Leitsatz
Die Immunität i.S.d. Art. 31 Abs. 1 WÜD hindert einen Diplomaten nicht, als Antragsteller oder Kläger gerichtlichen Rechtsschutz vor den Gerichten des Empfangsstaates in Anspruch zu nehmen. Sie steht deswegen einer Anerkennung des ausländischen Scheidungsurteils in einem von ihm eingeleiteten Verfahren nach §§ 107, 109 FamFG nicht entgegen.
BGH, 30.3.2011 – XII ZB 300/10
1 I. Der Fall
Deutsch-italienische Ehescheidung in Albanien …
Der Fall betraf einen deutschen Diplomaten und eine italienische Staatsangehörige, die zur gleichen Zeit im Ausland tätig waren, dort heirateten und sich dann anlässlich ihrer Tätigkeit in Albanien nach dortigem Recht haben scheiden lassen. Ein Immunitätsverzicht für das Verfahren in Albanien wurde seitens der Bundesrepublik Deutschland ausdrücklich nicht erklärt.
… die in Berlin nicht anerkannt wird
Die Senatsverwaltung für Justiz in Berlin hat den Antrag des Antragstellers auf Anerkennung des Scheidungsurteils in Deutschland abgelehnt. Das Kammergericht (KG) hat die Entscheidung abgeändert.
2 II. Die Entscheidung
Immunität hindert Anerkennung nicht
Zutreffend ist das KG davon ausgegangen, dass die Immunität des Antragstellers die Anerkennung der albanischen Ehescheidung in Deutschland nicht hindert. Zwar steht das Völkerrecht der Anerkennung einer ausländischen Entscheidung in Deutschland gemäß § 107 FamFG entgegen, wenn der Entscheidungsstaat diplomatische Immunitäten missachtet hat. Vorliegend musste das Gericht in Albanien die Immunität des Antragstellers aber nicht berücksichtigen. Gemäß Art. 31 Abs. 1 S. 2 WÜD genießt der Diplomat grundsätzlich Immunität von der Zivilgerichtsbarkeit des Empfangsstaats. In Albanien ist das WÜD am 9.3.1988 in Kraft getreten (BGBl II 1988 S. 516).
Zweck der Immunität beachten
Immunität ist Diplomaten nicht in ihrem persönlichen Interesse zuerkannt, sondern soll der Repräsentanz des fremden Staates dienen und die internationalen Beziehungen erleichtern und vor allem schützen. Zur ungestörten Wahrnehmung seiner Aufgaben, wie sie sich aus Art. 3 WÜD ergeben, ist es notwendig, dass der Diplomat frei und unbeeinflusst im Empfangsstaat arbeiten und frei mit dem Entsendestaat kommunizieren kann. Die Immunität dient somit nicht dem Zweck einzelner geschützter Personen. Auch aus diesem Verständnis von Immunität kann keine generelle Kontrollbefugnis des Entsendestaats hergeleitet werden.
Immunität hindert Aktivprozess nicht
Die Immunität hindert den Diplomaten indessen nicht, als Antragsteller oder Kläger gerichtlichen Rechtsschutz vor den Gerichten des Empfangsstaates in Anspruch zu nehmen. Sowohl nach dem Wortlaut des Art. 31 Abs. 1 S. 2 WÜD, wonach dem Diplomaten Immunität "von" der Zivilgerichtsbarkeit des Empfangsstaats zusteht, als auch nach dem Sinn und Zweck der diplomatischen Immunität im Völkerrecht erstreckt sich diese nicht auf Verfahren, in denen er selbst Gerichtsschutz begehrt. Es handelt sich dabei gerade nicht um gegen ihn gerichtete Maßnahmen, vor denen er aufgrund seiner Position besonders geschützt werden muss bzw. die ihn in der freien, unbeeinflussten Arbeit im Empfangsstaat hindern. Die Immunität greift also nicht, soweit der die Immunität Genießende selbst Klagen vor den Gerichten des Empfangsstaates erhebt bzw. Verfahren anstrengt.
3 Der Praxistipp
Wichtig: Internationales Recht
Der Fall zeigt, dass bei der Vollstreckung mit Auslandsberührung nicht lediglich auf die nationalen Vollstreckungsvorschriften abgestellt werden darf. Vielmehr müssen auch internationale Rechtsvorschriften, Verträge und Übereinkommen in den Blick genommen werden. Ggfs. Ist auch zu erwägen, dass insgesamt ausländischen Recht einschlägig ist.
Haftungsrisiken nicht aus dem Auge verlieren
Der Rechtsdienstleister kann sich hier nicht unerheblichen Haftungsrisiken aussetzen, was es ratsam erscheinen lassen kann, einen Spezialisten für internationales Recht heranzuziehen, diesem einzelne Vertretungen in Untervollmacht zu erteilen oder sich aber ein Gutachten über das anzuwendende Recht fertigen zu lassen. Wird ein solches Gutachten bei Gericht vorgelegt oder insgesamt der Richter beim Gang durch das internationale Recht an die Hand genommen, zeigen sich zumindest die Instanzgerichte dankbar und folgen dem uneingeschränkt.