Leitsatz
Für den elektronisch einzureichenden Vollstreckungsantrag der Vollstreckungsbehörde nach § 322 Abs. 3 AO, der über das besondere elektronische Behördenpostfach übermittelt worden ist, genügt die einfache Signatur der verantwortenden Person. Eines Dienstsiegels bedarf es nicht.
BGH, Beschl. v. 28.9.2023 – V ZB 16/23
1 Der Fall
Auf Antrag der Beteiligten zu 1 hat das AG die Zwangsversteigerung des Grundbesitzes des Schuldners angeordnet und den Beitritt der Beteiligten zu 2 zugelassen. Die Beteiligte zu 3, die Bundesrepublik Deutschland, vertreten durch das Hauptzollamt (nachfolgend: Hauptzollamt), hat dann über das besondere elektronische Behördenpostfach (eBO) einen Antrag nach § 322 Abs. 3 AO auf Zulassung des Beitritts als einfach elektronisch signiertes Dokument an das elektronische Gerichts- und Verwaltungspostfach (EGVP) des AG übermittelt.
Der Aufforderung, den Antrag in Papierform oder elektronisch mit qualifizierter Signatur zu übersenden, ist das Hauptzollamt nicht nachgekommen. Daraufhin hat das AG den Antrag auf Zulassung des Beitritts zurückgewiesen. Die hiergegen gerichtete sofortige Beschwerde hat keinen Erfolg gehabt. Mit der zugelassenen Rechtsbeschwerde verfolgt das Hauptzollamt seinen Antrag weiter.
2 II. Die Entscheidung zusammengefasst
Entgegen der Ansicht des LG bedurfte der über das besondere Behördenpostfach elektronisch übermittelte Antrag des Hauptzollamts auf Zulassung des Beitritts zu dem Zwangsversteigerungsverfahren (§§ 15, 27 ZVG) weder einer qualifizierten Signatur noch eines Dienstsiegels.
Verwaltungsvollstreckung über die AO nach ZPO und ZVG
Die Finanzbehörden können Verwaltungsakte, mit denen eine Geldleistung, eine sonstige Handlung, eine Duldung oder Unterlassung gefordert wird, im Verwaltungsweg vollstrecken (§ 249 Abs. 1 S. 1 AO). Für die Zwangsvollstreckung in das unbewegliche Vermögen verweist § 5 VwVG auf die Vorschriften in §§ 77 Abs. 2, 322, 323 AO. Nach § 322 Abs. 1 S. 2 AO sind auf die Vollstreckung in das unbewegliche Vermögen des Schuldners die für die gerichtliche Zwangsvollstreckung geltenden Vorschriften, namentlich die §§ 864 bis 871 ZPO und das Zwangsversteigerungsgesetz, anzuwenden. Der auf die Anordnung eines Zwangsversteigerungsverfahrens (§ 15 ZVG) oder einen Beitritt (§ 27 ZVG) bezogene Antrag fällt in den Verantwortungsbereich der Vollstreckungsbehörde (§§ 322 Abs. 3 S. 1, 249 Abs. 1 S. 3 AO; BGH WM 2021, 1800; BFHE 152, 53, 56).
Sie hat hierbei zu bestätigen, dass die Voraussetzungen für die Vollstreckung vorliegen (§ 322 Abs. 3 S. 2 AO). Ob dies zutrifft, darf nicht durch das Vollstreckungsgericht nachgeprüft werden (§ 322 Abs. 3 S. 3 AO). Die Maßnahmen, die zur Durchführung der Zwangsversteigerung eines Grundstücks getroffen werden müssen, bestimmen sich nach dem Zwangsversteigerungsgesetz.
Elektronische Übermittlung des Antrags auf Beitritt ist zwingend
Nach der grundsätzlich auch im Zwangsversteigerungsverfahren anwendbaren Zivilprozessordnung (§ 869 ZPO) muss die Vollstreckungsbehörde den Antrag gemäß §§ 15, 16, 27 ZVG auf Anordnung des Zwangsversteigerungsverfahrens bzw. auf Zulassung des Beitritts als elektronisches Dokument übermitteln (§ 130d ZPO).
Nach § 130a Abs. 3 S. 1 ZPO muss das elektronische Dokument mit einer qualifizierten elektronischen Signatur der verantwortenden Person versehen sein oder von der verantwortenden Person signiert und auf einem sicheren Übermittlungsweg eingereicht werden. Zu den sicheren Übermittlungswegen gehört nach § 130a Abs. 4 S. 1 Nr. 3 ZPO der Übermittlungsweg zwischen einem nach Durchführung eines Identifizierungsverfahrens eingerichteten Postfach einer Behörde und der elektronischen Poststelle des Gerichts.
§ 130a ZPO gilt auch für die Verwaltungsvollstreckung
Anders als das LG meint, legt § 130a ZPO die formellen Anforderungen an den Vollstreckungsantrag der Vollstreckungsbehörde nach § 322 Abs. 3 AO abschließend fest.
Das LG stützt sich für seine Beurteilung auf den Beschluss des BGH vom 18.12.2014 (I ZB 27/14, WM 2015, 1117) zu §§ 6, 7 JBeitrO a.F. (§§ 6, 7 JBeitrG). Ob diese Rechtsprechung auf einen Vollstreckungsantrag nach § 322 Abs. 3 AO überhaupt übertragbar ist, lässt sich im Hinblick auf die in § 322 Abs. 3 S. 3 AO getroffene Regelung bezweifeln; es handelt sich nämlich nicht um einen titelersetzenden Vollstreckungsantrag (vgl. BGH, 15.7.2021 – V ZB 130/19, WM 2021, 1800).
LG lässt Rechtsänderung unberücksichtigt
Das kann aber dahinstehen, weil sich selbst für das Justizbeitreibungsgesetz die Anforderungen an den (dort titelersetzenden) Vollstreckungsantrag zwischenzeitlich geändert haben. Der BGH hat entschieden, dass die zuvor geltenden Anforderungen an einen in Papierform eingereichten titelersetzenden Vollstreckungsantrag auf einen elektronisch eingereichten Vollstreckungsantrag, der den Vorschriften über die Zwangsvollstreckung in bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten unterliegt, nicht übertragen werden können. Nimmt das Verfahrensrecht auf die Vorschrift des § 130a ZPO Bezug, ergeben sich daraus die Anforderungen an die Übermittlung des titelergänzenden Voll...