Leitsatz
Der Pkw eines Schuldners darf nicht gepfändet werden, wenn der Weg zur Arbeitsstelle mit öffentlichen Verkehrsmitteln schwer zu erreichen ist.
LG Kleve, Beschl. v. 26.02.2018 – 4 T 18/18
1 Der Fall
GV behauptet Unpfändbarkeit des Pkw
Der Gläubiger betreibt die Zwangsvollstreckung gegen die Schuldnerin. Im Vermögen der Schuldnerin befindet sich ein Pkw Seat Ibiza, der durch den Gerichtsvollzieher (GV) gepfändet werden sollte.
Der GV teilte dem Gläubiger mit, dass er den Pkw am Wohnsitz der Schuldnerin nicht aufgefunden habe. Ebenso habe er die Schuldnerin nicht angetroffen. Die Schuldnerin arbeite im Gartenbaubetrieb … in … . Der GV führte aus, dass er die Pfändung des Fahrzeugs für unzulässig halte, wenn dieses zur Erzielung von Erwerbseinkommen benötigt werde; da es für die Schuldnerin schwierig sein dürfte, ihre Arbeitsstelle mit öffentlichen Verkehrsmitteln zu erreichen, halte er das Fahrzeug für unpfändbar. Er lehne die Pfändung aus diesen Gründen ab.
Gläubiger legt Erinnerung ein
Der Gläubiger hat Erinnerung eingelegt und beantragt, den GV anzuweisen, den erteilten Zwangsvollstreckungsauftrag weisungsgemäß durchzuführen. Dem ist der GV entgegengetreten und hat der Erinnerung nicht abgeholfen. Das AG hat die Erinnerung mit gleicher Begründung zurückgewiesen. Zu entscheiden ist nun über die sofortige Beschwerde nach § 793 ZPO.
2 II. Die Entscheidung
LG sieht ebenfalls den Pfändungsschutz
Die Beschwerde des Gläubigers ist zulässig, insbesondere fristgerecht und in gehöriger Form eingelegt worden, §§ 793, 567 ff. ZPO. Sie hat aber in der Sache keinen Erfolg.
Nach § 811 Abs. 1 Nr. 1 ZPO sind Sachen unpfändbar, die dem persönlichen Gebrauch des Schuldners dienen, soweit der Schuldner ihrer zu einer seiner Berufstätigkeit angemessenen Lebens- und Haushaltsführung bedarf; daneben sind nach § 811 Abs. 1 Nr. 5 ZPO bei Personen, die aus ihrer körperlichen oder geistigen Arbeit ihren Erwerb ziehen, die zur Fortsetzung der Erwerbstätigkeit erforderlichen Gegenstände unpfändbar; zu den letztgenannten Sachen kann auch der Pkw des Schuldners zählen, wenn dieser für die tägliche Fahrt von seiner Wohnung zu seiner Arbeitsstelle auf dieses Fahrzeug angewiesen ist (vgl. BGH, 28.1.2010 – VII ZB 16/09 Rn 16, zitiert nach juris). Die Voraussetzungen, unter denen der Pkw der Schuldnerin unpfändbar ist, sind vorliegend vom GV zutreffend bejaht worden.
Schuldnerin trägt konkret vor
Die Schuldnerin geht einer Erwerbstätigkeit nach. Sie hat mitgeteilt, dass sie im Sommer zwischen 6:30 Uhr und 7:00 Uhr mit der Arbeit beginnen und zu diesem Zweck gegen 6:00 Uhr im Betrieb erscheinen müsse. Die Firma W-X-Weg verfüge über insgesamt vier Niederlassungen in R, S, L und S. Sie werde nicht beständig in einer der vier Niederlassungen eingesetzt, sondern bei Bedarf auch kurzfristig morgens bei Antritt der Arbeit gebeten, in einer der anderen drei Niederlassungen zu arbeiten. Der Weg zur Arbeit sei im Sommer wegen der frühen Morgenstunden mit öffentlichen Verkehrsmitteln nicht zu bewältigen und es sei ihr auch nicht möglich, ohne den Pkw ihre Arbeit auszuführen, die bei Bedarf auch in einer der anderen drei Niederlassungen ausgeübt werden müsse. Im Winter sei die Arbeitszeit zwar kürzer, dennoch sei sie wegen der Art ihres Einsatzes auf den Pkw angewiesen.
Gläubiger zeigt – erfolglos – Widersprüche auf
Diesem Vorbringen ist der Gläubiger zwar entgegengetreten und hat unter Angabe von Arbeitszeiten – die nicht dem Vorbringen der Schuldnerin entsprechen – Diskrepanzen zwischen ihren Angaben zur Arbeitszeit und dem von ihr angegebenen Arbeitslohn aufgezeigt. Diese Diskrepanz besteht aber nur aufgrund der von ihm – unzutreffend – wiedergegebenen Arbeitszeiten und der unzutreffenden Annahme, die Schuldnerin arbeite im Sommer regelmäßig 13 Stunden täglich. Eine solche Diskrepanz liegt daher nicht vor. Zutreffend ist auch, dass die Schuldnerin den Pkw für den Weg zur Arbeit nicht benötigen würde, wenn sie regelmäßig und ausschließlich in der Niederlassung der Firma in S arbeiten würde. Dies tut sie aber gerade nicht. Gegenteiliges hat auch der Gläubiger nicht vorgebracht.
Pfändungsschutz geht vor
Wenn auch nachvollziehbar ist, dass der Gläubiger es nicht für verständlich hält, dass der Schuldnerin der Pkw belassen wird, obwohl sie zusammen mit ihrem Ehemann erhebliche Mietschulden verursacht hat, so muss der Schuldnerin doch zur Ausübung ihrer Berufstätigkeit der Pkw verbleiben. Diese Berufstätigkeit begründet für die Schuldnerin die Möglichkeit, ihren Lebensunterhalt durch Arbeit zu verdienen und gegebenenfalls – soweit ihr Ehemann zukünftig eine Rente erhält – eine Pfändung des Arbeitslohns vorzunehmen.
3 Der Praxistipp
GV prüft den Pfändungsschutz von Amts wegen
Soweit nach dem Gesetz Pfändungsbeschränkungen bestehen, entscheidet der GV nach § 72 Abs. 1 der Gerichtsvollziehergeschäftsanweisungen selbständig, welche Sachen des Schuldners von der Pfändung auszuschließen sind. Sachen, deren Pfändbarkeit zweifelhaft ist, pfändet er, sofern sonstige Pfandstücke nicht in ausreichendem Maß vorhanden sind. Insoweit wir...