Leitsatz
Gegen einen mitwirkungsbereiten Dritten i.S.v. § 1684 Abs. 4 S. 3 und 4 BGB kann eine gerichtliche Regelung des begleiteten Umgangs nicht vollstreckt werden. Das gilt auch, wenn dieser (hier das Jugendamt) in anderer Funktion Beteiligter des Umgangsverfahrens war.
BGH, Beschl. v. 9.6.2021 – XII ZB 513/20
1 Der Fall
Begleitetes Umgangsrecht angeordnet
Die Antragstellerin ist die Mutter des im August 2017 geborenen Kindes. Das AG entzog den Kindeseltern im Jahr 2019 (vorläufig) das Aufenthaltsbestimmungsrecht, die Gesundheitssorge sowie das Recht zur Beantragung und Inanspruchnahme öffentlicher Leistungen und übertrug diese dem zuständigen Kreisjugendamt (Antragsgegner) als Ergänzungspfleger. Das Kind befindet sich in einer Pflegefamilie. Durch Beschluss vom 14.11.2019 regelte das AG im Wege der einstweiligen Anordnung den Umgang der Eltern mit dem Kind. Der Umgang sollte danach wöchentlich donnerstags in der Zeit von 9 Uhr bis 11.30 Uhr in den Räumlichkeiten des Jugendamts in Begleitung eines Mitarbeiters/einer Mitarbeiterin des Jugendamts stattfinden.
Jugendamt verweigert Umgang wegen Covid-19-Pandemie
Im März 2020 teilte das Jugendamt den Kindeseltern mit, dass die ab 12.3.2020 angesetzten begleiteten Umgangstermine im Hinblick auf die Ansteckungsgefahren mit dem SARS-CoV-2-Virus nicht mehr stattfinden könnten. Die Antragstellerin hat daraufhin die Festsetzung eines Ordnungsgeldes gegen das Jugendamt beantragt. Das AG hat dem entsprochen und ein Ordnungsgeld von 5.000 EUR festgesetzt. Auf die Beschwerde des Jugendamts hat das OLG die Anträge der Antragstellerin zurückgewiesen. Dagegen richtet sich deren zugelassene Rechtsbeschwerde, mit der sie die Wiederherstellung der amtsgerichtlichen Entscheidung erstrebt.
2 II. Die Entscheidung
Zulässiger Rechtsmittelweg
Die Rechtsbeschwerde ist gemäß § 87 Abs. 4 FamFG i.V.m. § 574 Abs. 1 Nr. 2 ZPO statthaft und auch im Übrigen zulässig. Dass die Vollstreckung sich auf eine einstweilige Anordnung bezieht, steht der Statthaftigkeit nicht entgegen. Denn § 70 Abs. 4 FamFG gilt nicht für das Vollstreckungsverfahren, das als selbstständiges Verfahren mit einem eigenen Rechtsmittelzug ausgestattet ist. In der Sache hat die Rechtsbeschwerde keinen Erfolg.
Streit um den Verpflichteten der Umgangsregelung
Die Verhängung eines Ordnungsgeldes aufgrund einer vollstreckbaren gerichtlichen Umgangsregelung setzt nach § 89 Abs. 1 S. 1 FamFG die Zuwiderhandlung gegen den Vollstreckungstitel voraus. Die Person oder Behörde (vgl. BGH FamRZ 2014, 732 Rn 13 ff.), gegen die das Ordnungsgeld festgesetzt werden soll, muss dabei Verpflichtete der Umgangsregelung sein.
Jugendamt ist kein Verpflichteter
Das OLG ist zutreffend davon ausgegangen, dass diese Voraussetzungen im vorliegenden Fall nicht gegeben sind. Soweit das Jugendamt nach der getroffenen Umgangsregelung seine Räumlichkeiten und Mitarbeiter zur Durchführung des jeweiligen Umgangs als Umgangsbegleiter zur Verfügung stellt, nimmt es nicht am vollstreckbaren Inhalt des Beschlusses teil. Soweit es in seiner Funktion als Ergänzungspfleger am Verfahren beteiligt und für die Durchführung der Umgangskontakte verantwortlich war, liegt keine schuldhafte Zuwiderhandlung gegen eine ihm insoweit obliegende Verpflichtung vor.
Mitwirkungsbereitschaft begründet keine Verpflichtung
Die Regelung des § 1684 Abs. 4 S. 3 und 4 BGB ist (seinerzeit noch als S. 2 und 3) durch das Kindschaftsrechtsreformgesetz vom 19.12.1997 (BGBl I, S. 2942) eingeführt worden. § 1684 BGB beruht auf der vorangegangenen Vorschrift des § 1634 BGB a.F., die eine ausdrückliche Regelung zum begleiteten Umgang noch nicht enthalten hatte (zur historischen Entwicklung – auch in Verbindung mit dem früheren Jugendwohlfahrtsrecht – vgl. Staudinger/Dürbeck, BGB, 2019, § 1684 Rn 350).
Übereinstimmend mit dem Wortlaut der Norm ("mitwirkungsbereiter Dritter") ist der Gesetzgeber davon ausgegangen, dass sich der Dritte im familiengerichtlichen Verfahren zur Mitwirkung bereiterklären muss und nicht gegen seinen Willen zur Anwesenheit bei der Ausübung des Umgangsrechts gezwungen werden kann (vgl. BT-Drucks 13/4899, S. 106; BVerfG FamRZ 2015, 1686 Rn 5; OVG Münster FamRZ 2017, 808; Staudinger/Dürbeck, BGB, 2019, § 1684 Rn 370 m.w.N.). Daraus folgt, dass auch das Jugendamt insoweit im Rahmen einer vom Familiengericht getroffenen Umgangsregelung nicht in zulässiger Weise zur Mitwirkung verpflichtet werden kann. Hat sich das Jugendamt zunächst zur Mitwirkung bereiterklärt, hält es daran aber nach Erlass des Beschlusses über den begleiteten Umgang nicht mehr fest, liegt darin ein jederzeit möglicher Widerruf seines Einverständnisses mit der Umgangsbegleitung. Auf die Tragfähigkeit der vom Jugendamt hierfür angeführten Gründe kommt es nicht an, denn die Einverständniserklärung entfaltet keine Bindungswirkung. Wie die erstmalige Mitwirkung unterliegt daher im familiengerichtlichen Verfahren auch deren Fortsetzung durch das Jugendamt als mitwirkungsbereiter Dritter seiner freien Entscheidung (vgl. Finke, FamFR 2013, 142; Prütting/Helms/Hammer, ...