Pfändungsfreigrenzenverordnung 2011 verkündet
Jetzt ist es amtlich! Was angesichts der Erhöhung des steuerlichen Existenzminimums in den Jahren 2009 und 2010 von 7.664 EUR (2008) über 7.834 EUR (ab 1.1.2009) auf jetzt 8.004 EUR (seit dem 1.1.2010) absehbar war, ist jetzt auch amtlich: Im Bundesgesetzblatt wurde am 17.5.2011 (BGBl I, 2011, 825) die "Bekanntmachung zu § 850c der Zivilprozessordnung (Pfändungsfreigrenzenbekanntmachung 2011)" vom 9.5.2011 veröffentlicht. Damit werden die Pfändungsfreigrenzen nach § 850c ZPO ab dem 1.7.2011 um etwa 4,44 % steigen.
Auswirkungen bei Arbeit, Rente und Konto
Die Pfändungsfreigrenzen nach § 850c ZPO wirken sich einerseits bei der Pfändung von Arbeitseinkommen sowie Renten oder Versorgungsbezügen aus, andererseits über § 850k Abs. 1, 2 und 4 ZPO seit dem 1.7.2010 bei der Kontopfändung auf einem P-Konto.
Das sind die wichtigsten neuen Beträge
Nach der Pfändungsfreigrenzenverordnung 2011 steigt der Eckfreibetrag nach § 850c Abs. 1 S. 1 ZPO von derzeit 985,15 EUR auf nunmehr 1.028,89 EUR, d.h. um 43,74 EUR, der Beitrag für die erste unterhaltsberechtigte Person von 370,76 EUR auf dann 387,22 EUR, d.h. um 16,46 EUR, und für die zweite bis fünfte unterhaltsberechtigte Person von 206,56 EUR auf 215,73 EUR, d.h. um jeweils 9,17 EUR. Höchstens bleibt ein Betrag von 2.279,03 EUR pfändungsfrei. In gleicher Weise wurden die Beiträge für wöchentliche oder tägliche Zahlungen angepasst, was in der Praxis aber kaum eine Rolle spielen sollte.
Hinweis
Damit ist allerdings nicht schon der gesamte unpfändbare Betrag des Arbeitseinkommens des Schuldners nach § 850c ZPO beschrieben. Zunächst ist das Arbeitseinkommen nach § 850c Abs. 3 nach unten auf volle 10-EUR-Beträge abzurunden. Übersteigt nämlich das Nettoarbeitseinkommen (§ 850e Abs. 1 Nr. 1 ZPO) die vorgenannten pfändbaren Beträge, ist der überschießende Betrag nicht vollständig pfändbar, sondern bei dem Schuldner, der keiner Person unterhaltspflichtig ist, nur zu 70 %, bei einer unterhaltsberechtigten Person in Höhe von 50 % und bei zwei bis fünf unterhaltsberechtigten Personen um jeweils 10 % pro Person weniger. Vollständig pfändbar sind lediglich die Beträge, die ein Nettoeinkommen von 3.154,15 EUR übersteigen. Bis zum 30.6.2011 lag die Grenze noch bei 3.020,06 EUR.
Sinkende Erträge
Insgesamt müssen sich die Gläubiger damit auf sinkende Erträge aus der Pfändung von Arbeitseinkommen einstellen, was sich auch auf den von der Pfändung ausgehenden Vollstreckungsdruck auswirkt. Nachdem die Pfändungsfreigrenze auch im Insolvenzverfahren zu beachten ist, wird insbesondere auch der Treuhänder in der Wohlverhaltensphase aufgrund der Abtretungserklärung einen geringeren Ertrag erzielen.
Beispiel
Der Schuldner ist verheiratet und hat ein Kind. Er erzielt ein monatliches Nettoeinkommen von 1.700 EUR. Für das Arbeitseinkommen ergibt sich aus der Tabelle zu § 850c ZPO in der Fassung der Pfändungsfreigrenzenbekanntmachung 2011 vom 9.5.2011 folgende Berechnung: Waren bis zum 30.6.2011 noch monatlich 55,01 EUR pfändbar, sind es ab dem 1.7.2011 lediglich 27,26 EUR, d.h. ein um 27,75 EUR niedrigerer Betrag.
Da § 850c Abs. 2 ZPO bei der Kontopfändung auf das Pfändungsschutzkonto nicht übertragen wird, ist hier der den Pfändungsfreibetrag übersteigende Betrag vollständig pfändbar. Der Schuldner hat also einen Betrag von 1.028,89 + 387,22 + 215,73 = 1.631,84 EUR auf dem P-Konto pfändungsfrei. Im Umkehrschluss sind also 68,16 EUR pfändbar, wenn ein Betrag von 1.700 EUR eingeht. Der arbeitende Schuldner muss also zusätzlich einen Schutzantrag nach § 850k Abs. 4 ZPO i.V.m. § 850c ZPO stellen, um den Differenzbetrag von 68,16 EUR zu 27,75 EUR auch noch pfändungsfrei stellen zu lassen.
Man kann alles auch positiv sehen: vorgerichtliches Inkasso!
Steigen die Pfändungsfreigrenzen, bedeutet dies zugleich, dass dem Schuldner ein größeres Einkommen zur Verfügung steht, das dem Zugriff anderer Gläubiger entzogen ist, so dass er dies für eine Ratenzahlungsvereinbarung oder eine Erhöhung der bisherigen Raten einsetzen kann, ohne dass die Gefahr besteht, dass andere Gläubiger ihm diese Mittel im Wege der Zwangsvollstreckung entziehen. Es sind daher größere Anstrengungen im außergerichtlichen Forderungsinkasso zu unternehmen. Neben dem Anschreiben des Schuldners sind hier insbesondere die Instrumente des Telefoninkasso sowie des Einsatzes seriöser und qualifizierter Außendienste zu nennen.
Ist außergerichtlich mit dem Schuldner eine Einigung über eine Ratenzahlung nicht zu erzielen, so muss der Gläubiger bei sinkenden Erträgen aus der Pfändung die ihm kraft Gesetzes gegebenen Möglichkeiten nutzen. Hierzu gehört es, den Versuch zu unternehmen, das Einkommen der gegenüber dem Schuldner unterhaltsberechtigten Personen zu ermitteln, um deren teilweise oder vollständige Nichtberücksichtigung nach § 850c Abs. 4 ZPO zu erreichen.
Beispiel
Der Schuldner ist verheiratet und hat ein Kind. Er erzielt ein monatliches Nettoeinkommen von 1.700 EUR. Die...