Häufigere Dynamisierung der Pfändungsfreigrenzen

§ 850c ZPO enthält noch die Pfändungsfreigrenzen aus dem Jahre 2002, als die jetzige Regelung in Kraft getreten ist. Die aktuellen Pfändungsfreigrenzen ergeben sich aus Verordnungen des BMJV, die selbstverständlich das Gesetz nicht ändern können. Insoweit bringt der Gesetzentwurf die Regelung zunächst einmal "auf Stand". Für die Zukunft wird aber die gleiche missliche Lage beibehalten.

Die bisherige Regelung des § 850c Abs. 1 S. 2 ZPO zur Berücksichtigung unterhaltsberechtigter Personen wird ohne inhaltliche Änderung in § 850c Abs. 2 ZPO-E übernommen. § 850c Abs. 2 ZPO wird dann inhaltsgleich § 850c Abs. 3 ZPO-E und der bisherige § 850c Abs. 3 ZPO wird Abs. 5 ZPO-E und der besonders wichtige § 850c Abs. 4 ZPO zur Nichtberücksichtigung unterhaltsberechtigter Personen wird ohne inhaltliche Änderung § 850c Abs. 6 ZPO-E.

 

Hinweis

Angepasst werden müssen "nur" das gesamte Formularwesen und die EDV.

Die Anlage zu § 850c ZPO entfällt künftig und wird jährlich zur Anlage der Pfändungsfreigrenzentabelle. Nach dem Gesetzgeber soll im PfÜB nun auf diese Tabelle Bezug genommen werden dürfen.

Die wesentliche Änderung ergibt sich dann aus der von § 850c Abs. 2a ZPO in § 850c Abs. 4 ZPO-E übernommenen Dynamisierung der Pfändungsfreigrenzen in der bisherigen Systematik, allerdings nicht mehr alle zwei Jahre, sondern nunmehr jedes Jahr. Der Gesetzgeber möchte damit der zeitlichen Verzögerung des Gleichklanges des steuerlichen Grundfreibetrages mit der Höhe des Pfändungsfreibetrages entgegenwirken. Gerade kleine Einkommen seien hierauf aber angewiesen.

 

Hinweis

Die Begründung überzeugt nicht. Sie übersieht einerseits, dass kleinere Einkommen bis 1.180 EUR netto ohnehin komplett pfändungsgeschützt sind und die Pfändungsfreigrenzen überhaupt keine Relevanz entfalten. Auch liegt der Pfändungsfreibetrag in seiner absoluten Höhe deutlich über dem Grundfreibetrag. Durch die gleiche prozentuale Erhöhung wird der Spalt zwischen den Beträgen sogar immer größer. So betrug 2002 der Abstand zwischen dem jährlichen Grundfreibetrag (7.235 EUR) und dem jährlichen Pfändungsfreibetrag (12 x 930 EUR = 11.160 EUR) 3.925 EUR. Im Jahr 2020 führt der Vergleich (9.408 EUR zu 12 x 1.178,59 EUR = 14.143,08 EUR) zu einer Differenz von 4.735,08 EUR oder zu einer um 20,64 % höheren Differenz!

Privilegierung des Gläubigers wird gestrichen

Unverändert verbleibt es dabei, dass Unterhaltsforderungen nach § 850d ZPO und Forderungen aus vorsätzlich begangener unerlaubter Handlung nach § 850f Abs. 2 ZPO privilegiert vollstreckt werden können. Die Auffangregelung in § 850f Abs. 3 ZPO, für den Gläubiger auch in anderen Fällen eine Privilegierung zu erreichen, soll dagegen ersatzlos gestrichen werden, weil sie keine hohe praktische Bedeutung habe.

 

Hinweis

Bedeutung kann die Norm erlangen, wenn der Gläubiger bei Ausfall seiner Forderung selbst in Not geraten würde oder eine Forderung beizutreiben hat, die einen besonders schutzwürdigen Bedarf decken soll (OLG Köln FamRZ 1991, 1462; Herget, in: Zöller, Zivilprozessordnung, 33. Aufl. 2020, § 850f ZPO Rn 11). Dass die Norm vielleicht aktuell keinen Anwendungsfall in der veröffentlichten Rechtsprechung trägt, sagt nichts darüber aus, dass es solche Fälle in Zukunft nicht geben kann. Die Rechtsprechung muss dann wieder auf Hilfskonstruktionen zurückgreifen. Das ist nicht sinnvoll.

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