Leitsatz
1. Die Vereinbarung eines Erfolgshonorars durch einen Inkassodienstleister bei der Erbringung von Inkassodienstleistungen nach § 2 Abs. 2 RDG ist zulässig.
2. Die Vereinbarung einer Erfolgsprovision begründet keine unzulässige Interessenkollision.
BGH, Urt. v. 7.3.2023 – VI ZR 180/21
1 Der Fall
Geltendmachung von Schmerzensgeld als Inkassodienstleistung
Die Klägerin begehrt von der Beklagten aus abgetretenem Recht die Erstattung vorgerichtlicher Rechtsverfolgungskosten nach der Regulierung eines Unfallereignisses.
Die Klägerin verfügt über eine Registrierung gemäß § 10 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 RDG für den Bereich der Inkassodienstleistungen. Sie betreibt eine Verbraucherplattform ("VINQO.DE"), auf welcher sie Geschädigten die außergerichtliche Geltendmachung und Durchsetzung von Ansprüchen auf Ersatz materiellen und immateriellen Schadens anbietet. In diesem Rahmen betreibt die Klägerin einen "Schmerzensgeldrechner", mit dem sie auf Grundlage eingegebener Verletzungen und hinterlegter Urteile eine voraussichtliche und unverbindliche Ersteinschätzung des zu erwartenden Schmerzensgeldes anbietet.
Leistungsumfang und Erfolgsprovisionsvereinbarung
Zum Gegenstand des Auftrags und zur Vergütung der Klägerin enthalten ihre Allgemeinen Geschäftsbedingungen die folgenden Bestimmungen:
Zitat
B. Nutzungsbedingungen von VINQO.DE
I. Vertragsgegenstand, Vertragsschluss
… 2. Sie beauftragen uns – bzw. soweit ausdrücklich angegeben einen Rechtsanwalt – mit Einwilligung in die Allgemeinen Geschäftsbedingungen mit
a) der Prüfung von Ansprüchen auf Grundlage der eingereichten Unterlagen und Daten,
b) der Anforderung von Unterlagen und Auskünften, soweit erforderlich oder sachdienlich,
c) der Berechnung und Ermittlung von Ansprüchen auf Grundlage des gemeldeten Sachverhalts,
d) der außergerichtlichen Geltendmachung von Ansprüchen,
e) der Prüfung und ggfs. Abwehr rechtlicher Einwände des Anspruchsgegners,
f) der Einlegung außergerichtlicher Rechtsbehelfe,
g) soweit weitergehend vereinbart, der gerichtlichen Durchsetzung Ihrer Ansprüche mithilfe unserer Partneranwälte,
h) der Zwangsvollstreckung Ihrer Ansprüche,
i) der Entgegennahme und Abgabe von Gestaltungsrechten und anderweitigen Willenserklärungen in Ihrem Namen, soweit diese sachdienlich zur Durchsetzung Ihrer Ansprüche sind,
j) jedweden weiteren im Zusammenhang mit der Durchsetzung von Ansprüchen stehenden Dienstleistungen,
k) der Geltendmachung und Durchsetzung von datenschutzrechtlichen Auskunftsansprüchen sowie von materiellen und immateriellen Schadensersatzansprüchen, die im Zusammenhang mit datenschutzrechtlichen Aspekten, insbesondere einem Datenschutzverstoß, stehen. …
II. Kosten, Freistellung und Abtretung des Kostenerstattungsanspruchs
1. Vertretung und Durchsetzung der Ansprüche a) Zwischen den Parteien wird eine Erfolgsvereinbarung geschlossen. Die Erfolgsbeteiligung, die – soweit nicht anders angegeben – 15 % beträgt, beschränkt sich auf Schmerzensgeldansprüche im Rahmen der außergerichtlichen Anspruchsdurchsetzung. Der Prozentsatz beinhaltet die jeweils geltende Mehrwertsteuer. Für die gerichtliche Durchsetzung mithilfe unserer Partnerkanzlei kann eine abweichende Erfolgsbeteiligung vereinbart werden. b) Wir erhalten für unsere Tätigkeit unbeschadet der Ziff. 1 die Vergütung, die gem. § 4 RDGEG i.V.m. RVG analog beansprucht werden kann. Diese muss von der Gegenseite im Erfolgsfall erstattet werden. c) Mit Einwilligung in die Allgemeinen Geschäftsbedingungen wird der Kostenerstattungsanspruch in Höhe des gem. § 4 RDGEG i.V.m. RVG analog zu beanspruchenden Betrages aufschiebend bedingt zum Zeitpunkt der Mandatsannahme erstrangig und unerfüllt gegen Schädiger, Halter, Haftpflichtversicherer und Dritte aus dem gemeldeten Schadensereignis an uns an Erfüllung statt abgetreten. Wir nehmen diese Abtretung mit Mandatsannahme an. Soweit der Anspruchsgegner die Zahlung des Vergütungsanspruchs unberechtigt verweigert, setzen wir diesen gerichtlich im eigenen Namen und auf eigene Rechnung durch. c) Soweit einer unserer Partneranwälte unmittelbar beauftragt werden soll, richtet sich die Vergütung nach dem Rechtsanwaltsvergütungsgesetzes (RVG). Es kommt in diesem Fall ein Anwaltsvertrag mit dem Anwalt und nicht mit uns zustande. d) Sollten wir ihre Ansprüche nicht erfolgreich durchsetzen, so stellen wir sie von der Zahlung einer Vergütung für unsere Tätigkeit sowie für ggfs. darüber hinaus entstandene Kosten frei, die wir für die Rechtsdurchsetzung veranlasst haben (Kosten für Auskünfte, Arztberichte, Beauftragung einer Partnerkanzlei etc.).
Gegner zahlt Hauptforderung, aber nicht die Rechtsverfolgungskosten
Der Geschädigte, der durch ein von einem rangierenden Abschleppfahrzeug umgestoßenes Motorrad Prellungen erlitten hatte, beauftragte die Klägerin am 23.10.2020 mit der außergerichtlichen Geltendmachung seiner Ansprüche. Die Klägerin wandte sich daraufhin an das beklagte Abschleppunternehmen und forderte die Zahlung eines Schmerzensgeldes von 1.300 EUR zuzüglich Kostenpauschale in Höhe von 25 EUR und Rechtsverfol...