BGH bestätigt Rechtsprechung zur weiten Auslegung der Inkassodienstleistung

Jeweils frei von Rechtsfehlern hat das LG seiner Entscheidung zugrunde gelegt, dass dem Geschädigten gegen die Beklagte ein Anspruch auf Zahlung von Schmerzensgeld in Höhe von 600 EUR zuzüglich Kostenpauschale zustand und dass der Geschädigte grundsätzlich Ersatz der Rechtsverfolgungskosten in entsprechender Höhe verlangen kann.

Zutreffend ist das LG weiter davon ausgegangen, dass sich die Tätigkeit der Klägerin im Rahmen der ihr nach § 10 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 i.V.m. § 2 Abs. 2 S. 1 RDG erteilten Erlaubnis zur Erbringung von Inkassodienstleistungen hält (vgl. BGH, 27.11.2019 – VIII ZR 285/18; BGH NJW-RR 2020, 779; BGH NJW 2022, 3350 Rn 15). Der Begriff der Inkassodienstleistung ist nicht in einem zu engen Sinne zu verstehen. Insbesondere ist es einem registrierten Inkassodienstleister nicht verwehrt, im Rahmen des außergerichtlichen Forderungseinzugs in substanzieller Weise Rechtsberatung vorzunehmen (BGH NZM 2020, 551; BGH, 7.12.2022 – VIII ZR 81/21).

Inkassodienstleisterin verspricht keine dem Anwalt vorbehaltenen Leistungen

Anders als von der Beklagten in der Revisionsverhandlung vertreten, ist die Tätigkeit der Klägerin weder von vornherein in einer ihre Inkassoerlaubnis überschreitenden Weise (zugleich) auf die Abwehr von (Gegen-)Ansprüchen ausgerichtet (BGH, 27.11.2019 – VIII ZR 285/18) noch erwecken die Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Klägerin den Eindruck, tatsächlich werde nicht der Auftrag für eine (bloße) Inkassodienstleistung eines entsprechend registrierten Dienstleisters, sondern für eine umfassende anwaltliche Rechtsbesorgung erteilt. Vielmehr wird in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Klägerin deutlich zwischen der Klägerin als allein außergerichtlich tätigem Inkassounternehmen ("uns", vgl. Ziff. B.I.2 AGB Klägerin) einerseits und den – gegebenenfalls gesondert zu beauftragenden – Rechtsanwälten/Partneranwälten der Klägerin (vgl. Ziff. B.I.2, 2.g, II.1.a, 1.c, 1.d AGB Klägerin) andererseits unterschieden.

Die konkreten Umstände des einfach gelagerten Ausgangssachverhaltes selbst geben für die Annahme, die Tätigkeit der Klägerin könnte sich außerhalb ihrer Inkassoerlaubnis bewegt haben, ohnehin keine Veranlassung.

Kein Verstoß gegen ein gesetzliches Verbot

Entgegen der Auffassung der Revision verstößt die zwischen dem Geschädigten und der Klägerin geschlossene Vergütungsvereinbarung nicht mit der Folge der Nichtigkeit auch der Abtretungserklärung gegen § 4 RDG in der bis zum 30.9.2021 geltenden Fassung (nachfolgend § 4 RDG a.F.).

Nach § 4 RDG a.F. – nunmehr nach dessen Satz 1 – dürfen Rechtsdienstleistungen, die unmittelbaren Einfluss auf die Erfüllung einer anderen Leistungspflicht haben können, nicht erbracht werden, wenn hierdurch die ordnungsgemäße Erbringung der Rechtsdienstleistung gefährdet wird. Dies setzt voraus, dass die Rechtsdienstleistung einen unmittelbaren gestaltenden Einfluss auf eine andere, bereits bestehende (Haupt-)Leistungspflicht des Dienstleistenden haben kann (BGH, 27.11.2019 – VIII ZR 285/18; BGH NJW-RR 2020, 779 m.w.N.).

Erfolgsprovision ist keine andere Leistungspflicht

An einer solchen zum Zeitpunkt der Inkassodienstleistung bereits bestehenden Leistungspflicht der Klägerin fehlt es hier. Insbesondere handelt es sich bei der von der Klägerin im Falle einer Erfolglosigkeit ihrer Bemühungen vorzunehmenden Kostenfreihaltung des Geschädigten nicht um eine "andere Leistungspflicht", sondern um einen Bestandteil der von der Klägerin für den Geschädigten zu erbringenden Inkassodienstleistung. Sie steht mit der von der Klägerin betriebenen Forderungseinziehung in einem so engen Zusammenhang, dass sie – auch aus der Sicht des Kunden, dessen Schutz als Rechtsuchender die Vorschrift des § 4 RDG a.F. unter anderem dienen soll – nicht als eine andere Leistungspflicht i.S.d. § 4 RDG a.F. angesehen werden kann (BGH, 27.11.2019 – VIII ZR 285/18; BGH NJW-RR 2020, 779; BGH, 13.7.2021 – II ZR 84/20 m.w.N.).

Erfolgsprovision begründet keine Interessenkollision

Es bedarf weiterhin keiner Entscheidung, ob es Fälle geben kann, in denen zum Schutz des Rechtsverkehrs und der rechtsuchenden Kunden des Inkassodienstleisters eine erweiternde Auslegung oder analoge Anwendung der – hinsichtlich ihres Tatbestandes grundsätzlich eher eng ausgestalteten – Vorschrift des § 4 RDG a.F. geboten sein kann, wenn zwar deren Tatbestandsvoraussetzungen – insbesondere weil es sich bei der in einem möglichen Konflikt mit der Rechtsdienstleistung stehenden Handlungsweise oder Verpflichtung des Inkassodienstleisters nicht um eine "andere Leistungspflicht" handelt – nicht erfüllt sind, gleichwohl aber eine relevante Interessenkollision besteht (offengelassen bereits von BGH, 27.11.2019 – VIII ZR 285/18). Denn ein solcher Fall liegt hier nicht vor, da es bereits an einer relevanten Interessenkollision fehlt.

Zusammenspiel von Erfolgsprovision und Abtretung an Erfüllung statt begründet gleichlaufende Interessen

Eine solche Interessenkollision ...

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