Der Widerspruch hat Folgen
Wird dem Schuldner ein Mahnbescheid zugestellt, so kann er gegen diesen nach § 694 Abs. 1 ZPO Widerspruch einlegen. Der Widerspruch ist grundsätzlich an keine feste Frist gebunden, sondern kann so lange erhoben werden, wie der Vollstreckungsbescheid nicht verfügt ist, was wiederum einen entsprechenden Antrag des Gläubigers voraussetzt. Nach § 692 Abs. 1 Nr. 3 hat der Schuldner mindestens zwei Wochen Gelegenheit, die angemahnte Forderung auszugleichen oder Widerspruch einzulegen. Vor dieser Widerspruchsfrist kann der Vollstreckungsbescheid nach § 699 Abs. 1 S. 2 ZPO nicht beantragt werden.
Hinweis
Wird kein Widerspruch erhoben, verliert der Mahnbescheid nach § 701 ZPO nach sechs Monaten seine Wirkung und kann damit nicht mehr Grundlage eines Antrags auf Erlass eines Vollstreckungsbescheids sein, weil dieser nach § 699 Abs. 1 S. 1 "auf der Grundlage des Mahnbescheides" ergeht. Wenn Widerspruch erhoben wurde, verliert der Mahnbescheid seine Wirkung also nicht und es kann auch noch sehr viel später die Abgabe an das Streitgericht nach §§ 696, 697 ZPO beantragt werden.
Die Abgabe an das Streitgericht
Das Recht, die Abgabe an das Streitgericht zu beantragen, steht nach § 696 Abs. 1 ZPO nicht nur dem Gläubiger als Antragsteller, sondern jeder Partei und damit auch dem Schuldner als Antragsgegner zu. Insoweit ist nicht zu beanstanden, dass der Schuldner die Abgabe an das Streitgericht beantragt hat. Er wird dies dann tun, wenn er von der Unbegründetheit des Anspruchs ausgeht, d.h. er annimmt, dass der Anspruch nicht besteht oder jedenfalls vom Gläubiger nicht bewiesen werden kann. Das prozessuale Verhalten kommt damit einer negativen Feststellungsklage gleich. Die erste Frage des Lesers ist also dahin zu beantworten, dass der Schuldner durchaus die Abgabe an das Streitgericht beantragen kann.
Hinweis
Will der Gläubiger das damit verbundene Risiko aus welchen Gründen auch immer nicht tragen, muss er also auf einen Widerspruch zeitnah den Mahnbescheidsantrag zurücknehmen.
Die Frage nach der Kostentragungspflicht
Stellt sich nun die Frage, wer die weiteren Kosten des Streitverfahrens tragen muss.
Die Gerichtsgebühr im gerichtlichen Mahnverfahren richtet sich nach Nr. 1100 KVGKG und berechnet sich als 0,5-Gebühr, mindestens 32,00 EUR. Bei dem hier maßgeblichen Streitwert von 2.137,56 EUR beträgt die Gerichtsgebühr im Mahnverfahren damit 54,00 EUR. Die Gebühr für das streitige Verfahren ist als 3,0-Gerichtsgebühr nach Nr. 1210 KVGKG ausgestaltet und beträgt bei dem genannten Gegenstandswert 324,00 EUR. Für die Abgabe an das Streitgericht müssen also weitere 270,00 EUR gezahlt werden. Keine Kleinigkeit.
Die Beantwortung der Frage, wer die Gerichtskosten zu tragen hat, ist zwischen den OLG streitig. Man kann auf den Gläubiger als Antragsteller des Mahnverfahrens oder auf den Schuldner als Antragenden für das streitige Verfahren abstellen.
Mahnverfahren als Teil des Streitverfahrens
Nach der einen Ansicht ist das Mahnverfahren eine Vorstufe des Streitverfahrens und bildet mit ihm eine einheitliche Instanz. Daher haftet der Anspruchsgegner, der dem Mahnbescheid widerspricht und seinerseits die Abgabe an das Streitgericht fordert, nicht als Antragsteller für Gerichtskosten, sondern der Gläubiger muss diese einzahlen (OLG Koblenz AGS 2015, 397; OLG München MDR 1995, 1072; KG Berlin AGS 2018, 18; LG Osnabrück, 12.4.2013 – 7 O 2656/12; Schneider, NJW-Spezial 2017, 27).
Schuldner als neuer Angreifer
Im Rahmen eines Widerspruchs gegen einen Mahnbescheid ist nach der anderen Ansicht nach § 22 Abs. 1 S. 1 GKG derjenige Kostenschuldner, der die Durchführung des streitigen Verfahrens gemäß § 696 Abs. 1 S. 1 ZPO beantragt hat (KG Berlin Rpfleger 1980, 121; OLG Karlsruhe JurBüro 1995, 42; OLG Düsseldorf JurBüro 1984, 1696; OLG Oldenburg GS 2016, 576). In bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten schuldet nach § 22 Abs. 1 GKG die Kosten grundsätzlich derjenige, der das Verfahren des Rechtszugs beantragt hat. Mit der Beantragung des Streitverfahrens gehe der Schuldner nach dieser Ansicht über die Rechtsverteidigung hinaus und begebe sich in die Angreiferrolle (Hartmann, Kostengesetze, 48. Aufl., § 22 Rn 4 – Beklagter).
Die erste Ansicht ist nur vermeintlich nachteilig
Auch wenn der Gläubiger als Antragsteller in der Vorschusspflicht ist, gibt ihm die Entscheidung doch das Heft des Handelns in die Hand. In der Praxis erfolgt die Abgabe an das Streitgericht nämlich erst, wenn der Kostenvorschuss gezahlt ist. Er kann also die Zahlung des Vorschusses verweigern und den Mahnantrag zurücknehmen. Zwar muss er dann entsprechend § 269 Abs. 3 ZPO die Kosten des Verfahrens tragen – mangels Abgabe an das Streitgericht aber nur eine 0,5- statt einer 3,0-Gerichtsgebühr.
Autor: VRiOLG Frank-Michael Goebel
FoVo 6/2019, S. 104 - 106