Leitsatz
Weist der Gerichtsvollzieher (GV) den Schuldner schriftlich auf die Möglichkeit der gütlichen Erledigung der Vollstreckungssache hin, kann dieses Schreiben aber dem unbekannt verzogenen Schuldner nicht zugestellt werden, entsteht keine Gebühr nach Nr. 208 KV GvKostG für den Versuch einer gütlichen Erledigung.
OLG Hamm, Beschl. v. 19.3.2019 – 25 W 66/19
1 I. Der Fall
GV will Gebühr für gütliche Erledigung
Die Beteiligten streiten um den Ansatz einer Gebühr für den Versuch einer gütlichen Erledigung gem. Ziff. 207, 208 KV GvKostG.
Nachdem die Gläubigerin den Obergerichtsvollzieher (OGV) mit der Abnahme der Vermögensauskunft beauftragt hatte, übersandte dieser ein Schreiben an den Schuldner mit einer Ladung zum Zwecke der Vermögensauskunft, in dem er u.a. darauf hinwies:
"Sie sollten in Ihrem eigenen Interesse – auch wenn Sie die Forderung nicht vollständig begleichen können – den Termin wahrnehmen, da ich Ihnen eine Ratenzahlung bewilligen kann, sofern Sie im Termin glaubhaft darlegen, dass Sie die Forderung innerhalb eines Zeitrahmens von 1 Jahr vollständig tilgen können."
Angebot der gütlichen Einigung wurde nicht zugestellt
Dieses Schreiben konnte dem Schuldner nicht zugestellt werden, weil er unbekannt verzogen war.
Auf die Erinnerung der Gläubigerin gegen die vom OGV bei der Abrechnung seiner Tätigkeit berücksichtigten Kosten für den Versuch einer Erledigung gem. Ziff. 207, 208 KV GvKostG in Höhe von 9,60 EUR (einschließlich anteiliger Pauschale gem. Ziff. 716 KV GvKostG) wies das AG den OGV an, eine berichtigte Kostenrechnung ohne die vorgenannten Kosten zu erstellen, weil dieser für die Annahme des Versuchs einer gütlichen Erledigung erkennbare und nachweisbare Bemühungen zur gütlichen Erledigung unternommen haben müsste, die den Schuldner auch erreicht haben müssten. Das Angebot einer gütlichen Erledigung müsse dem Schuldner wie eine Willenserklärung zumindest zugehen, d.h. in seinen Machtbereich gelangen. Nur dann habe der Schuldner überhaupt die Möglichkeit, auf den Versuch der gütlichen Erledigung zu reagieren.
LG verlangt einen tauglichen Versuch zur gütlichen Erledigung
Das LG hat die Beschwerde unter Zulassung der weiteren Beschwerde zurückgewiesen. Erforderlich für den Anfall der Gebühr sei ein Zugang des Versuchs der gütlichen Erledigung. Dem tritt der Bezirksrevisor mit der weiteren Beschwerde entgegen. Erforderlich sei nur, dass der GV alles Notwendige veranlasst habe (Verweis auf LG Münster, 28.12.2018 – 5 T 639/18).
2 II. Die Entscheidung
OLG verneint die Voraussetzungen der Gebühr
Die nach § 5 Abs. 2 S. 2 GvKostG i.V.m. § 66 Abs. 4 S. 1 GKG statthafte und zulässige weitere Beschwerde ist unbegründet.
Zur Begründung und zur Vermeidung von Wiederholungen wird zunächst auf die insgesamt zutreffenden Ausführungen des AG und des LG in den angefochtenen Entscheidungen verwiesen, denen der Senat sich nach eigener Prüfung und Überzeugung insgesamt anschließt (so auch Winterstein, GvKostG, 27. ErgL 2018, Teil 2 KV 207, 208 Ziff. 2.i); Kindl/Meller-Hannich/Wolf-Kessel, ZwVRecht, 3. Aufl. 2015, Nr. 207 KV GvKostG Rn 15; a.A. LG Münster, 28.12.2018 – 5 T 639/18; LG Osnabrück, 17.7.2018 – 1 T 291/18; LG Stuttgart DGVZ 2018, 50; BeckOK-Herrfurth, Kostenrecht, GvKostG Nr. 208 Rn 20; vgl. auch LG Wuppertal DGVZ 2018, 260).
Keine Nichterledigungsgebühr
Darüber hinaus ist zu berücksichtigen, dass grundsätzlich die Gebühren des Abschnitts 6 des KV GvKostG erhoben werden können, wenn der Schuldner unbekannt verzogen ist (Schneider/Volpert/Fölsch-Kessel, Gesamtes Kostenrecht, 2. Aufl. 2017, Ziff. 600–604 KV GvKostG Rn 3; so auch LG Stuttgart DGVZ 2018, 50). Dementsprechend kann der Gerichtsvollzieher bei isolierter Beauftragung des Versuchs einer gütlichen Erledigung für den Fall, dass der Schuldner unbekannt verzogen ist, eine Gebühr nach Ziff. 604, 207 KV GvKostG in Höhe von 15,00 EUR abrechnen.
Das gilt jedoch nicht für den Versuch einer gütlichen Erledigung neben einer Maßnahme nach § 802a Abs. 2 S. 1 Nr. 2 oder Nr. 4 ZPO, denn Ziff. 604 KV GvKostG verweist ausdrücklich nicht auf Ziff. 208 KV GvKostG.
Allein der Versuch ist nicht genug …
Dies ist aber nicht damit zu begründen, dass dieser Verweis nicht erforderlich wäre, weil eine Gebühr nach Ziff. 208 KV GvKostG bereits und immer dann entsteht, wenn der Gerichtsvollzieher alles aus seiner Sicht Notwendige für den Versuch einer gütlichen Erledigung geleistet hat – hier das Abfassen des Schreibens an den Schuldner, welches den Hinweis auf die Möglichkeit einer Ratenzahlungsbewilligung enthält –, unabhängig davon, ob dieser Hinweis den Schuldner überhaupt erreicht oder erreichen kann. Entsprechendes müsste dann ja auch für Ziff. 207 KV GvKostG gelten.
… sondern er muss auch erfolgreich sein können
Vielmehr ergibt sich aus der Begründung zur Beschlussempfehlung zum Entwurf des Gesetzes zur Durchführung der Verordnung (EU) Nr. 655/2014 sowie zur Änderung sonstiger zivilprozessualer, grundbuchrechtlicher und vermögensrechtlicher Vorschriften und zur Änderung der Justizbeitreibungsordnung (EuKoPfVODG; BT-Drucks 18/96...