Für die Erinnerung gegen Vollstreckungsmaßnahmen fällt keine gesonderte Gebühr nach RVG VV Nr. 3500 an.

BGH, 28.1.2010 – VII ZB 74/09

I. Der Fall

Erinnerung gegen PfÜB der Gläubigerin erfolglos

Die Gläubigerin hat gegen den Schuldner einen Pfändungs- und Überweisungsbeschluss wegen Unterhaltsrückständen und laufendem Unterhalt erwirkt. Hiergegen hat sich der Schuldner erfolglos mit der Erinnerung gewandt, so dass das AG ihm die Kosten des Verfahrens auferlegt hat.

Der Streit: Gläubigerin begehrt 0,5-Verfahrensgebühr

Die Gläubigerin verlangt nun die Festsetzung einer Verfahrensgebühr in Höhe von 408,17 EUR für das Verfahren der Erinnerung. Den Antrag der Gläubigerin auf Festsetzung einer 0,5-Verfahrensgebühr nach RVG VV Nr. 3500 hat das AG zurückgewiesen. Die hiergegen gerichtete sofortige Beschwerde der Gläubigerin ist ohne Erfolg geblieben. Mit der vom LG zugelassenen Rechtsbeschwerde verfolgt die Gläubigerin ihr Begehren weiter.

II. Die Entscheidung

Entscheidung zu Lasten des Gäubigers

Der BGH (NJW-RR 2005, 78) hat unter der Geltung von § 57 Abs. 1 Satz 1 BRAGO entschieden, dass in der Zwangsvollstreckung durch die 3/10-Gebühr die gesamte Tätigkeit des Rechtsanwalts abgegolten wird, sofern sie dieselbe Angelegenheit betrifft. In der Zwangsvollstreckung gilt jede Vollstreckungsmaßnahme zusammen mit den durch sie vorbereiteten Vollstreckungshandlungen bis zur Befriedigung des Gläubigers als eine Angelegenheit. Zu der jeweiligen Vollstreckungsmaßnahme gehört auf Seiten des Schuldners die Erinnerung, mit der er sich gegen die Art und Weise der Zwangsvollstreckung wendet.

Abgeleitet aus der Gesetzeshistorie

Der Gesetzgeber hat in Art. 20 des hier maßgebenden Zweiten Justizmodernisierungsgesetzes vom 22.12.2006 (BGBl I 2006, 3614) das RVG in § 19 Abs. 2 dahingehend geändert, dass als Nr. 2 eingefügt wurde: „... die Erinnerung nach § 766 der Zivilprozessordnung …“. Er hat dies damit begründet (BR-Drucks 550/06, S. 118), dass die Tätigkeit im Verfahren über die Erinnerung nach § 766 ZPO zum Rechtszug gehöre und keine besondere Gebühr auslöse. Dies sei im Entwurf des Kostenrechtsmodernisierungsgesetzes vom 5.5.2005 ausweislich der Begründung zu Art. 3 Nr. 3500 des Vergütungsverzeichnisses zum RVG (BT-Drucks 15/1971, S. 218) nicht bedacht worden. Daher solle nunmehr ausdrücklich geregelt werden, dass die Vollstreckungserinnerung zur Vollstreckungsangelegenheit gehöre.

Gesetzgeberischer Wille ist eindeutig

Auf der Basis dieses eindeutigen gesetzgeberischen Willens kommt ein anderes Verständnis der Vorschrift nicht in Betracht. Die Literatur (Gerold/Schmidt-Müller-Rabe, RVG, 18. Aufl., VV 3309, Rn 61 und VV 3500 Rn 15; Bischof, in: Bischof, RVG, 3. Aufl., § 19 Rn 70a; Hansens, RVGreport 2009, 128 f.; a.A. ohne Begründung, Hartmann, Kostengesetze, 30. Aufl., RVG, § 19 Rn 51 und 53) geht daher zu Recht davon aus, dass es bei Erinnerungen gegen eine Vollstreckungsmaßnahme des Rechtspflegers oder Gerichtsvollziehers bei einer Angelegenheit der angegriffenen Maßnahme verbleibt. Entgegen der Ansicht der Rechtsbeschwerde steht der Wortlaut der §§ 15, 18, 19 RVG einer Auslegung der Vorschrift mit diesem Inhalt nicht entgegen. § 19 Abs. 2 Nr. 2 RVG stellt vielmehr klar, dass die Erinnerung zu den Vollstreckungsmaßnahmen nach § 18 Nr. 3 und 4 RVG gehört und § 18 Nr. 5 RVG insoweit nicht anwendbar ist. Das LG ist daher zu Recht davon ausgegangen, dass die Gläubigerin für das Erinnerungsverfahren keine Gebühr nach RVG VV Nr. 3500 verlangen kann.

III. Der Praxistipp

Gebühren kaum auskömmlich

Der gesetzgeberische Wille ist nach Ansicht des BGH eindeutig. An dem Umstand, dass die 0,3-Verfahrensgebühr für eine Vollstreckungsmaßnahme bei kleineren und mittleren Streitwerten mit Rechtsmittelverfahren nicht auskömmlich ist, ändert dies nichts. Der Gläubiger darf sich deshalb kaum wundern, dass der Bevollmächtigte sich häufig nicht veranlasst sieht, viel Kraft und Energie in die Zwangsvollstreckung zu stecken, und von der Durchführung von Rechtsmittelverfahren meist abrät.

Das sind Ihre Alternativen

Der Bevollmächtigte selbst kann sich nur durch eine Gebührenvereinbarung in die Auskömmlichkeit retten. In vielen Fällen wird eine solche Maßnahme allerdings am Markt nicht durchsetzbar sein. Ein sinnvolles Geschäftsmodell kann es deshalb sein, für die Zwangsvollstreckung mit einem registrierten Inkassounternehmen nach § 10 Abs. 1 RDG zu kooperieren und nach der Titulierung der Forderung einen Bearbeiterwechsel vorzunehmen und dies dem Mandanten auch ausdrücklich vorzuschlagen. Hier sieht er seine Forderung in spezialisierten Händen. Aufgrund der hohen Zahl zu vollstreckender Forderungen und einer damit häufig einhergehenden Automatisierung, aber auch aufgrund von spezialisiert ausgebildeten Mitarbeitern, die nicht die gesamte Breite des Angebotes eines Rechtsanwaltes darstellen müssen, lassen sich hier Synergieeffekte erzielen, die das niedrige Gebührenaufkommen noch wirtschaftlich erscheinen lassen. Der Mandant hat hier auch unterschiedliche Möglichkeiten. E...

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