Leitsatz
Die XYZ GmbH i.L. ist berechtigt, durch von ihr beauftragte Inkassounternehmen Forderungen aus Vollstreckungstiteln, die auf die XYZ AG oder die XYZ GmbH als Gläubiger lauten, im Wege der Zwangsvollstreckung durchzusetzen.
LG Mühlhausen, 9.3.2011 – 2 T 34/11
1 I. Der Fall
XYZ GmbH i.L. will trotz Insolvenz vollstrecken
Die Gläubigerin, die XYZ GmbH i.L., beantragte, gegen die Schuldnerin einen Pfändungs- und Überweisungsbeschluss zu erlassen. Das AG wies die Gläubigerin darauf hin, dass über ihr Vermögen das Insolvenzverfahren eröffnet sei, weshalb die Voraussetzungen für eine Zwangsvollstreckung nicht vorlägen. Die Verwaltung und die Antragsbefugnis seien auf den Insolvenzverwalter übergegangen. Die Gläubigerin wies darauf hin, dass sie nach wie vor Inhaberin der Forderung sei, die außerhalb des Insolvenzverfahrens geltend gemacht werde. Sie sei unbelastet vom Insolvenzbeschlag.
Trotz Freigabeerklärung lehnt AG die Vollstreckung ab
Das AG wies den Antrag gleichwohl zurück. Mit Eröffnung des Insolvenzverfahrens sei hinsichtlich der zu vollstreckende Forderung eine Rechtsnachfolge auf den Insolvenzverwalter eingetreten. Es habe deshalb zur Zwangsvollstreckung einer Rechtsnachfolgeklausel nebst erneuter Zustellung gemäß §§ 727, 750 Abs. 2 ZPO bedurft. Eine Freigabe aus der Insolvenzmasse sei nicht nachgewiesen.
Freigabeerklärung und Inkassovollmacht liegen vor …
Hiergegen richtet sich die sofortige Beschwerde der Gläubigerin, mit der sie geltend macht, dass nicht ersichtlich sei, warum die Forderung zur Insolvenzmasse gehöre. Dabei verwies sie auf eine notarielle Beglaubigung der Inkassovollmacht vom 18.5.2010 und auf eine vom Insolvenzverwalter unterzeichnete Freigabeerklärung mit notarieller Beglaubigung der Unterschrift des Insolvenzverwalters vom 5.5.2010.
… trotzdem wird der Beschwerde nicht abgeholfen
Das AG hat der sofortigen Beschwerde gleichwohl nicht abgeholfen, da amtsbekannt sei, dass über das Vermögen der Gläubigerin das Insolvenzverfahren eröffnet und die Gesellschaft aufgelöst worden sei. Die vorgelegten Unterlagen seien allesamt unbestimmt. Ungeachtet dessen müsse die Freigabe aus der Insolvenzmasse durch eine an den Insolvenzschuldner zu richtende einseitige bedürftige Willenserklärung erfolgen.
2 II. Die Entscheidung
LG: Vollstreckungsvoraussetzungen liegen vor
Die zulässige sofortige Beschwerde ist begründet. Entgegen der Auffassung des AG liegen die Voraussetzungen für den Erlass des PfÜB vor, soweit sie im Zwangsvollstreckungsverfahren zu berücksichtigen sind.
Formwechselnde Umwandlung ist keine Rechtsnachfolge
Gläubigerin und Schuldnerin sind identifizierbar. Das AG erwähnt selbst, dass die formwechselnde Umwandelung der Gläubigerin von einer Aktiengesellschaft zur GmbH gerichtsbekannt sei. Dass die Zustellung des Titels erfolgt ist, ist unbestritten. Allerdings vermag die Kammer nicht zu erkennen, warum dem AG bekannt sein soll, dass die Kaufhaus GmbH aufgelöst worden sein soll. Insoweit dürfte es sich in der Abhilfeentscheidung um ein Versehen handeln, zumal dort gleichzeitig ausgeführt wird, dass die Gläubigerin nunmehr unter "GmbH" firmiert.
XYZ GmbH i.L. ist nicht gelöscht und hat Vermögen
Darüber hinaus ergibt sich auch aus den bekannten Umständen nichts zu einer Auflösung der Gläubigerin. So heißt es in § 141a Abs. 1 FGG, eine GmbH, die kein Vermögen besitze, könne von Amts wegen oder auf Antrag auch der Steuerbehörde gelöscht werden. Sie sei von Amts wegen zu löschen, wenn das Insolvenzverfahren über das Vermögen der Gesellschaft durchgeführt worden sei und keine Anhaltspunkte dafür vorlägen, dass die Gesellschaft noch Vermögen besitze. Es ist nicht bekannt, dass das Insolvenzverfahren bereits abgeschlossen wäre. Daneben ergibt sich gerade aus diesem Verfahren, dass der GmbH nach eigenem Vortrag noch Vermögen zusteht.
Hinreichend bestimmte Freigabeerklärung liegt vor
Die hier beizutreibende Forderung ist als eine solche anzusehen, die der Insolvenzverwalter aus der Insolvenzmasse freigegeben hat. Eine Freigabe von Vermögensgegenständen ist auch bei einer Gesellschaft zulässig (BGH Rpfleger 2005, 465). Von der Freigabe wird auch die hier in Rede stehende Forderung gegen die Schuldnerin umfasst. Der Insolvenzverwalter hat insoweit erklärt, dass sich die von der Inkassovollmacht betroffenen Forderungen im freien Vermögen der Kaufhaus GmbH befänden. Das Inkassobüro ist mit der Einziehung der offenen titulierten Forderungen der Gläubigerin, resultierend aus Warenlieferungen, beauftragt wurden. Darüber, ob es sich hier möglicherweise um eine fiduziarische Freigabe handelt und/oder ob der Insolvenzverwalter berechtigt war, so zu verfahren, bedarf hier keiner Entscheidung.
Gläubigerin kennt Freigabeerklärung!
Daran, dass der Insolvenzschuldnerin bekannt gemacht worden ist, dass Forderungen freigegeben worden sind, gibt es anhand der überreichten Unterlagen keine Zweifel. Wenn somit die übrigen Vollstreckungsvoraussetzungen vorliegen, ist der Beschluss wie beantragt zu erlassen.
3 Der Praxistipp
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