BGH hebt auf und verweist zurück, klärt aber die Grundsätze
Die gemäß § 574 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 ZPO statthafte und auch im Übrigen zulässige Rechtsbeschwerde des Gläubigers führt zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das LG.
Zutreffend geht das LG davon aus, dass der Gläubiger und die minderjährige Tochter M des Schuldners nach § 850d Abs. 2 ZPO, § 1609 Nr. 1 BGB als auf gleicher Stufe stehende Unterhaltsberechtigte i.S.d. § 850d Abs. 1 S. 2 ZPO anzusehen sind. Die titulierte Unterhaltsforderung, derentwegen der Gläubiger vollstreckt, betrifft wie bei der Tochter M den ihm als minderjährigem Kind vom Schuldner zu gewährenden Unterhalt. Dies zieht auch der Gläubiger nicht in Zweifel.
Naturalunterhalt steht Barunterhalt gleich
Der Schuldner, der einem dem pfändenden Gläubiger gleichstehenden minderjährigen Kind keinen Barunterhalt, sondern Naturalunterhalt leistet, kann wie ein Barunterhalt leistender Schuldner die Heraufsetzung des ihm pfandfrei zu belassenden Betrags nach § 850d Abs. 1 S. 2 ZPO verlangen.
Betreibt der Gläubiger gegen den Schuldner die Zwangsvollstreckung wegen Unterhaltsansprüchen i.S.d. § 850d ZPO, ist dem Schuldner gemäß § 850d Abs. 1 S. 2 ZPO so viel zu belassen, wie er für seinen notwendigen Unterhalt und zur Erfüllung seiner laufenden gesetzlichen Unterhaltspflichten gegenüber den dem Gläubiger vorgehenden Berechtigten oder zur gleichmäßigen Befriedigung der dem Gläubiger gleichstehenden Berechtigten bedarf.
§ 850d Abs. 1 S. 2 ZPO ist dahin auszulegen, dass bei der Bestimmung des pfandfreien Betrags die laufenden gesetzlichen Unterhaltspflichten des Schuldners gegenüber den dem Gläubiger vorgehenden oder gleichstehenden Unterhaltsberechtigten nur in dem Umfang zu berücksichtigen sind, in dem der Schuldner seine gesetzlichen Unterhaltspflichten den weiteren Unterhaltsberechtigten gegenüber erfüllt oder in dem er von den weiteren Unterhaltsberechtigten im Wege der Zwangsvollstreckung in Anspruch genommen wird (BGH, 18.1.2023 – VII ZB 35/20). Gleiches hat zu gelten, wenn der Schuldner – wie hier – dem weiteren Unterhaltsberechtigten, der dem Gläubiger im Rang gleichsteht, Naturalunterhalt gewährt (vgl. MüKo-ZPO/Smid, 6. Aufl., § 850d Rn 24; Stein/Jonas/Würdinger, ZPO, 23. Aufl., § 850d Rn 24; Stöber/Rellermeyer, Forderungspfändung, 17. Aufl., Rn C.307).
Naturalunterhalt wird auch bei § 850c Abs. 6 ZPO berücksichtigt
Der Elternteil, der ein minderjähriges Kind in seinem Haushalt betreut, erfüllt seine Verpflichtung, zum Unterhalt des Kindes beizutragen, gemäß § 1606 Abs. 3 S. 2 BGB in der Regel durch die Pflege und Erziehung des Kindes. Die Gewährung von Naturalunterhalt ist gegenüber der Gewährung von Barunterhalt grundsätzlich gleichwertig. Die Unterhaltspflicht wird durch die Gewährung von Naturalunterhalt vollständig erfüllt (vgl. BGH MDR 1981, 832; BGH NJW 1980, 2306). Dem entspricht es, dass der einem minderjährigen Kind gewährte Naturalunterhalt als Einkommen bei der Bemessung des pfändungsfreien Betrags gemäß § 850c Abs. 6 ZPO zu berücksichtigen ist (vgl. BGH MDR 2020, 370; BGH MDR 2015, 797). In einem Mangelfall ist der Naturalunterhalt in einen fiktiven Barunterhaltsanspruch umzurechnen. Dabei ist es sachgerecht, den Naturalunterhalt nicht niedriger anzusetzen als einen in vergleichbaren Verhältnissen zu zahlenden Barunterhalt (vgl. OLG Hamburg FamRZ 1993, 1453).
Aber: keine pauschale Berücksichtigung nach Kopfteilen
Das Beschwerdegericht hat den dem Schuldner über den eigenen notwendigen Unterhalt hinaus pfandfrei zu belassenden Betrag i.S.d. § 850d Abs. 1 S. 2 ZPO jedoch fehlerhaft nach Kopfteilen der auf einer Rangstufe stehenden Unterhaltsberechtigten bemessen.
Der dem Schuldner über den eigenen notwendigen Unterhalt hinaus pfandfrei zu belassende Betrag i.S.d. § 850d Abs. 1 S. 2 ZPO hat der gleichmäßigen Befriedigung aller gleichstehenden Berechtigten zu dienen. Dies bedeutet, dass bei der Bemessung dieses Betrags die Berechtigten entsprechend dem Verhältnis der ihnen jeweils gegen den Schuldner zustehenden Unterhaltsansprüche zu berücksichtigen sind. Insoweit ist von den gesetzlichen Unterhaltsansprüchen auszugehen. Das den notwendigen Unterhalt des Schuldners übersteigende Einkommen ist zum Zwecke der Bestimmung des pfandfreien Betrags gemäß § 850d Abs. 1 S. 2 ZPO im Verhältnis der Höhe der gesetzlichen Unterhaltsansprüche der Unterhaltsberechtigten in der gleichen Rangstufe zueinander zu quoteln (vgl. OLG Frankfurt NJW-RR 2000, 220; Zöller/Herget, ZPO, 34. Aufl., § 850d Rn 11a; MüKo-ZPO/Smid, 6. Aufl., § 850d Rn 24; Stein/Jonas/Würdinger, ZPO, 23. Aufl., § 850d Rn 23; Wieczorek/Schütze/Lüke, ZPO, 4. Aufl., § 850d Rn 38a; Stöber/Rellermeyer, Forderungspfändung, 17. Aufl., Rn C.320 m.w.N.).
Der konkrete Unterhaltsbedarf der Berechtigten ist zu klären
Das LG hat keine Feststellungen zur Höhe des jeweiligen Unterhaltsbedarfs der beiden gleichstehenden Unterhaltsberechtigten im Hinblick auf deren unterschiedliches Lebensalter getroffen. Der Gläubi...