Leitsatz
Eine Fehlüberweisung eines Dritten kann nicht dergestalt korrigiert werden, dass der fehlerhaft auf dem P-Konto eingegangene Betrag freigegeben wird. Vielmehr sind die Voraussetzungen des § 850k und § 765a ZPO zu prüfen.
AG Höxter, Beschl. v. 4.12.2018 – 7 M 1222/18
1 I. Der Fall
Gepfändetes P-Konto
Mit dem Pfändungs-und Überweisungsbeschluss (PfÜB) des Amtsgerichts wurde u.a. der Anspruch des Schuldners auf Auszahlung des Guthabens gegenüber der Drittschuldnerin zu 2) gepfändet und der Gläubigerin zur Einziehung überwiesen. Das Konto des Schuldners wird derzeit als Pfändungsschutzkonto im Sinne des § 850k ZPO geführt.
Verweigerung der Auszahlung
Die Drittschuldnerin verweigert eine Auszahlung der am a) 23.10.2018 und b) 30.10.2018 gebuchten Beträge in Höhe von a) 1.270,92 EUR und b) 907,80 EUR mit dem Hinweis, dass der Pfändungsfreibetrag ausgeschöpft ist bzw. damit überschritten wurde.
Fehlüberweisung
Es wurde von der AOK fehlerhaft Krankengeld auf das Konto des Schuldners überweisen. Der zu viel überwiesene Betrag wurde für die Zahlung für Dezember einbehalten. Der Schuldner erklärt, dass er die überwiesenen Beträge zum Lebensunterhalt benötigt und dass diese nicht abgeführt werden dürfen. Mit dem für den Monat Dezember verbliebenen Betrag in Höhe von 619,51 EUR könne der Lebensunterhalt nicht bestritten werden, da für diesen 590,00 EUR für Miete und Nebenkosten, 200,00 EUR für das Auto (Fahrten zur Arbeit) und Geld für den Lebensunterhalt benötigt werden.
Die Gläubigerseite wurde zu dem Antrag des Schuldners nicht gehört, da die Sache eilbedürftig war.
2 II. Die Entscheidung
Keine Freigabe durch das Gericht
Eine Freigabe gemäß § 850k ZPO erfolgt nicht, da die Voraussetzungen nicht gegeben sind. Mit der Überweisung auf das Konto kann auch das Krankengeld gepfändet werden. Weiterhin wurde das Geld bereits im Monat Oktober überwiesen, sodass es sich nunmehr um Sparvermögen handelt, welches abzuführen ist. Unabhängig davon kann eine Freigabe der 200,00 EUR nicht erfolgen, da der Schuldner Krankengeld bezieht und eben keine Aufwendungen für Fahrten zur Arbeit hat.
Voraussetzungen des § 765a ZPO liegen nicht vor
Die Voraussetzungen für eine Freigabe der o.g. Beträge gemäß § 765a ZPO liegen ebenfalls nicht vor.
Gemäß § 765a ZPO kann das Vollstreckungsgericht auf Antrag des Schuldners eine Maßnahme der Zwangsvollstreckung ganz oder teilweise aufheben, untersagen oder einstellen, wenn die Maßnahme unter voller Würdigung des Schutzbedürfnisses des Gläubigers wegen ganz besonderer Umstände eine Härte bedeutet, die mit den guten Sitten nicht vereinbar ist. Dabei ist jedoch zu berücksichtigen, dass sich der Schuldner mit Härten, welche jede Zwangsvollstreckung mit sich bringt, abzufinden hat. Es begründet daher keine Härte im Sinne des § 765a ZPO, dass die Zwangsvollstreckungsmaßnahme einen erheblichen Eingriff in den Lebenskreis des Schuldners bewirkt (Frankfurt OLGZ 81, 250).
Keine besondere Härte
Für die Anwendung des § 765a ZPO genügen weder allgemeine wirtschaftliche Erwägungen noch soziale Gesichtspunkte. Anzuwenden ist § 765a ZPO nur in besonders gelagerten Fällen, nämlich nur dann, wenn im Einzelfall das Vorgehen des Gläubigers zu einem ganz untragbaren Ergebnis führen würde (vgl. Zöller, Kommentar zur ZPO, 31. Aufl., Rn 5 zu § 765a ZPO). Schuldnerschutz im Rahmen von § 765a ZPO kann also nur bei krassem Missverhältnis der für und gegen die Vollstreckung sprechenden Interessen gewährt werden. Ein solch krasses Missverhältnis ist hier nicht zu erkennen.
3 Der Praxistipp
Schuldner kann bei Fehlüberweisung keinen Schutz genießen
Die Entscheidung lässt nach dem Sachverhalt nicht ganz erkennen, was der Schuldner unter einer fehlgeleiteten Zahlung von Krankengeld versteht. Letztlich kann er allerdings in beiden Fällen keinen Pfändungsschutz beanspruchen.
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Sofern das Krankengeld dem Schuldner gar nicht zugestanden hat und die Krankenkasse einen Rückzahlungsanspruch besitzt, ist er letztlich nicht tangiert. Es geht dann nur um die Frage, ob der titulierte Anspruch des vollstreckenden Gläubigers dem untitulierten materiellen Anspruch der Krankenkasse vorgeht. Der Schuldner kann dann auch nicht damit gehört werden, er benötige den Betrag zum Unterhalt – ohne Fehlüberweisung hätte ihm der Betrag auch nicht zugestanden. |
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Sofern der Schuldner die Gutschrift nur auf ein anderes Konto steuern wollte, um es dem Zugriff seiner Gläubiger zu entziehen, ist er nicht schützenwert. Auch insoweit kann er mit dem Einwand eines unzureichenden Unterhalts nicht gehört werden. Der Gesetzgeber geht davon aus, dass der Freibetrag nach § 850k Abs. 1 ZPO grundsätzlich zum Unterhalt genügt. Hat der Schuldner besondere persönliche oder berufliche Bedürfnisse, kann er einen Schutzantrag nach § 850k Abs. 4 i.V.m. § 850f Abs. 2 ZPO stellen. Dafür hat er aber nichts vorgetragen. |
§ 765a kommt schon im Ansatz nicht in Betracht
Ein Vollstreckungsschutz nach § 765a ZPO kommt schon deshalb nicht in Betracht, weil der Pfändungsschutz ganz speziell in § 850k Abs. 1 und 2 ZPO geregelt ist und ein weitergehender Pfändungsschu...