Die Pfändungsfreigrenzen werden seit dem Jahre 2022 nach § 850c Abs. 4 ZPO jährlich neu bestimmt. Grundlage ist nach der gesetzlichen Neuregelung die jährlich neu zu verkündende Pfändungsfreigrenzenbekanntmachung. Für 2024 ist diese nun am 16.5.2024 im Bundesgesetzblatt verkündet worden (Bekanntmachung vom 10.5.2024, BGBl I, 16.5.2024, Nr. 160). Sie regelt die Pfändungsfreigrenzen für den Schuldner der gesetzlich unterhaltsberechtigten Personen nach § 850c Abs. 1 und 2 ZPO bei der Pfändung von Arbeitseinkommen sowie nach § 899 und § 902 ZPO bei der Kontopfändung.
Verordnung korrigiert das Gesetz
Eine Verordnung – hierum handelt es sich bei der Pfändungsfreigrenzenbekanntmachung nach § 850c Abs. 4 ZPO – kann allerdings kein Gesetz ändern, sodass die gesetzlich niedergelegten – veralteten – Beträge auch künftig so geregelt bleiben und in der gesetzlichen Norm aufgeführt bleiben. Diese Beträge werden im Verordnungswege "aufgrund" der gesetzlichen Regelung durch die Pfändungsfreigrenzenbekanntmachung jährlich angepasst. In den klassischen Gesetzessammlungen muss deshalb auf die Fußnoten geachtet werden.
Checkliste: Die in der Praxis wesentlichen monatlichen Beträge
Norm (ZPO) |
Regelungsgehalt |
Bis 30.6.2024 |
Ab 1.7.2024 |
§ 850c Abs. 1 |
Schuldner |
1.402,28 EUR |
1.491,75 EUR |
§ 850c Abs. 2 S. 1 |
1. unterhaltsberechtigte Person |
527,76 EUR |
560,90 EUR |
§ 850c Abs. 2 S. 2 |
2. – 5. unterhaltsberechtigte Personen |
294,02 EUR |
312,78 EUR |
§ 850c Abs. 3 |
höchster Freibetrag |
4.298,81 EUR |
4.573,10 EUR |
Berechnung des Nettoeinkommens
Die Berechnung des Nettoeinkommens bestimmt sich wie bisher nach § 850e Nr. 1 ZPO. Im Wesentlichen werden die steuerrechtlichen und sozialversicherungsrechtlichen Belastungen abgezogen, wobei die Besonderheiten bestimmter Berufsgruppen, etwa privatversicherter Angehöriger des öffentlichen Dienstes, zu berücksichtigen sind. Ausgehend von dem so ermittelten Nettoeinkommen ist der Betrag als Ausgangspunkt des Pfändungsfreibetrages zu runden. Die Rundung – eine Abrundung auf volle 10-EUR-Beträge – bestimmt sich nach § 850c Abs. 5 ZPO.
Zitat
Im Wortlaut: § 850c Abs. 5 ZPO
(5) 1Um den nach Absatz 3 pfändbaren Teil des Arbeitseinkommens zu berechnen, ist das Arbeitseinkommen, gegebenenfalls nach Abzug des nach Absatz 3 Satz 3 pfändbaren Betrages, auf eine Zahl abzurunden, die bei einer Auszahlung für 1. Monate bei einer Teilung durch 10 eine natürliche Zahl ergibt, 2. Wochen bei einer Teilung durch 2,5 eine natürliche Zahl ergibt, 3. Tage bei einer Teilung durch 0,5 eine natürliche Zahl ergibt. 2Die sich aus der Berechnung nach Satz 1 ergebenden Beträge sind in der Pfändungsfreigrenzenbekanntmachung als Tabelle enthalten. 3Im Pfändungsbeschluss genügt die Bezugnahme auf die Tabelle.
Ab wann ergibt sich ein pfändbares Arbeitseinkommen?
Aus den Neuregelungen ergeben sich neue Schwellenbeträge, ab denen sich (erst) ein pfändbarer Betrag für den Gläubiger ergibt:
Zahl der Personen |
Schwellenbetrag |
Geringster pfändbarer Betrag |
Schuldner |
1.500 EUR |
5,78 EUR |
+ 1 unterhaltsberechtigte Person |
2.060 EUR |
3,68 EUR |
+ 2 unterhaltsberechtigte Personen |
2.370 EUR |
1,83 EUR |
+ 3 unterhaltsberechtigte Personen |
2.680 EUR |
0,54 EUR |
+ 4 unterhaltsberechtigte Personen |
3.000 EUR |
1,80 EUR |
+ 5 unterhaltsberechtigte Personen |
3.110 EUR |
0,62 EUR |
Hinweis
Diese Schwellenwerte sind auch bei der vorgerichtlichen Forderungseinziehung von besonderer Bedeutung. Sie zeigen auf, ab welchem Arbeitseinkommen mit einem Vollstreckungserfolg zu rechnen wäre und in welchem Einkommensbereich nur Zahlungen aus dem unpfändbaren Bereich mit Kooperationswillen des Schuldners zu erreichen sind. Für die Zwangsvollstreckung muss unterhalb der Schwellen stets geprüft werden, ob Vollstreckungsprivilegierungen aktiviert werden können (§§ 850f Abs. 2, 850d ZPO). Letztlich ist für die Insolvenz zu sehen, dass Ratenzahlungen bei Arbeitseinkommen unterhalb dieser Schwellenwerte insolvenzsicher sind, da es dann i.S.d. §§ 133, 129 InsO an der objektiven Gläubigerbenachteiligung fehlt.
Handlungsbedarf: sinkende Erträge
Insgesamt müssen sich die Gläubiger damit auf (weiter) sinkende Erträge aus der Pfändung von Arbeitseinkommen ab dem 1.7.2024 einstellen, was sich auch auf den von der Pfändung ausgehenden Vollstreckungsdruck auswirkt. Das gilt auch vor dem Hintergrund, dass die Regelung entsprechend für das Pfändungsschutzkonto greift, §§ 899, 902 ZPO. Nachdem die Pfändungsfreigrenze auch im Insolvenzverfahren zu beachten ist, wird insbesondere auch der Treuhänder in der Wohlverhaltensphase aufgrund der Abtretungserklärung einen geringeren Ertrag erzielen, was auch bei der Zustimmung zu Schuldenbereinigungsplänen beachtlich bleibt.
Beispiel
Der Schuldner ist verheiratet und hat ein Kind, mithin zwei unterhaltsberechtigte Personen. Er erzielt ein monatliches Nettoeinkommen von 2.315 EUR.
Für das Arbeitseinkommen ergibt sich aus der Tabelle zu § 850c ZPO in der Fassung der Pfändungsfreigrenzenbekanntmachung 2024 folgende Berechnung: Sind bis zum 30.6.2024 noch monatlich 34,38 EUR pfändbar, kann ab...