I. Der Fall
Die Versicherung des Schuldners und ihre Folgen
Der Gläubiger hat im August 2009 die Ansprüche des Schuldners aus einem Arbeitsverhältnis unter Beachtung des § 850c ZPO gepfändet. Mit Ablauf des 31.10.2009 wird das Arbeitsverhältnis beendet. Zum 1.3.2010 wird der Schuldner beim gleichen Arbeitgeber wieder eingestellt. Müssen die Ansprüche aus dem neu begründeten Arbeitsverhältnis erneut gepfändet werden?
II. Die Lösung
Ein oft auftretendes Problem in der Praxis
Die Problematik kann sich in der Praxis sehr häufig zeigen. Nicht nur in der Landwirtschaft, sondern auch im Hotel- und Gastgewerbe, in der Bauwirtschaft oder im Einzelhandel zeigt sich das Phänomen der Saisonarbeit. Auch wenn saisonale Lücken mit dem Kurzarbeitergeld überbrückt werden können, wird diese Möglichkeit nicht immer wirklich genutzt. Daneben kann die Unterbrechung aber auch durch allgemeinen Arbeitsmangel, die Verbüßung einer Freiheitsstrafe durch den Schuldner oder einen mehrmonatigen Verlust eines notwendigen Führerscheins veranlasst sein.
Die Nachteile …
Muss der Gläubiger einen erneuten Pfändungs- und Überweisungsbeschluss beantragen, hat dies für ihn in mehrfacher Hinsicht Nachteile:
Teilweise erfährt der Gläubiger nicht einmal zeitnah, dass der Schuldner seine Tätigkeit bei dem früheren Arbeitgeber wieder aufgenommen hat. Ein neuer Pfändungs- und Überweisungsbeschluss verursacht neue Kosten für den Antrag selbst sowie die Zustellung an Drittschuldner (§ 829 Abs. 3 ZPO) und Schuldner (§ 829 Abs. 2 ZPO) sowie den Bevollmächtigten (Nr. 3309 VV RVG).
…hat der Gesetzgeber gesehen!
Das Gesetz befreit den Gläubiger aus dieser misslichen Lage. Nach § 833 Abs. 2 ZPO erstreckt sich die Pfändung nämlich auch auf die pfändbaren Ansprüche aus dem neu begründeten Arbeits- oder Dienstverhältnis, wenn es binnen neun Monaten nach dem Ende des alten Arbeits- oder Dienstverhältnisses beginnt. Die Fortgeltung bezieht sich dabei nicht nur auf die eigentliche Pfändung, sondern auch auf die weiteren Beschlüsse, wie die Nichtberücksichtigung unterhaltsberechtigter Personen (§ 850c Abs. 4 ZPO), die Zusammenrechnung mit anderen Sachleistungen oder weiterem Einkommen (§ 850e ZPO) oder auch die Nichtberücksichtigung der Pfändungsfreigrenzen nach § 850c ZPO (§ 850f Abs. 2 ZPO).
Wird ein Arbeitnehmer nur beurlaubt – auch ohne Geld- und Sachbezüge –, um befristet einer anderen Tätigkeit nachzugehen, liegt keine Beendigung des Arbeitsverhältnisses vor. In diesem Falle gilt die Neun-Monats-Frist nicht. Vielmehr gilt der PfÜB unbeschränkt fort.
So berechnen Sie die Frist
Die Berechnung der Frist erfolgt nach § 222 ZPO, d.h. die §§ 186 ff. BGB kommen zur Anwendung. Die nach Monaten bestimmte Frist endet nach § 188 Abs. 2 BGB mit dem Ablauf desjenigen Tages des letzten Monats, welcher durch seine Benennung dem Tage entspricht, in den das Ereignis oder der Zeitpunkt fällt, der durch seine Benennung oder seine Zahl dem Anfangstag der Frist entspricht. Dabei ist Fristbeginn das tatsächliche Ende der Tätigkeit, nicht etwa der Zugang der Kündigung (Thomas-Putzo, ZPO, § 833 Rn 3).
Im Fall des Lesers endete das Arbeitsverhältnis am 31.10.2009, so dass die Frist mit dem 1.11.2009 begonnen hat und neun Monate später, d.h. zum 1.7.2010 endet. Da das Arbeitsverhältnis bereits am 1.3.2010 wieder aufgenommen wurde, dauert die Pfändung also fort. Der Arbeitgeber als Drittschuldner ist ohne erneuten Pfändungs- und Überweisungsbeschluss verpflichtet, an den Gläubiger die pfändbaren Beträge abzuführen.
Es kann sich für den Gläubiger durchaus empfehlen, den Arbeitgeber als Drittschuldner in den eingangs genannten Wirtschaftsbereichen auf diese Vorschrift hinzuweisen. Ein Arbeitgeber ohne juristischen Beistand wird nämlich die Vorschrift des § 8 33 Abs. 2 ZPO regelmäßig nicht kennen. Hat der Arbeitgeber die Norm nicht berücksichtigt, ist er zur erneuten Leistung der pfändbaren Beträge an den Gläubiger verpflichtet und muss diese dann beim Schuldner nach § 812 BGB kondizieren.
Keine unerheblichen Einwände akzeptieren
Für die Fortwirkung der Pfändung ist unerheblich, was der Schuldner im Unterbrechungszeitraum getan hat, d.h. ob er arbeitslos oder bei einem anderen Arbeitgeber tätig war. Ebenso bleibt unerheblich, ob bei der Beendigung des Arbeitsverhältnisses die spätere Fortsetzung schon absehbar oder gewollt war und ob der Schuldner den gleichen oder einen gänzlich anderen Arbeitsplatz bei dem identischen Drittschuldner einnimmt (Schuschke, Vollstreckung und vorläufiger Rechtsschutz, 4. Aufl. 2008, § 833 Rn 4).