolglos
Die Gläubigerin betreibt gegen den als Rechtsanwalt (RA) tätigen Schuldner die Zwangsvollstreckung. Sie erteilte dem Gerichtsvollzieher (GV) einen Zwangsvollstreckungsauftrag verbunden mit dem Antrag auf Abnahme der eidesstattlichen Versicherung. Nachdem der GV den Schuldner mehrfach nicht angetroffen hatte, blieb auch ein weiterer Vollstreckungsversuch erfolglos. Ab Oktober 2007 leistete der Schuldner mehrere Raten in Höhe von jeweils 1.000 EUR an den GV. Die letzte Zahlung erfolgte im Oktober 2008. Zu diesem Zeitpunkt betrug die restliche Forderung der Gläubigerin noch 14.687,97 EUR nebst Zinsen. Da weitere Zahlungen des Schuldners ausblieben, beantragte die Gläubigerin, dem Schuldner die eidesstattliche Versicherung abzunehmen.
Widerspruch gegen Offenbarungspflicht]
Der GV hat daraufhin Termin zur Abgabe der eidesstattlichen Versicherung bestimmt. In diesem Termin hat der Schuldner gemäß § 900 Abs. 4 i.V.m. § 765a ZPO Widerspruch gegen die Verpflichtung zur Abgabe der eidesstattlichen Versicherung erhoben und zugleich Terminsaufhebung beantragt. Zur Begründung hat er geltend gemacht, er habe mit der Gläubigerin eine Ratenzahlungsvereinbarung getroffen. Die Abgabe der eidesstattlichen Versicherung stelle für ihn eine mit den guten Sitten nicht zu vereinbarende Härte dar. Er müsse im Falle der Abgabe der eidesstattlichen Versicherung mit einem Widerruf seiner Zulassung als Rechtsanwalt rechnen. Er werde die noch offene Forderung auch künftig durch Ratenzahlungen erfüllen. Der Widerspruch wurde in zwei Instanzen zurückgewiesen.
II. Die Entscheidung
Die Streitfrage: Ist § 765a ZPO anwendbar und sind die Voraussetzungen erfüllt?
Der BGH bestätigt die Vorinstanzen. Dabei hat er zu prüfen, ob § 765a ZPO anwendbar ist, auf welchen Zeitpunkt abgestellt werden muss und ob zu diesem Zeitpunkt eine gegen die guten Sitten verstoßende besondere Härte vorliegt.
Maßgeblich: Zeitpunkt der Entscheidung
Mit Recht hat das LG die Begründetheit des Widerspruchs des Schuldners gegen die Verpflichtung zur Abgabe der eidesstattlichen Versicherung bezogen auf den Zeitpunkt seiner neu zu treffenden Entscheidung geprüft. Die Beschwerdeinstanz ist eine vollwertige zweite Tatsacheninstanz (§ 571 Abs. 2 ZPO; vgl. BGHZ 169, 17; BGH ZIP 2008, 1034; Musielak/Ball, ZPO, 7. Aufl., § 571 Rn 3; Zöller/Heßler, ZPO, 28. Aufl., § 571 Rn 2). Dementsprechend hat das LG seiner Entscheidung rechtsfehlerfrei zugrunde gelegt, dass der Schuldner über einen Zeitraum von mehr als fünf Monaten keine Raten zur Erfüllung der titulierten Forderung mehr an die Gläubigerin gezahlt hatte.
§ 765a ZPO ist anwendbar, aber eng auszulegen
Das Beschwerdegericht ist rechtsfehlerfrei davon ausgegangen, dass der Schuldner einen Widerspruch nach § 900 Abs. 4 S. 1 ZPO auch darauf stützen kann, dass die Abgabe der eidesstattlichen Versicherung für ihn eine sittenwidrige Härte i.S.v. § 765a Abs. 1 S. 1 ZPO bedeute (vgl. Zöller/Stöber a.a.O. § 900 Rn 22; MünchKommZPO/Eickmann, 3. Aufl., § 900 Rn 22; Prütting/Gehrlein/Olzen, ZPO, § 890 Rn 50). Zutreffend hat das LG auch angenommen, dass § 765a Abs. 1 S. 1 ZPO als Ausnahmevorschrift eng auszulegen ist. Der Gesetzgeber hat mit der restriktiven Fassung der Vorschrift klargestellt, dass nicht jede Vollstreckungsmaßnahme, die für den Schuldner eine unbillige Härte bedeutet, die Anwendung der Härteklausel rechtfertigt. Anwendbar ist die Bestimmung nur dann, wenn im Einzelfall das Vorgehen des Gläubigers nach Abwägung der beiderseitigen Belange zu einem schlechthin untragbaren Ergebnis führt.
Widerruf der Zulassung rechtfertigt den Widerspruch nicht!
Mit Recht hat das Beschwerdegericht angenommen, dass eine besondere Härte i.S.d. § 765a Abs. 1 S. 1 ZPO nicht darin liegt, dass dem Schuldner im Falle der Abgabe der eidesstattlichen Versicherung der Widerruf seiner Zulassung zur Rechtsanwaltschaft droht. Gemäß § 14 Abs. 2 Nr. 7 BRAO ist die Zulassung zur Rechtsanwaltschaft zu widerrufen, wenn der Rechtsanwalt in Vermögensverfall geraten ist, es sei denn, dass die Interessen der Rechtsuchenden dadurch nicht gefährdet sind. Ein Vermögensverfall wird vermutet, wenn der Rechtsanwalt in das vom Vollstreckungsgericht zu führende Verzeichnis (§ 915 ZPO) eingetragen ist.
Widerrufsgrund dient nicht dem Schutz des RA
Die Vorschrift des § 14 Abs. 2 Nr. 7 BRAO dient ausschließlich den Interessen der Rechtsuchenden und nicht denjenigen des vermögenslos gewordenen Rechtsanwalts. Geschützt...