Zwischen Überbrückungsgeld und Eigengeld unterscheiden
Der Schuldner muss aus seinen Einkünften zunächst ein Überbrückungsgeld ansparen. Das dient dem Lebensunterhalt nach der Entlassung aus dem Strafvollzug. Es soll nach § 51 Abs. 1 StVollzG für einen überschaubaren Zeitraum von vier Wochen vermeiden, dass der Schuldner in eine finanzielle Notlage gerät und sich daraus ggfs. neue kriminelle Energie entwickelt. Das Überbrückungsgeld ist nach § 51 Abs. 4 S. 1 StVollzG grundsätzlich unpfändbar.
Bezüge des Gefangenen, die nicht als Hausgeld, Haftkostenbeitrag, Unterhaltsbeitrag oder Überbrückungsgeld in Anspruch genommen werden, sind ihm nach § 52 StVollzG zum Eigengeld gutzuschreiben. Das Eigengeld ist nach der Grundsatzentscheidung des BGH vom 20.6.2013 (IX ZB 50/12, NJW 2013, 3312) grundsätzlich pfändbar.
Der Pfändungsschutz für das Eigengeld
Wie das OLG Koblenz in einem ausführlichen Beschluss vom 18.4.2017 (2 Ws 629/16) festgestellt hat, ist in Rechtsprechung und Literatur bereits seit Längerem anerkannt, dass der sich aus § 850c ZPO ergebende Schutz von Arbeitseinkommen gegenüber dem Vollstreckungszugriff auf das einem Strafgefangenen zur Verfügung stehende Eigengeld keine Anwendung findet (BGH, 16.7.2004 – IXa ZB 287/03; BGH, 20.6.2013 – IX ZB 50/12; BGH, 1.7.2015 – VII ZB 240/14; BFH, 16.12.2003 – VII R 24/02; OLG Koblenz, 9.9.2015 – 2 Ws 103/15 [Vollz]; OLG Frankfurt, 5.8.2011 – 3 Ws 13/11; Viefhues, in: jurisPK-BGB, 8. Aufl., § 1603 Rn 887; Heyer, NZI 2010, 81, 83; Ahrens, NJW-Spezial 2011, 725; Nestler, in: LNNV, Strafvollzugsgesetze, 12. Aufl., F Rn 196; Becker, in: Musielak/Voit, ZPO, 14. Aufl., § 850 Rn 8; einschränkend Galli, in: Feest/Lesting/Lindemann, Strafvollzugsgesetze, 7. Aufl., II § 56 Rn 12; dagegen ohne nähere Begründung Hirte, in: Uhlenbruck, InsO, 14. Aufl. 2015, § 36 Rn 4).
Hinweis
Nach Auffassung des OLG bleibt dafür unerheblich, ob auf das Eigengeld im Wege der Pfändung, der Abtretung oder der Aufrechnung zugegriffen wird (vgl. hierzu OLG Zweibrücken, 12.7.2004 – 1 Ws 259/04; OLG Koblenz, 9.9.2015 – 2 Ws 103/15 [Vollz]).
Der Strafgefangene ist gut versorgt
Den Entscheidungen liegt die gemeinsame Erkenntnis zugrunde, dass einem Strafgefangenen in den Vollzugsanstalten eine der Befriedigung der Grundbedürfnisse, die Anlass der allgemeinen Schuldnerschutzvorschriften des Zwangsvollstreckungsrechts sind, dienende Versorgung zukomme. Es sei deshalb nicht erforderlich, zusätzlich auch das ihm zur freien Verfügung zustehende Eigengeld von der Pfändung auszunehmen.
Nichts anderes gilt bei Renteneinkünften
Ist also kein Pfändungsschutz nach § 850c ZPO wie bei Arbeitseinkommen oder bei § 850k ZPO wie bei Kontoverbindungen zu gewähren, stellt sich bei Renteneinkünften die Frage, ob die Grundsituation nach § 850b ZPO abweichend zu beurteilen ist.
Zumindest das OLG Koblenz (18.4.2017 – 2 Ws 629/16), das OLG Hamburg (7.12.2010 – 3 Vollz (Ws) 72/10) und das OLG Zweibrücken (12.7.2004 – 1 Ws 259/04) haben dies verneint. Die Erwägungen zu §§ 850c und 850k ZPO ließen sich auf § 850b ZPO, der Rentenzahlungen von dem Gläubigerzugriff ausnimmt, übertragen, der deshalb auf den inhaftierten Schuldner ebenfalls nicht zur Anwendung kommen könne.
Ob sich das Eigengeld aus einer Rente oder aus dem Arbeitslohn speist, ist also ohne Bedeutung. Entscheidendes materielles Kriterium ist allein die Tatsache, dass der inhaftierte Schuldner hiervon nichts für seine Grundversorgung aufzuwenden hat; sein Grundbedarf ist bereits ohne Rückgriff auf das Eigengeld gedeckt. In dem Umfang, in dem der Gefangene die Gelder nicht zur unmittelbaren Deckung seines Lebensunterhalts benötigt, sondern sie ihm zur Befriedigung sonstiger privater Bedürfnisse zur Verfügung stehen, müssen Gläubiger auch hierauf zugreifen dürfen, da er anderenfalls gegenüber einem sich in Freiheit befindenden Schuldner ungerechtfertigt privilegiert würde.
Fazit: Pfändung dringt durch
Die Frage des Lesers ist also dahin zu beantworten, dass der Schuldner mit seinen Einwendungen nicht durchdringen kann, sondern die Pfändung in vollem Umfang dulden muss.
Autor: VRiOLG Frank-Michael Goebel
FoVo 4/2019, S. 64 - 65