Verordnung korrigiert das Gesetz
Eine Verordnung kann kein Gesetz ändern, so dass die vorgenannten Beträge auch künftig in der gesetzlichen Regelung verbleiben. Diese Beträge werden aber im Verordnungswege "aufgrund" der gesetzlichen Regelung durch die Pfändungsfreigrenzenbekanntmachung jährlich angepasst. Dies ist nun eben geschehen, so dass sich ab dem 1.7.2021 folgende Beträge ergeben.
Checkliste: Die in der Praxis wesentlichen monatlichen Beträge
Norm (ZPO) |
Regelungsgehalt |
Bis 30.6.2021 |
Ab 1.7.2021 |
§ 850c Abs. 1 |
Schuldner |
1.178,59 EUR |
1.252,64 EUR |
§ 850c Abs. 2 S. 1 |
1. unterhaltsberechtigte Person |
443,57 EUR |
471,44 EUR |
§ 850c Abs. 2 S. 2 |
2.–5. unterhaltsberechtigte Personen |
247,12 EUR |
262,65 EUR |
§ 850c Abs. 3 |
höchster Freibetrag |
3.613,08 EUR |
3.840,08 EUR |
Berechnung des Nettoeinkommens
Die Berechnung des Nettoeinkommens bestimmt sich wie bisher nach § 850e Nr. 1 ZPO. Im Wesentlichen werden die steuerrechtlichen und sozialversicherungsrechtlichen Belastungen abgezogen, wobei die Besonderheiten bestimmter Berufsgruppen, etwa privatversicherter Angehöriger des öffentlichen Dienstes, zu berücksichtigen sind. Ausgehend von dem so ermittelten Nettoeinkommen ist der Betrag als Ausgangspunkt des Pfändungsfreibetrages zu runden. Die Rundung – eine Abrundung auf volle 10-EUR-Beträge – bestimmt sich künftig nach § 850c Abs. 5 ZPO.
Im Wortlaut: § 850c Abs. 5 ZPO n.F.
(5) 1Um den nach Absatz 3 pfändbaren Teil des Arbeitseinkommens zu berechnen, ist das Arbeitseinkommen, gegebenenfalls nach Abzug des nach Absatz 3 Satz 3 pfändbaren Betrages, auf eine Zahl abzurunden, die bei einer Auszahlung für 1. Monate bei einer Teilung durch 10 eine natürliche Zahl ergibt, 2. Wochen bei einer Teilung durch 2,5 eine natürliche Zahl ergibt, 3. Tage bei einer Teilung durch 0,5 eine natürliche Zahl ergibt. 2Die sich aus der Berechnung nach Satz 1 ergebenden Beträge sind in der Pfändungsfreigrenzenbekanntmachung als Tabelle enthalten. 3Im Pfändungsbeschluss genügt die Bezugnahme auf die Tabelle.
Ab wann ergibt sich ein pfändbares Arbeitseinkommen?
Aus den Neuregelungen ergeben sich neue Schwellenbeträge, ab denen sich (erst) ein pfändbarer Betrag für den Gläubiger ergibt:
Zahl der Personen |
Schwellenbetrag |
Geringster pfändbarer Betrag |
Schuldner |
1.260 EUR |
5,15 EUR |
+ 1. unterhaltsberechtigte Person |
1.730 EUR |
2,96 EUR |
+ 2. unterhaltsberechtigte Person |
1.990 EUR |
1,31 EUR |
+ 3. unterhaltsberechtigte Person |
2.250 EUR |
0,19 EUR |
+ 4. unterhaltsberechtigte Person |
2.520 EUR |
1,59 EUR |
+ 5. unterhaltsberechtigte Person |
2.780 EUR |
0,53 EUR |
Sinkende Erträge
Insgesamt müssen sich die Gläubiger damit auf sinkende Erträge aus der Pfändung von Arbeitseinkommen einstellen, was sich auch auf den von der Pfändung ausgehenden Vollstreckungsdruck auswirkt. Das gilt auch vor dem Hintergrund, dass die Regelung entsprechend für das Pfändungsschutzkonto greift. Nachdem die Pfändungsfreigrenze auch im Insolvenzverfahren zu beachten ist, wird insbesondere auch der Treuhänder in der Wohlverhaltensphase aufgrund der Abtretungserklärung einen geringeren Ertrag erzielen.
Beispiel
Der Schuldner ist verheiratet und hat ein Kind, mithin zwei unterhaltsberechtigte Personen. Er erzielt ein monatliches Nettoeinkommen von 1.915 EUR.
Für das Arbeitseinkommen ergibt sich aus der Tabelle zu § 850c ZPO in der Fassung der Pfändungsfreigrenzenbekanntmachung 2021 vom 10.5.2021 folgende Berechnung: Sind bis zum 30.6.2021 noch monatlich 16,29 EUR pfändbar, kann ab dem 1.7.2021 nicht mehr mit einem pfändbaren Betrag gerechnet werden. Damit sich wieder ein Pfändungsbetrag in etwa gleicher Höhe ergibt, müsste das Nettoeinkommen des Schuldners auf 2.030 EUR, mithin um 115 EUR steigen, damit wieder 17,31 EUR pfändbar wären.
Ein Ansatzpunkt: Nichtberücksichtigung unterhaltsberechtigter Personen
Wie schon bisher muss der Gläubiger ermitteln, ob die unterhaltsberechtigten Personen über eigenes Einkommen verfügen und deshalb ihren Unterhalt ganz oder teilweise selbst decken können. In diesem Fall kann ein Antrag auf Nichtberücksichtigung der gesetzlich unterhaltsberechtigten Person gestellt werden.
Hinweis
Da diese Situation dynamisch ist, d.h. sich regelmäßig ändern kann, muss der Gläubiger hier regelmäßig Überprüfungen ansetzen. Während etwa in der Covid-19-Pademie viele Minijobs entfallen sind, ist in den nächsten Monaten wieder mit einem deutlichen Anstieg solcher (Zweit-)Beschäftigungen zu rechnen.
War die Nichtberücksichtigung unterhaltsberechtigter Personen bisher in § 850c Abs. 4 ZPO geregelt, ist die Bestimmung nunmehr in Abs. 6 gewandert. Inhaltliche Änderungen haben sich damit nicht ergeben.
Im Wortlaut: § 850c Abs. 6 ZPO
(6) Hat eine Person, welcher der Schuldner aufgrund gesetzlicher Verpflichtung Unterhalt gewährt, eigene Einkünfte, so kann das Vollstreckungsgericht auf Antrag des Gläubigers nach billigem Ermessen bestimmen, dass diese Person bei der Berechnung des unpfändbaren Teils des Arbeitseinkommens ganz oder teilweise unberücksichtigt bleibt; soll die Person nur teilweise berücksichtigt ...