Leitsatz
1. Für die elektronische Zustellung eines Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses (PfÜB) an den Drittschuldner fällt die Gebühr gemäß Nr. 100 KV GvKostG an. Es handelt sich um einen Fall der persönlichen Zustellung durch den Gerichtsvollzieher (GV).
2. Für die Anfertigung der erforderlichen Ausdrucke eines elektronisch übersandten PfÜB durch den GV zum Zwecke der Zustellung an den Schuldner fällt die Dokumentenpauschale gemäß Nr. 700 Nr. 1b) KV GvKostG an.
AG Emmerich, Beschl. v. 25.8.2023 – 60 M 202/23
1 Der Fall
Elektronische Zustellung des PfÜB an den Drittschuldner, persönlich an den Schuldner
Die Gläubigerin beantragte bei dem AG elektronisch den Erlass eines PfÜB, verbunden mit dem Antrag, die Zustellung nach § 840 ZPO durch die Geschäftsstelle zu vermitteln. Die Geschäftsstelle des AG leitete den PfÜB in Ausfertigung antragsgemäß an die Gerichtsvollzieherverteilerstelle weiter, die den Beschluss dem zuständigen Gerichtsvollzieher übergab.
Die Zustellung an den Drittschuldner ist mit Aufforderung nach § 840 ZPO elektronisch erfolgt. Die Zustellung an die Schuldnerin ist persönlich erfolgt. Die für die Zustellung des Beschlusses an die Schuldnerin erforderlichen Mehrausfertigungen fertigte der GV selbst. Mit seiner Kostenrechnung macht der GV u.a. 11 EUR gem. KV 100 GvKostG für die Zustellung des PfÜB an den Drittschuldner sowie eine Dokumentenpauschale in Höhe von 6,50 EUR gem. KV 700 GvKostG für die Anfertigung von Mehrausfertigungen geltend.
Kostenansatzerinnerung der Staatskasse
Hiergegen wendet sich die Bezirksrevisorin bei dem LG mit ihrer Erinnerung. Die Zustellung des PfÜB an den Drittschuldner sei durch den GV in elektronischer Form durch Zustellung von dem elektronischen Postfach des GV in das elektronische Postfach des Drittschuldners erfolgt und stelle daher keine persönliche Zustellung an den Drittschuldner i.S.d. KV 100 GvKostG dar. Eine Dokumentenpauschale könne nicht verlangt werden, da die Gläubigerin gem. § 133 Abs. 1 S. 2 ZPO im Falle der elektronischen Übermittlung von Dokumenten und Anlagen von der Pflicht zur Beifügung der erforderlichen Mehrausfertigungen befreit sei. Der GV ist dem entgegengetreten.
2 II. Die Entscheidung
AG stimmt dem GV zu
Die gemäß § 5 Abs. 2 S. 1 GvKostG zulässige Erinnerung gegen den Kostenansatz des GV hat in der Sache keinen Erfolg. Zu Recht hat der GV für die elektronische Zustellung des PfÜB an die Drittschuldnerin die Kosten gem. KV 100 GvKostG angesetzt.
Es wird bisher unterschiedlich beurteilt, wie die elektronische Zustellung eines Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses kostenrechtlich zu behandeln ist.
Teilweise wird hierin eine sonstige Zustellung i.S.d. KV 101 GvKostG gesehen (AG Lüneburg DGVZ 2022, 202), nach anderer Auffassung stellt sie eine persönliche Zustellung i.S.d. KV 100 GvKostG dar (AG Kempen, Beschl. v. 14.8.2023 – 16 M 232/23). Das Gericht schließt sich der letztgenannten Auffassung an.
GV bewirke die Zustellung in eigener Person
Maßgeblich für die Frage, ob die Gebühr gem. KV 100 GvKostG anfällt, ist, dass der GV die Zustellung in eigener Person bewirkt und nicht wie im Falle des KV 101 GvKostG eine dritte Person hiermit beauftragt. So liegt es bei der elektronischen Zustellung in das Postfach eines Zustellungsempfängers genauso wie bei der papierenen Zustellung in den Briefkasten eines Zustellungsempfängers.
In beiden Fällen bewirkt der GV persönlich, dass das zuzustellende Dokument in den Machtbereich des Empfängers gelangt, und übernimmt hierfür auch persönlich die Verantwortung. Der GV persönlich stellt die zuzustellenden Dokumente in elektronischer Form zusammen. Er prüft die Möglichkeit und Zulässigkeit der elektronischen Zustellung an den Empfänger. Er wählt das Postfach des Empfängers, in das zugestellt werden soll. Er nimmt dann die eigentliche Zustellung durch Absenden aus dem eigenen und übersenden in das Postfach des Empfängers vor und übernimmt schließlich auch die Gewähr durch Überprüfen der Eingangsbestätigung dafür, dass die Zustellung erfolgreich war. Bei keinem dieser Schritte bedient sich der Gerichtsvollzieher der Mitwirkung eines Dritten. Insofern unterscheidet sich die elektronische Zustellung von der (früheren) Zustellung in Papierform in einen Briefkasten des Empfängers lediglich dadurch, dass der GV keine Wege zwischen seinem Dienstort und dem Ort der Zustellung mehr zurücklegt. Das Zurücklegen eines Weges ist jedoch nicht maßgeblich für die persönliche Zustellung i.S.d. KV 100 GvKostG, hierfür greift der Auslagentatbestand des KV 711 GvKostG.
AG sieht Notwendigkeit von Mehrausfertigungen
Der GV hat ebenfalls zu Recht die streitige Gebühr gem. KV 700 GvKostG in Höhe von 6,50 EUR angesetzt. Die Erhebung der Gebühr findet gemäß folgender Bestimmung statt: "Pauschale für die Herstellung und Überlassung von Dokumenten: 1. Kopien und Ausdrucke, (b) die angefertigt werden, weil der Auftraggeber es unterlassen hat, die erforderliche Zahl von Mehrfertigungen beizufügen".
So liegt der Fall hier. Die Gläubigerin hat die für die Zustellung des Pfändungs- und Überweisung...