I. Die Frage aus der FoVo-Sprechstunde
Räumungsvollstreckung mit Hindernissen
Unsere Leserin hat folgenden Fall unterbreitet: "Unser Mandant hatte einen Räumungstitel betreffend ein als Gewerbe (Büros) genutztes Haus nebst Grundstück und ließ das Haus im Rahmen einer Berliner Räumung räumen. Dummerweise stehen auf dem Grundstück unendlich viele Gegenstände: von einem alten Auto über einen Bagger bis hin zu Betonplatten und, und, und …"
Verwahren und Lagern kostet Geld
Um einen Teil des Grundstücks für den neuen Mieter nutzen zu können, hat der Mandant dann die Gegenstände von einer Ecke des Grundstücks in eine andere Ecke geräumt bzw. räumen lassen. Dann kamen wir ins Spiel: Wir sollten jetzt die Kosten der Räumung (eigene Kosten und Sondermüllentsorgungskosten) nach § 788 ZPO geltend machen. Der Anwalt des Schuldners argumentiert, dass Räumung eben Räumung und nicht Umräumung von einer Ecke in die andere bedeuten würde und der Antrag daher zurückzuweisen sei. Da außerdem noch Unstimmigkeiten bei den vorgelegten Rechnungen auftraten, haben wir den Antrag nach § 788 ZPO wieder zurückgenommen.
Zu viel ist zu viel … der nächste Schritt zum Verwerten
Jetzt möchte der Mandant die verwertbaren Gegenstände, die noch auf dem Grundstück stehen, verwerten lasen. Wir stellen uns nun die Frage, wer dafür zuständig ist: der Gerichtsvollzieher oder der Mandant? Der örtlich zuständige Gerichtsvollzieher ist der Ansicht, dass der Mandant zuständig sei, da er das Vermieterpfandrecht geltend gemacht habe. Deshalb gehörten die Gegenstände ihm und er könne damit machen, was er wolle. Ein anderer Gerichtsvollzieher war der Auffassung, es könnte ein Auktionator beauftragt werden. Über die Räumungskosten hinaus besteht derzeit keine titulierte Forderung. Über weitergehende Forderungen ist noch ein Rechtsstreit anhängig ist. Darf jetzt tatsächlich nur versteigert oder – falls sich kein Bieter meldet – entsorgt werden?“
II. Die Lösung
Was bedeutet Berliner Räumung?
Ist das Mietverhältnis gekündigt, muss der Vermieter – insbesondere bei einer Kündigung wegen Zahlungsverzuges – seinen Räumungsanspruch schnell rechtshängig machen und titulieren. Ist der Räumungsanspruch sodann tituliert, bietet die sogenannte Berliner Räumung dem Gläubiger ein komfortables Vorgehen in der Zwangsvollstreckung.
Diese zunächst nur von der Rechtsprechung entwickelte zulässige Vorgehensweise hat der Gesetzgeber mit dem zum 1.5.2013 in Kraft getretenen § 885a ZPO gesetzlich ausgeformt.
Beschränkter Räumungsauftrag
Nach § 885a Abs. 1 ZPO kann der Räumungsauftrag nach § 885 ZPO auf dessen Abs. 1 ZPO beschränkt werden, d.h. auf den Antrag, den Schuldner aus dem und den Gläubiger in den Besitz zu setzen, so dass alle in den zu räumenden Räumen befindlichen Sachen, gleich ob diese dem Schuldner gehören oder einem Dritten, dort verbleiben.
Hinweis
Das Gesetz selbst sieht nur ein Alles-oder-Nichts zwischen der gewöhnlichen Herausgabevollstreckung nach § 885 ZPO und der beschränkten Vollstreckung nach § 885a ZPO vor. § 885a ZPO ermöglicht es dem Vollstreckungsgläubiger nicht, den Vollstreckungsauftrag dahingehend zu modifizieren, dass nur einzelne in der Wohnung befindliche bewegliche Sachen nach Maßgabe der § 885 Abs. 2–5 ZPO durch den Gerichtsvollzieher wegzuschaffen und zu verwahren sind, während andere nach § 885a ZPO von der Vollstreckung ausgenommen werden (Gruber, in: MüKo-ZPO, 6. Aufl. 2020, § 885a Rn 10 m.w.N.).
Diese gesetzliche Möglichkeit prozessualer Natur ist von der Geltendmachung des Vermieterpfandrechts nach § 562 BGB als materiell-rechtliche Option zu unterscheiden (vgl. Gruber, in: MüKo-ZPO, 6. Aufl. 2020, § 885a Rn 8). Um Nachteile bei diesem Vorgehen zu vermeiden, sollte das Vermieterpfandrecht stets nur nachrangig ausgeübt werden, wenn der Schuldner sein bewegliches Vermögen vor Ablauf eines Monats nach der Räumung abfordert.
Hinweis
Wird das Vermieterpfandrecht geltend gemacht, richten sich Rechte und Pflichten des Gläubigers nicht nach § 885a Abs. 3, 4 ZPO, sondern nach den §§ 1204 ff., 1257 BGB. Der Vermieter hat die in der Wohnung verbliebenen oder weggeschafften Sachen zu verwahren bzw. auf Verlangen des Schuldners die dem Vermieterpfandrecht nicht unterliegenden Sachen herauszugeben. Kommt er diesen Pflichten nicht nach, kann er sich schadensersatzpflichtig machen. Zudem kann der Schuldner auf Herausgabe der unpfändbaren beweglichen Sachen klagen und zur einstweiligen Regelung der Besitzverhältnisse vorläufigen Rechtsschutz in Anspruch nehmen. Unzulässig ist die "Berliner Räumung" – auf Antrag aber nicht die nach § 885a ZPO –, wenn unstreitig überhaupt kein Vermieterpfandrecht besteht (Musielak/Voit/Lackmann, ZPO, 18. Aufl. 2021, § 885a Rn 13). Anders als die Verwertung nach § 885a Abs. 3, 4 ZPO setzt das Vermieterpfandrecht eine fällige Forderung des Vermieters voraus und erfolgt sodann nach §§ 1233, 1235 BGB.
Der Vorteil des beschränkten Räumungsauftrages
Teure Verbringungs- und Lagerkosten, die der Gläubiger sonst zumindest als Vorschuss nach § 4 GvKostG i.V.m. Nrn. 240, 420, 704, 707, 709, 711, 716 KV...